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Prachtvolle Backsteinfassade: das Conservatorium Hotel.

© Conservatorium Amsterdam

Unsere Hotelkolumne für Amsterdam: Eine Nacht im klangvollen Conservatorium

Die Musikhochschule ist ausgezogen, ein spektakuläres Hotelprojekt hat den Backsteinbau übernommen und beweist: Das Haus spielt immer noch die erste Geige.

Eine Frau sieht rot. Rostrot. Backstein, wohin der Blick auch fällt. Am Hotel und im Hotel und aus dem Hotelzimmer heraus: Natürlich ist der alte Teil des Stedelijk Museums direkt vis-à-vis ebenfalls aus Backstein gebaut. In Old Amsterdam liegt er einem sogar zu Füßen, auf Straßen und Bürgersteigen.

Die Ziegel geben dem Wochenende in Amsterdam einen warmen Unterton. Und von Tönen wird noch zu reden sein. Denn das 2011 eröffnete Hotel Conservatorium heißt nicht einfach so – in seinem früheren Leben war in dem gewaltigen Bau tatsächlich die Musikhochschule untergebracht. Heute sorgt das Bimmeln der Straßenbahn für dezente Hintergrundmusik im Zimmer.

Am Anfang steht die Verwirrung. Wo geht’s denn rein ins Hotel? Der Zugang zum Hof an der Paulus Potterstraat wirkt zu unscheinbar für eine Fünf-Sterne-Herberge. Also einmal um die Ecke, auf die Van Baerlestraat, die Front mit ihren Türmen wirkt gebührend repräsentativ, so steigt man die Treppen hoch – um doch innen wieder runter zu müssen, zur Rezeption. Der Hofeingang wäre der richtige gewesen.

Schöne Aussicht, tolle Preise: Suite im Conservatorium.

© Conservatorium Amsterdam

Der italienische Architekt Piero Lissoni hat den Bau mitten im Museumsquartier nicht nur sorgfältigst renoviert – geschickt hat er den historischen Teil um einen eleganten neuen erweitert: ein lichtes Atrium, so hoch wie das Gebäude, mit viel Glas, in das dezent ein kleines Treppenhaus und ein paar Konferenzräume eingebaut wurden. Der lange Pool liegt unsichtbar im Untergrund. Der Hof, auf dem früher Studierende ihre Räder parkten, dient heute als Lobby.

Die Preise stehen der Architektur in nichts nach: atemberaubend. Sie fangen bei 740 Euro die Nacht an, das Penthouse kostet 8000, dafür können die Gäste, ohne gesehen zu werden, direkt von der Tiefgarage in ihre Unterkunft mit Rundum-Blick über die Stadt. Diskretion ist alles. Im Conservatorium wird sie garantiert.

Allerdings tun die teuer zahlenden Gäste damit ein gutes Werk. Die öffentlichen Kassen sind leer, welche Stadt kann sich Renovierung und Umbau eines solchen Kastens leisten? Nicht zufällig sind es immer häufiger edle Hotels und Restaurants, die Banken, Gefängnisse, Behörden, Telegraphenämter oder eben Hochschulen übernehmen, renovieren und für die Stadt retten. Die wahrscheinlichste Alternative wäre der Verfall.

In diesem Fall gehört das große Geld sogar zur DNA des Gebäudes. Ursprünglich war hier nämlich die Reichspostsparbank untergebracht, an der Fassade steht noch Rijkspostspaarbank dran. Im Bodenmosaik finden sich weitere Hinweise – für den, der sie zu lesen vermag. Bienen sammeln da Honig, so wie die Bank Geld, erklärt ein Mitarbeiter. Dass der Boden so gut erhalten ist, liegt am Konservatorium. Wegen des Sounds lagen überall Teppiche aus.

Ein Besuch im Rijksmuseum lohnt sich allein schon wegen seiner Nähe zum Hotel.

© IMAGO/xNikitaMaykovx

Die Musikhochschule residierte von 1985 bis 2008 hier, bis sie, mit anderen Akademien fusioniert, ein neues, größeres State-of-the-art-Domizil bezog, zentral in der Nähe des Bahnhofs gelegen, hinter der großen Stadtbücherei – deren Besuch sich ebenfalls unbedingt lohnt. Und sei es nur, um zu gucken, was Berlin fehlt. Im neuen Konservatorium finden fast täglich Konzerte der verschiedensten Genres statt, von Klassik über Pop bis Jazz, oft sogar mehrere am Tag, etliche gratis. 

Auf Musik in der Nachbarschaft müssen die Hotelgäste nicht verzichten. Der historische Concertgebouw gleich um die Ecke ist geblieben. An diesem Sonntagnachmittag stehen Mendelssohn und Brahms auf dem Programm. Selbst der musikalische Laie merkt rasch: Der Titel „royal“, den Königin Beatrix dem Bau zum 125. Geburtstag 2013 verliehen hat, trägt er zu Recht, die Akustik des Konzerthauses zählt zu den besten der Welt.

Das Concertgebouw hat eine einzigartige Akustik in Europa.

© IMAGO/xKutredrigx

Selbst die Pause im Concertgebouw ist ein Vergnügen. Noch etwas, was die Berliner den Amsterdamern abgucken könnten: Auf den Tischen stehen die Weingläser schon bereit, niemand muss hier an der Bar so lange Schlange stehen, bis der Gong erklingt und man seinen Drink, wenn man denn einen ergattert hat, nur noch runterstürzen kann. Die Getränke sind im Ticketpreis enthalten.

Nicht mal fünf Minuten zu Fuß vom Concertgebouw liegt das Café Wildschut, geöffnet von morgens früh bis abends spät. Dort kriegt man ein gepflegtes Stück Appelgebak met Slagroom, für Hollandfans ein Muss. Mit 6,50 Euro kostet die Schale Pommes mit belgischer Mayonnaise nicht mehr als am Stehimbiss vor dem Rijksmuseum auf Pappe.

Die auslandende Terrasse, die der Bau mit Schwung umrahmt, ist dicht besetzt. Wer keinen Platz ergattert, muss nicht traurig sein. Im Gegenteil, das Interieur des Grand Cafés ist zu großen Teilen noch original erhalten, viel Holz, Panoramafenster. Ein besonderes Schmuckstück ist die Lesebar, die geradewegs aus einer Collegebibliothek in Oxford stammen könnte. In niedrigen Sesselchen sitzen die Gäste nebeneinander am langen Tisch mit Aufsatz, auf dem sich Magazine und Zeitungen stapeln.

Das Wildschut ist ein Musterexemplar der Amsterdamer Schule, wie sich die holländische Backsteinmoderne des frühen 20. Jahrhunderts nennt. Ihr Charme liegt wie beim Café oft in runden Formen, die an Dampfer denken lassen. Nicht zufällig heißt das Museum, das sich der expressionistischen Architekturrichtung widmet, Het Schip. Hier im alten Süden von Amsterdam stehen etliche Bauten der Schule. Die meisten anderen allerdings kann man nur von außen bewundern. Oder sie sind, wie die Bibliothek, schräg gegenüber vom Café, innen gründlich verhunzt.

Die Musikhochschule wurde behutsam renoviert.

© Conservatorium Amsterdam

Auch das Atrium des Conservatoriums hat sich zu einem Grand Café des 21. Jahrhunderts entwickelt. Man muss nicht im Fünf-Sterne-Hotel übernachten, um in den Genuss des Flairs zu kommen. Sich für externe Besucher und die Nachbarschaft zu öffnen, ist Teil des Programms. Als „Wohnzimmer der Stadt“ wurde das Atrium geplant, und tatsächlich ist hier mehr los als in der üblichen Lobby.

Klar, ein Salon für die wohlhabende Schicht, der Kaffee kostet zwei bis drei mal so viel wie anderswo. Dafür gibt es was zu gucken. Wer sich eine Weile auf Mies van der Rohes Barcelona-Liege niederlässt, beobachtet Paare beim Rendezvous, erschöpfte Kulturtouristen auf Verschnaufpause, Vorstellungsgespräche – und auffallend viele Frauen in Business-Meetings. Dazwischen hacken eifrige junge Männer auf ihre Laptops ein.

Calvinismus und Luxus, das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Dabei ist alles eine Frage der Form. „Der Reichtum der Stadt war immer still und diskret“, schreibt der Schriftsteller Geert Mak in seinem Buch „Amsterdam. Biographie einer Stadt“. Daher wirkt die P.C. Hoofstraat in unmittelbarer Nähe des Hotels fast ordinär. Prada , Channel, McQueen, eine Luxusmarke neben der anderen – wie es sie in jeder Großstadt gibt, nur selten so kompakt. Was den großen Vorteil hat, dass man sie schnell umgehen kann. Wesentlich lebendiger und individueller ist die nahe Cornelis Schuytstraat. Wenn schon Luxus, dann made in Amsterdam.

Eine echte Grünanlage fürs Volk: der Vondelpark.

© IMAGO/EM-Press/Patrick van Emst

Amsterdam Old-Zuid, das überwiegend um 1900 entstand, ist seit jeher ein eher wohlhabendes Quartier. Der langgestreckte Vondelpark, von Villen umstellt, der hinter dem Conservatorium liegt, wurde von reichen Bürgern gegründet. Durch den Park spazieren Amsterdamer aller Nationen, mit Kind, Hund und Freunden sowieso. Ein echter Bürgerpark zum Verlustieren, keiner, der Macht repräsentieren will. Bis in die 50er Jahre gehörte er einem „Verein zur Anlage eines Parks zum Fahren und Spazierengehen“. Da sich mit Radeln, Kinderwagenschieben und Flanieren kein Geld verdienen lässt – die Cafés und Open-Air-Bühnen reichten offensichtlich auch nicht aus – ging ihm irgendwann das Geld aus, die Stadt übernahm.

Lustigerweise geht man in Holland mit ordinärem Tabak viel strenger um. Seit dem 1. Januar kann man Zigaretten weder im Supermarkt noch an der Tankstelle kaufen, die Automaten wurden abgebaut. Geblieben sind gepflegte, holzgetäfelte Tabakläden, an deren Schaufenstern man sich selbst als Nichtraucher die Nase plattdrückt, so schön sehen sie aus. Auch das Conservatorium hat ein solches, auf Zigarren spezialisiertes Geschäft, in dem es herrlich duftet. Die dazugehörige Lounge allerdings darf für den gedachten Zweck nicht mehr benutzt werden. Rauchen ist nur noch zu Hause erlaubt.

Manchmal bietet das Taiko-Restaurant musikalische Unterhaltung.

© Conservatorium Amsterdam

Der Laden liegt im ersten Stock, so wie ein paar andere Geschäfte, die Bar und das asiatisch geprägte Restaurant Taiko (sehr zu empfehlen: das vegetarisches Degustationsmenü für 85 Euro). Es liegt am Ende des Ganges, im alten Archiv der Bank – in dem später das Schlagzeugstudio der Hochschule untergebracht war, schön abgeschirmt. Nicht-Hotelgäste sollten unbedingt mal die breiten Steintreppen zur Bel Etage hoch schreiten, um die Original-Jugendstilfliesen zu bewundern, auf denen Blüten und Blätter so zart gelb und grün sprießen. Während die Besucher das herrschaftliche Ambiente der Bank aufnehmen, werden die wenigsten merken, dass in den langen Gängen ein speziell für das Hotel entwickelter Duft diskret versprüht wird.

Wer noch Mitbringsel braucht und hier nicht findet, dem sei ein Spaziergang ins Viertel de Pijp, das zu Oud-Zuid gehört, empfohlen. Nur um den Albert Cuyp Markt sollte man wieder einen Bogen machen, der hat sich vom multikulturellen Geheimtipp zum ramschigen Touristennepp entwickelt. Die Seiten- und Parallelstraßen sind davon unberührt. Der Hotelportier hat T’Kaasboertje für Käse empfohlen – der Gouda, den man in dem alteingesessenen Laden bekommt, ist nicht zu vergleichen mit dem, was in Deutschland als solcher verkauft wird.

Zu guter Letzt, schon auf dem Rückweg zum Hotel, sollte man unbedingt in die Patisserie Arnold Cornelis gehen, ein Familienbetrieb, und neben Souvenirs noch Reiseproviant einkaufen, Würstchen im Schlafrock, mit Mandelpaste gefüllte Küchlein, Plätzchen…Einen Fijne dag!, wünscht die Verkäuferin, deren Pullover so schneeweiß ist wie die Torten und deren toupierter Haarschopf so kunstfertig wie das Ladenlokal. Also dann: einen feinen Tag!

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