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Die Polizei Hamburg und die Bundespolizei sind mit einem Großaufgebot und Spezialkräften am Flughafen wegen eines Geiseldramas im Einsatz.

© imago/Andre Lenthe/IMAGO/Lenthe-Medien/Linder

Geiselnahme am Hamburger Flughafen: Luftfahrtexperte und Polizeigewerkschaft halten deutsche Flughäfen für unsicher

Am Samstag fuhr ein Mann mit einem normalen Audi bis in den Hochrisikobereich des Hamburger Flughafens. Das wäre durch bessere Sicherheitsmaßnahmen zu verhindern gewesen, meinen Experten.

Aufgrund der jüngsten Ereignisse hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, einen besseren Schutz von Flughäfen gefordert. Auch der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hält den Hamburger Flughafen für nicht sicher, „und andere Airports in Deutschland sind es auch nicht“, sagte er dem „Spiegel“.

Am Hamburger Flughafen hatte ein bewaffneter Mann nach Angaben der Bundespolizei am Samstagabend mit einem Auto ein Tor durchbrochen. Er fuhr mit seiner vierjährigen Tochter bis auf das Vorfeld des Airports. Nach mehr als 18 Stunden ist die Geiselnahme vorbei. Die Polizei hat den Mann festgenommen.

Deutsche Flughäfen sind Hochsicherheitsbereiche die aber, im Gegensatz etwa zu Weihnachtsmärkten, die mit Betonbarrikaden geschützt werden, von den Betreibern oft stiefmütterlich behandelt werden, sagte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Politik unternehme zu wenig, um Betreiber zu mehr Schutz zu zwingen.

Großbongardt ist gleicher Meinung: Flughäfen seien seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Jedoch: „Viele deutsche Flughäfen schützten ihr Außengelände bloß mit einem einfachen Maschendrahtzaun – der vielerorts nicht elektronisch überwacht wird.“ Der Luftfahrtexperte hält die Flughafenbetreiber und Behörden für naiv: „Als wüssten sie nicht, dass Kneifzangen und Seitenschneider in jedem Baumarkt erhältlich sind.“

In den vergangenen Monaten haben Aktivist*innen der Letzten Generation in Hamburg, Düsseldorf oder Berlin Drahtzäune durchschnitten, sich dann auf dem Rollfeld festgeklebt und den Flugbetrieb über Stunden lahmgelegt.

Flughafen sieht trotz Geiselnahme kein Versäumnis – Experten sind anderer Meinung

Flughafen Hamburg sieht trotz der Geiselnahme auf dem Vorfeld des Airports keine Versäumnisse: „Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, sagte eine Flughafensprecherin der dpa. Bei einer Größe des Flughafens von 800 Fußballfeldern könne dennoch nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“.

Die Sprecherin betonte: „Um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten, sind neben baulichen Maßnahmen auch Alarmketten etabliert, die einwandfrei gegriffen haben.“ Der Flugbetrieb sei sofort nach dem unbefugten Zutritt eingestellt und der Täter lokalisiert worden.

Hier geht es um den Schutz von Menschenleben.

Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte

Als Mindeststandard zur Außensicherung forderte der Luftfahrtexperte eine massive Doppelzaunreihe für die Flughafen Gelände, bei welcher der Zwischenraum elektronisch überwacht werde. „Sobald jemand den Bereich verletzt, wird Alarm geschlagen. Das muss der Mindeststandard sein“, sagte Großbongardt dem Spiegel. Das werde zusätzliches Geld kosten. Aber: „Hier geht es um den Schutz von Menschenleben, Hightech-Maschinen und Verkehrsknotenpunkten. Das sollte es uns allen wert sein.“

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft fordert als Lehre aus dem aktuellen Vorfall, „dass man sich das jetzt genau anschaut und Standards drastisch erhöht“. Es müsse möglich sein, Flughafenbetreiber mit Sanktionen zu belegen, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht entsprechend dem neuen Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur eingehalten würden.

Denn nicht alle Flughäfen sind laut dem Experten gleichermaßen schlecht gesichert. In den Drehkreuzen Frankfurt und München seien die Außengelände deutlich besser geschützt, so Großbongardt. „Aber auch der deutlich kleinere Flughafen von Stuttgart hat einiges an Vorkehrungen getroffen. Es ist eben eine Frage der Prioritäten. Ein Vorfall wie jetzt in Hamburg könnte dort nicht so einfach passieren.“ (Tsp mit dpa)

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