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Ein kleines Mädchen spielt Geige.

© imago/Westend61/imago stock&people

Was heißt hier „musikalisch“?: Beethovens Genie kam nicht aus den Genen

Soll das Kind ein Instrument lernen? Hat es überhaupt Talent? Die Antwort sollte man besser nicht in den Genen suchen.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Mit sechs Jahren hatte sich der Erbonkel in den Kopf gesetzt, Geige zu spielen. Jahrzehnte später stellt sich die Frage, ob den Ohren der Eltern, Geschwister und Nachbarn womöglich viele schräge Töne erspart geblieben wären, hätte es damals schon einen Gentest auf Musikalität gegeben.

Tatsächlich hängt es wohl zu etwa 42 Prozent von der jeweiligen Ausprägung der Gene eines Menschen ab, wie gut er die Töne trifft oder den Rhythmus hält. Das lässt sich anhand von Zwillingsstudien abschätzen.

69 Gene fürs Taktgefühl

Um welche Gene es sich dabei handelt, erforscht unter anderem ein Forschungsteam um Laura Wesseldijk vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main. 69 Gene haben die Forschenden durch Erbgutanalysen von rund 600.000 Probanden identifiziert, die vor allem das Taktgefühl mitbestimmen.

Aber das bedeutet nicht, dass ein Blick auf diese 69 Gene, die den Forschenden zufolge nur rund 16 Prozent des vererbbaren Taktgefühls erklären können, eine Aussage über die Musikalität eines Menschen erlauben würden. Das demonstrierte Wesseldijks Team durch ein sehr erhellendes Beispiel: Sie untersuchten die DNA aus ein paar erhaltenen Haarlocken von Ludwig van Beethoven.

Dessen musikalische Genialität, hörbar etwa in der am 7. Mai vor 200 Jahren in Wien uraufgeführten 9. Sinfonie, dürfte außer Frage stehen. Doch seinem Erbgut ist das nicht anzumerken. Zwar hatte Beethoven in den 69 Genen eine Kombination von Varianten abbekommen, die für eine leicht überdurchschnittliche Musikalität sprechen, fanden die Forschenden. Doch von den rund 10.000 Vergleichspersonen hatten zehn Prozent weit bessere Genvarianten für Musikalität abbekommen.

Entweder liegt die Ursache für Beethovens musikalische Genialität also in anderen als den 69 untersuchten Genen. Oder aber, und das betonen die Max-Planck-Forscher ausdrücklich, Musikalität setzt sich aus sehr vielen, teils genetisch, teils erworbenen Fähigkeiten zusammen.

Einen Gentest, der zuverlässig bestimmen könnte, ob ein Kind besonders musikalisch ist und sich die Investitionen in Musiklehrer und Ohropax „lohnen“, wird es also wohl nie geben. Den braucht es auch gar nicht. Denn sicher ist, dass Musik auch jene glücklich macht und gesund hält, denen Rhythmus und Harmonie nicht in die Wiege gelegt wurden.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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