zum Hauptinhalt
So bunt wie dieser Haufen an Nationalflaggen ist, so vielfältig sind auch die Gedankenwelten, die jede Sprache eröffnet.

© Getty Images/iStockphoto

Vielsprachigkeit in der Wissenschaft: In jeder Sprache denkt man anders

Wer forscht, publiziert und gelesen werden will, muss sich im Grunde für Englisch entscheiden. Die Wissenschaft sollte dennoch ihre Mehrsprachigkeit erhalten: Sie birgt die notwendige Differenzierung.

Eine Kolumne von Ulrike Freitag

Ein angesehener Wissenschaftsverlag, der Bücher und Zeitschriften in mehreren europäischen Sprachen druckt, schlug neulich einer Kollegin vor, ihr französischsprachiges Buch mit einem elektronischen Programm ins Englische zu übersetzen. Sie könne die Übersetzung ja nachbessern. Dahinter steckt das Ziel, dass möglichst viele Werke in der internationalen Wissenschaftssprache Englisch verfügbar sein sollten. Dies hilft der Verbreitung der Ergebnisse ebenso wie ihrer Vermarktung und es erhöht die Sichtbarkeit der Autoren und Autorinnen. Einerseits also eine überzeugende Idee.

Andererseits bedeutet dieses Ansinnen – und die Engführung der wissenschaftlichen Publikationen auf das Englische – eine bedenkliche Einebnung und Verflachung. Sprachen prägen die Bilder und Hypothesen, die wir aufstellen. Sie beeinflussen, wie wir Argumente entwickeln und darlegen.

Jeder, der schon einmal versucht hat, einen französischen geisteswissenschaftlichen Text ins Englische oder Deutsche zu übertragen, kann dies nachvollziehen. Hier geht es freilich nicht nur um linguistische Feinheiten, sondern auch um Ideen, Hypothesen und Theorien, mit denen wir gesellschaftlich Phänomene zu erfassen versuchen. Je vielsprachiger – und damit vielfältiger – dies geschieht, umso reichhaltiger sind auch die Möglichkeiten zum Verständnis menschlicher Gesellschaften.

Natürlich sind dennoch Übersetzungsprozesse notwendig, etwa in Form englischsprachiger Aufsätze, die solch unterschiedliche und mehrsprachige Literatur zusammenbringen oder ein Resümee der Ergebnisse präsentieren. Übersetzungsprogramme haben eine wichtige Rolle dabei, einen ersten Eindruck vom Inhalt fremdsprachiger Texte zu bekommen. Dennoch wäre es ein herber Verlust, sollten Verlage generell dazu übergehen, nur noch englische Bücher und Aufsätze zu publizieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false