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Richtungswechsel? Flaggenwechsel? Angesichts der Reaktorunfälle in Japan und schlechter Umfragewerte für die Landtagswahlen versucht die CDU jetzt eilig, neue Akzente zu setzen.

© Michael Latz/dadp

Atomkraft: Mappus denkt um

Baden-Württembergs Ministerpräsident schließt eine Abkehr von der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nicht aus. Stefan Mappus war bisher in der CDU der härteste Verteidiger der Atomkraft.

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Es war ausgerechnet der härteste Verfechter der Atomkraft in der CDU, der für die Volkspartei am Wochenende die weitest gehende Konsequenz aus dem Atomunfall in Japan verkündete. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus schloss am Sonntag sogar eine Abkehr von der erst im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung nicht mehr aus. Es dürfe keine „Denkverbote“ geben, sagte der Politiker am Sonntag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Rande einer Wahlkampfveranstaltung im oberschwäbischen Mittelbiberach. Er wenigstens sei offen für einen „nationalen Dialog“ über die Frage, wie die Kernkraft möglichst schnell durch erneuerbare Energien abgelöst werden könne. Er stehe zu jeder Diskussion bereit.

Damit ging der Stuttgarter Regierungschef deutlich weiter als die Kanzlerin und CDU-Parteichefin. Sie hatte noch am Abend zuvor nach dem Krisentreffen im Kanzleramt keine klare Antwort auf die Frage geben wollen, ob sie auch die Laufzeitverlängerung nun auf den Prüfstand stellen werde. Wahlkämpfer Mappus bemühte sich sichtlich, Verständnis für Sorgen der Bürger um die Sicherheit deutscher Reaktoren nach der Katastrophe in Fukushima zu vermitteln. In Baden-Württemberg wird in zwei Wochen gewählt. Nach jüngsten Umfragen musste Schwarz-Gelb schon vor der Akw-Explosion in Japan mit dem Verlust der eigenen Mehrheit rechnen. Die neue Atomdebatte war deshalb in der Umgebung des Regierungschefs zunächst als politisch katastrophal gewertet worden.

In der Atomdebatte war Mappus in der Vergangenheit durch besonders scharfe Töne aufgefallen. So verlangte er im Frühjahr vor einem Jahr den Rücktritt von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (ebenfalls CDU), weil dieser damals innerhalb seiner Partei für eine deutlich kürzere Laufzeitverlängerung warb. Der Ministerpräsident erwarb für das Land zudem fast die Hälfte der Aktien des Energieversorgers EnBW, der im Südwesten vier Kernkraftwerke betreibt.

Der Ministerpräsident kündigte am Sonntag eine Sicherheitsüberprüfung dieser vier Atomkraftwerke an. „Kernkraftwerke, die nicht den erforderlichen Sicherheitsansprüchen genügen, werden abgeschaltet. Nicht in sieben Jahren, nicht in 15 Jahren, nicht in 20 Jahren, sondern sofort“, sagte er. Eine von ihm einberufene, unabhängige Expertenkommission werde die Geschehnisse in Fukushima analysieren und auf Konsequenzen für Baden-Württemberg hin überprüfen. „Sollte sich eine bisher nicht bekannte Fehlerquelle herausstellen, werden alle nötigen Konsequenzen vorbehaltlos gezogen“, versicherte der CDU-Politiker.

Mappus Bereitschaft zu einem „nationalen Dialog“ über eine schnellere Ablösung der Kernkraft als Energieform dürfte allerdings vor den Wahlen kaum praktische Folgen haben, da sich in zwei Wochen eine ernsthafte Debatte nur schlecht organisieren lässt. Zudem machte der Koalitionspartner der CDU in Berlin und Stuttgart am Sonntag klar, dass er an der Laufzeitverlängerung festhält. Das Atom-Unglück in Japan stelle den Beschluss nicht infrage, sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger bei einem kleinen Parteitag der Südwest-Liberalen in Kirchentellinsfurt.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte SPD und Grüne davor, den Atomunfall für den Wahlkampf zu nutzen. „In Japan wird noch um die Bewältigung einer beispiellosen Katastrophe gekämpft. Sozialdemokraten und Grüne sollten der Versuchung widerstehen, ohne Analyse daraus politisches Kapital für Landtagswahlkämpfe zu schlagen“, erklärte er. „Es wäre pietätlos gegenüber den Opfern in Japan und eine verantwortungslose Instrumentalisierung der Ängste in Deutschland.“ SPD und Grüne bekräftigten am Sonntag ihre Forderung, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen und die älteren Atomanlagen sofort abzuschalten. Entgegen den Aussagen der Kanzlerin seien auch die deutschen Reaktoren nicht sicher, erklärten sie. Der Spitzenkandidat der Grünen in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, kündigte an, die Grünen würden in der Landesregierung „die Atomaufsicht so gestalten“, dass sich der Weiterbetrieb von Akw nicht mehr lohne.

Auch die Deutsche Energie-Agentur (Dena) forderte eine Rückkehr zum Atomausstieg. „Das ist das Mindeste“, sagte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler dem „Handelsblatt“. Kohler forderte darüber hinaus die Abschaltung jener in Deutschland noch aktiven Reaktoren, die mit der japanischen Anlage vergleichbar sind.mit bib/dpa

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