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© dpa

Warum Schule nicht inspiriert: Der Alltagswahnsinn eines Schülers

Ein normaler Tag für einen Schüler gleicht einem Drama, findet unser Autor. Für den Zehlendorf Blog hat er aufgeschrieben, was Jugendliche heute in der Schule umtreibt und was ihnen Angst macht.

Es ist 6.43 Uhr morgens und mein Wecker klingelt. Dieser Ton löst gleich mehrere Emotionen aus. Wenn ich an diesem Tag eine sehr wichtige Klausur schreibe, verfalle in einen Zustand voller Angst und Lustlosigkeit. Noch im Halbschlaf schmeiße ich mich aus meinem Bett und verfolge meine morgendliche Routine: anziehen, frühstücken und Zähne putzen.

Angekommen in der Schule absolviere ich, wie alle anderen Schüler auch, meine Kurse, von denen ich manche nicht einmal in das Abitur einbringen muss, was daher eine enorme Zeitverschwendung ist. Nach den ersten beiden Stunden fängt die Pause mit dem sehnsüchtig erwarteten Klingeln an, welches gleichzeitig den Startschuss für sämtliche Schüler ist, die ganz plötzlich von allen Seiten und Ecken in die Schulkantine flitzen.

Eine halbe Stunde am Tag bleibt frei

Nachdem ich die „Rush Hour“ heil überstanden habe, kommt es zu einem kurzen Wortwechsel zwischen mir und meinen Freunden, für vertiefte Privatgespräche wird jedoch der Unterricht genutzt. Manchmal besuche ich aber auch die Schulkantine und kaufe mir mein Mittagessen – eine warme Butterbrezel und zum Nachtisch eine Streuselschnecke. Die Kantine betrete ich jedoch immer ohne Begleitung, da ich meine Freunde sonst in der Horde von hungrigen Schülern verliere und ein Wiedersehen erst im Klassenraum erfolgt.

Der Autor Ege Alp (links) gehört zu den Schüler-Reportern des Zehlendorf Blog. Neben ihm Linda Podszus, Stefanie Engel, Carlotta Schirrmacher und Alea Mostler (v.l.n.r.) sowie Robert Moleda (hinten).
Der Autor Ege Alp (links) gehört zu den Schüler-Reportern des Zehlendorf Blog. Neben ihm Linda Podszus, Stefanie Engel, Carlotta Schirrmacher und Alea Mostler (v.l.n.r.) sowie Robert Moleda (hinten).

© Thilo Rückeis

Insgesamt ist mein Schultag eigentlich nicht anders als ein Drama aufgebaut: Morgens bin ich noch müde, aber kann mich konzentrieren. Meine Leistung nimmt im Laufe des Tages konstant zu, bis ich die Klimax erreiche und meine Aufnahmefähigkeit exponentiell abnimmt. Nun verfalle ich in eine Phase der Teilnahmslosigkeit, bis das Klingeln ertönt. In wenigen Sekunden ist die Schülerschaft aus dem Schulgebäude in die letzten freien Quadratmeter des überfüllten Busses gewandert.

Als potenzieller Musiker, Sportler oder Künstler habe ich eine breite Auswahl an nachschulischen Aktivitäten, die zu meinem Schüler-Dasein gehören und gleichzeitig auch viel Zeit einnehmen, so dass ich, wenn ich zu Hause ankomme, vor einem Berg unerledigter Hausaufgaben sitze. So kommt es manchmal vor, dass ich bis in die späten Abendstunden meine Hausaufgaben mache oder für eine Prüfung lerne. Die halbe Stunde, die mir am Ende des Tages übrig bleibt, verlängert sich gerne Mal um ein bis zwei Stunden in die Nacht hinein, bis ich feststelle, dass mein Wecker schon nach sieben Stunden klingelt. Während ich statt Schafe zu zählen, meine Latein-Vokabeln wiederhole, schlafe ich ein.

Als Schüler wird man konditioniert

Es ist ganz offensichtlich, wieso ein Schüler den Begriff Alltag mit der Schule und gleichzeitig mit Routine assoziiert. Der Verlauf der schulischen Bildung offenbart sich in Form eines sich immer wiederholenden Tagesablaufes. Als Konsequenz von diesem "System" wird man als Schüler fast schon unterbewusst konditioniert  zum Beispiel früh aufzustehen, damit man pünktlich im Unterricht erscheinen kann.

Ist man als Schüler also wirklich frei?

Viele Schüler stellen sich gar nicht die Frage, was die Schule für eine Bedeutung hat und inwiefern sie uns beeinflusst, da sie zum Alltag gehört und damit eine Selbstverständlichkeit ist. Die Schule soll einen erzieherischen Zweck erfüllen und den Schülern Wissen vermitteln, damit sie fähig sind, selbständig zu denken. Diese Vermittlung geschieht bei jedem auf eine individuelle Art und Weise. Die Leistung jedes Schülers wird jedoch meistens nicht individuell betrachtet, sondern verallgemeinert. Damit entstehen die meisten Probleme, denn der Schüler muss sich einem bestimmten Maßstab anpassen, um mithalten zu können und steht unter einem steten Konkurrenzkampf mit den anderen. Somit bleibt weder Raum für die eigene Entfaltung, noch ist die Schule in irgendeiner Weise eine Inspiration.

Lehrer brauchen Empathie

Viele Lehrer schaffen es, den Unterricht so eintönig und schwer zu gestalten und den Schülern gleichzeitig Druck zu machen, dass es fast unmöglich wird etwas zu lernen. Das Interesse ist jedoch einer der wichtigsten Voraussetzungen, damit sich das Gehirn etwas einprägen kann. Wenn die Schule also ein Ort wäre, wo nicht ständig dieser Druck herrscht, welcher die Schüler in Angstzustände und Panik versetzt, sondern wo man mit Spaß und Interesse lernen könnte, dann hätte dies einen sehr positiven Effekt auf den Alltag des Schülers.

Ich selbst habe das Glück, viele gute und nette Lehrer zu haben, die meinen Mitschülern und mir viel beibringen und uns damit auch den Alltag erleichtern. Ich finde es sehr wichtig, dass Lehrer den Schülern gegenüber eine gewisse Empathie entwickeln und sie nicht nur als Teil ihrer Arbeit ansehen, denn sie spielen eine ganz große Rolle in unserem Alltag und können uns dabei helfen die Angstzustände zu überwinden. Auch wenn ich den „Alltagswahnsinn“ absichtlich übertrieben dargestellt habe weiß ich, dass es Schüler gibt, die wirklich solche Umstände ertragen müssen, und ich hoffe sehr, dass sich das ändert.

Der Autor ist 16 Jahre und geht aufs Arndt-Gymnasium. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Ege Alp

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