Mit Schere und Klebstoff: Fast wie der Fall Wire-Card

Die Balsam-AG bei Gütersloh, ein Hersteller für Sport-Kunstrasen, ist seit Mitte der 1980er Jahre konkursreif. Eigentlich. Doch mit Schere, Klebstoff und einem Fotokopierer fingierte deren Buchhalter lukrative Aufträge. Banken standen Schlange, um fiktive Auslandsprojekte vorzufinanzieren. Als die Seifenblase Anfang der 1990er platzte, hatte die Firma 1,5 Milliarden Mark verbrannt.

In ihrem Film rekapituliert Simone Schillinger „einen der spektakulärsten Finanzprozesse der Nachkriegszeit“. Firmengründer Friedel Balsam will von allem nichts gewusst haben. In den Fokus rückte sein Buchhalte Klaus-Detlev Schlienkamp, ein Hasardeur, dessen abenteuerliche Umtriebe man sich nicht hätte ausdenken können: Parallelen zum Wirecard-Fiasko sind unübersehbar.

Stellen Sie sich jetzt bitte mal vor, das Geld liegt nicht auf der Bank, sondern irgendwo auf der Straße. Und da ist ein Schild dabei: ‚Bitte bedienen Sie sich’

Klaus-Detlev Schlienkamp, ehemaliger Buchhalter der Balsam AG

Dabei gab Schlienkamp sich zunächst reumütig und gestand den Betrug. Doch kaum wurde er aus der U-Haft entlassen, ergaunerte er – noch während er seine Verurteilung erwartete – erneut Millionen. Um der Haftstrafe zu entgehen, fingierte der Betrüger 1998 seinen Suizid. Inkognito schipperte er mit dem Frachter um die Welt und tauchte auf den Philippinen unter. Kommissar Wallmeier, ein Beamter, der so langweilig wirkt, dass kein „Tatort“ seine Geschichte aufgreifen würde, spürte ihn zwei Jahre später auf.

Der Film erinnert auch an das politische Erdbeben. Weil der Justizminister Rolf Krumsiek offenbar mit der Balsam AG klüngelte, verlor seine Partei, die SPD, nach 15 Jahren Alleinherrschaft die absolute Mehrheit. Mit dem Koalitionspartner, der CDU, zogen die Grünen in Nordrhein-Westfalen erstmals in den Landtag ein. Die Dokumentation ist eine kurzweilige Mischung aus Wirtschaftskrimi, Provinzposse und Zeitdokument.