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Das Ägyptische Museum hat es am schlimmsten getroffen. Direktorin Friederike Seyfried zeigt Medienvertretern Beschädigungen an einem Sarkophag.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Sicherheitsmängel auf Berliner Museumsinsel: Nach Angriff mit Pflanzenöl müssen 50 Kunstwerke restauriert werden

Die Schäden sind umfangreich: Zwei Drittel der bespritzten Kunstwerke sind betroffen. Ein Bericht an Kulturstaatsministerin Grütters legt Probleme offen.

Nach dem Anschlag auf fast 70 Kunstwerke auf der Museumsinsel müssen 50 Ausstellungsstücke restauriert werden. Nur ein Teil der betroffenen antiken Kunstwerke habe sich bisher reinigen lassen. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf eine Stellungnahme der Staatlichen Museen zu Berlin, die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) angefordert worden war.

Bei der Tat am 3. Oktober seien demnach auch Böden, Wände und Vitrinen mit einer ölhaltigen Flüssigkeit verschmutzt worden. Wahrscheinlich sei Olivenöl, auf jeden Fall ein „natürliches Pflanzenöl“ verspritzt worden. Auch das Allerheiligste der Museumsinsel sei betroffen. der Saal der Nofretete im Neuen Museum. Dort sei der Boden beschmutzt worden.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte den Anschlag in der vergangenen Woche bekannt gemacht – zwei Wochen nach der Tat. Die Polizei ermittelt wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“.

Die Stiftung selbst sprach vom umfangreichsten Schaden, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Museumsinsel angerichtet worden sei. Das bezog sich vor allem auf die hohe Anzahl der betroffenen Kunstwerke. Drei historische Ausstellungsgebäude waren betroffen: das Neue Museum, das Pergamonmuseum sowie die Alte Nationalgalerie.

Im Bericht der Staatlichen Museen - „Stellungnahme zu Vandalismusschäden“ – geht es auch um Sicherheitspannen. Die Videoaufnahmen im Neuen Museum seien nicht gespeichert worden.

Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums, zeigt Spuren am Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum.
Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums, zeigt Spuren der Sachbeschädigungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Grund: Mehrere Überwachungskameras seien „unbemerkt ausgefallen" – aber bereits im September nach eine "Software-Update des Videoservers". Nur die Kamera im Nordkuppelsaal habe funktioniert, die Bilder brachten den Ermittlern des Landeskriminalamtes aber nichts.

Sicherheitsprobleme sind seit 2017 bekannt

In dem von Grütters angeforderten Bericht geht es auch um den Sicherheitsdienst. Bei der letzten Ausschreibung für den externen Wachschutz habe der Preis eine entscheidende Rolle gespielt. Bei der nächsten Ausschreibung im Jahr 2021 sollten für den Zuschlag neben dem Preis auch fachliche Kriterien angelegt werden.

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Sicherheitsprobleme waren seit 2017 bekannt. Damals war in das Bodemuseum eingebrochen und die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ gestohlen worden. Die Münze im Wert von fast vier Millionen Euro wurde nicht wiedergefunden.

Die Ermittler gehen davon aus, dass sie eingeschmolzen wurde. Ein  Wachmann hatte den Einbrechern Tipps gegeben. Er wurde verurteilt, ebenso zwei Einbrecher, zwei Cousins aus dem bekannten Remmo-Clan.

Die Tatzeit: der späte Nachmittag des 3. Oktober

In dem Bericht für die Kulturstaatsministerin wird laut Spiegel auch der Tattag rekonstruiert. Als wird demnach eine Tatzeit am späten Nachmittag des 3. Oktober angesehen. Der Wachdienst sei vollständig besetzt und im „12-Stunden-Schichtdienst“ tätig gewesen.

Spuren der Sachbeschädigungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose sind im Neuen Museum zu sehen.
Spuren der Sachbeschädigungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose sind im Neuen Museum zu sehen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Aufsichtspersonal in den Museen hätte die Spritzattacken auf die Kunstwerke aber nicht beobachtet oder registriert. Die ersten Ölspuren seien dann um 16.40 Uhr entdeckt worden, zahlreiche weitere Schäden bis Mitternacht.

Unklar bleibt in dem Bericht, wann sich der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Michael Eissenhauer, die Schäden ansah. Seinen Dienstherrn, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, informierte Eissenhauer demnach erst am 4. Oktober. Die Behörde von Kulturstaatsministerin Grütters wurde am 6. Oktober in Kenntnis gesetzt.

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Wegen des Krisenmanagements nach dem Anschlag ist Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Eissenhauer eingereicht worden. Sie wurde Stiftungspräsident Parzinger von mehreren Direktoren der Häuser auf der Museumsinsel vorgelegt.

Begründet wurde die Beschwerde damit, dass Eissenhauer die am 3. Oktober entstandenen Schäden erst nach Tagen besichtigt habe. Daneben habe er die Installation von Überwachungskameras verzögert. Auch die Sicherheitsmaßnahmen in den Häusern wurden bemängelt.

Spielt der Mängelbericht Grütters politisch in die Hände?

Der Bericht für Grütters ist in vielerlei Hinsicht pikant. Die Preußenstiftung steht vor einer Reform. Kritiker werfen Grütters vor, die Stiftung zerschlagen zu wollen. Ein von der Kulturstaatsministerin beim Wissenschaftsrat beauftragtes Gutachten hatte den Museen Dysfunktionalität attestiert.

Generaldirektor in der Kritik. Michael Eissenhauer, hier bei der Schlüsselübergabe des Hauses Bastian als Zentrum für kulturelle Bildung, 2019.
Generaldirektor in der Kritik. Michael Eissenhauer, hier bei der Schlüsselübergabe des Hauses Bastian als Zentrum für kulturelle Bildung, 2019.

© dpa/Britta Pedersen

Mögliche Spuren für die Tat führen in die Szene rechtsextremer Verschwörungsideologen: Haben Anhänger des rechtsextremen Vegan-Kochs Attila Hildmann oder andere Verschwörungsideologen einen der größten Anschläge auf antike Kunst in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands verübt?

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Im Juni hielt der Verschwörungstheoretiker und Antisemit Attila Hildmann regelmäßig seine Kundgebungen auf den Stufen des Alten Museums ab. Im Juli verbot die Berliner Versammlungsbehörde schließlich seine Demonstrationen wegen einer formulierten „erheblichen Wahrscheinlichkeit“ von Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung.

Für Attila Hildmann befindet sich Satans Thron auf der Museumsinsel

Zugleich distanzierte sich die die Museumsinsel verwaltende Stiftung Preußischer Kulturbesitz von den Hasstiraden des Kochbuchautors. Die Stiftung machte dies unter anderem mit einem großen Banner am Eingangsportal des Alten Museums deutlich, auf dem sich die Stiftung für Weltoffenheit und gegen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus einsetzte.

Daraufhin rückten die unterschiedlichen Museen in Berlins Zentrum in den Fokus von Hildmanns Hetze. Auf dem Messengerdienst Telegram schrieb er bereits im August, dass sich im Pergamonmuseum mit dem Baal-Altar angeblich der „Thron des Satans“ befinden würde.

Hildmann bezeichnete das Exponat immer wieder als „Zentrum der globalen Satanisten und Corona Verbrecher“, nachts würden im Museum „Menschen geopfert“ und „Kinder geschändet“, schrieb der Verschwörungsideologe seinen Anhängern. 

Das Alte Museum habe ihn „boykottiert bei meinen Demos. Jetzt wissen wir auch warum. Drecks Satanisten“. Auch der Sänger Xavier Naidoo hat derlei verbreitet. Es gehört zu den Erzählungen der verschwörungs-esoterischen Szene in Deutschland.

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