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Sicher am Hütchen. An die Trainingsbedingungen muss sich Thomas Häßler erst noch gewöhnen

© imago/Matthias Koch

Thomas Häßler bei Club Italia: Zurück in Berlin: Icke is jetzt Italiener

Thomas Häßler, einst Fußball-Welt- und Europameister, kehrt als Trainer nach Berlin zurück: Beim „Club Italia“ in der achten Liga in Charlottenburg. Ein Trainingsbesuch.

Willkommen am Spandauer Damm in Westend. Hier ist die Heimat von Club Italia und damit auch die von Thomas Häßler. Schließlich soll ab jetzt jeden Tag trainiert werden – mindestens! Schon schön, das kleine Clubhaus des Vereins. Sieht nach Idylle aus.

Vor dem Clubheim „La Fiesta“ herrscht wuseliges Durcheinander. Einige Journalisten stehen wartend in der Gegend herum, der Wirt wässert die Pflanzen mit einem Gartenschlauch und die Spieler von Club Italia laufen von dem kleinen Flachbau neben dem Naturrasenplatz in Richtung Kabine. Mittendrin: Thomas Häßler, beide Hände voll mit Trainingsklamotten. Der neue Trainer des Bezirksligisten wirkt fast etwas hilflos, schaut nach links, schaut nach rechts und wendet sich dann an den 1. Vorsitzenden Giovanni Bruno. „Wo soll ich mich denn umziehen“, fragt Häßler etwas irritiert. Willkommen im Amateurfußball!

Seit Montag leitet der ehemalige Welt- und Europameister auf dem Sportplatz am Spandauer Damm das Training bei seinem neuen Verein. Nachdem er sich neben dem Clubheim auf einer Bank umgezogen und seinen Rucksack in seinem wenige Meter entfernt geparkten Auto abgelegt hat, läuft Häßler um kurz vor 19 Uhr am Montagabend zum ersten Mal in Richtung Trainingsplatz. Shirt, kurze Hose, Stutzen – alles standesgemäß in azzurro der Vereinsfarbe des 1980 gegründeten Club Italia. Trotz seiner 50 Jahre macht Häßler immer noch eine gute Figur. Optisch unterscheidet er sich kaum von seinen Spielern, nur das Gesicht lässt sein Alter erahnen.

Er war im Iran und hätte sich über diesen Rasen gefreut

Allüren scheint der ehemalige Weltklasse-Spielmacher aus Wedding nicht zu haben, auch wenn er in seiner Karriere eher an große Stadien als an solch weitläufige Sportanlagen gewöhnt war. Über einen grauen Schotterweg läuft er die letzten Meter bis zum Kunstrasenplatz mit seinem Co-Trainer Christoph Höche. Leibchen und Bälle trägt das Duo selbst, obwohl das in den meisten Mannschaften eher eine Aufgabe für den Betreuer oder die jüngsten Spieler ist. Die Bedingungen bezeichnet Häßler dennoch als „top“. Im Iran, wo er von 2014 bis 2015 als technischer Direktor tätig war, hätten sich die Spieler über so einen Kunstrasen „eine Woche lang gefreut und drei Kreuze gemacht“.

Mit dem Trainingsbeginn müssen Häßler und seine 18 Spieler noch etwas warten, denn noch wird der Platz von einem Mädchen-Hockeyteam genutzt – auch das ist Amateuralltag. Eine der Hockey-Spielerinnen wundert sich über die vielen Pressevertreter und die Fernsehkamera. „Sind die berühmt?“, fragt das Mädchen und wird von ihrem Trainer aufgeklärt. Der Kleine da hinten, der sei mal Fußball-Profi gewesen. „So kann’s gehen: Damals Weltmeister, jetzt in der 6. Liga“, fügt der Trainer nicht ganz richtig hinzu. Denn von der 6. Liga, der Berlin-Liga, kann Italia momentan nur träumen. Doch das soll sich ändern.

Club Italia spielt in der 8. Liga

Mit Häßler soll der Verein die Bezirksliga, die 8. Liga, schnell nach oben verlassen. Der Aufstieg ist für diese Saison fest eingeplant, hört man im Vereinsumfeld. Häßler will sich da lieber noch nicht festlegen. „Ich hoffe natürlich, dass wir eine erfolgreiche Saison spielen“, sagt er. „Wir wollen uns oben festsetzen und dann schauen wir mal, was passiert.“

Zuletzt war er Teilnehmer bei "Let's Dance"

Gesehen hat Häßler, der im Februar als neuer Trainer vorgestellt wurde, die Mannschaft zuvor noch nicht. Keine Zeit, „ich war ja andauernd am Tanzen“, sagt Häßler grinsend – in Anspielung an seine Teilnahme bei der Fernsehshow „Let’s Dance“.

Seine Pläne für die Vorbereitungsphase vor dem ersten Spieltag am 20./21. August klingen durchaus ambitioniert. Trainiert werden soll jeden Tag – „unter der Woche leider nur einmal täglich“, bedauert Häßler. Das Auftakttraining am Montag ist dann aber nicht mehr als ein lockerer Aufgalopp. Nach dem Warmlaufen hält Häßler mit zwei Spielern kurz den Ball hoch und deutet an, dass er von seinem herausragenden Ballgefühl nicht viel eingebüßt hat. Dann lässt der Trainer seine Schützlinge drei Mal 20 Minuten lang in zwei Teams kicken. Das Training betrachtet Häßler ruhig von der Seite. Das sei aber nicht immer so, versichert er später. „Ich werde schon ansprechen, was mir nicht gefällt, zum Beispiel, wenn jemand stehen bleibt“, sagt Häßler. Beim ersten Training gab es noch eine Schonfrist, „normalerweise hätte ich aber schon einen Brüll abgelassen“.

Die neue Heimat am Spandauer Damm.
Die neue Heimat am Spandauer Damm.

© Imago

1,66 Meter, Schuhgröße 38

Mitspielen will Häßler allenfalls im Training und anscheinend juckt es noch in den schwarzen Rasenfußballschuhen, Größe 38. Er sei schon drauf und dran gewesen, habe sich dann aber gegen einen Einsatz im ersten Trainingsspiel entschieden, erzählt er lachend. „Ich hab mich nicht gedehnt und wenn ich da in meinem Alter gleich auf den Platz gehe, breche ich mir vielleicht noch was.“

In Berlin hat sich Häßler schnell wieder eingelebt. In Wedding aufgewachsen, spielte er in Berlin nur für zwei Vereine, Meteor 06 und die Reinickendorfer Füchse, ehe er seine Heimatstadt 1984 mit 19 Jahren verließ. Jetzt wohnt Häßler in Spandau, „nur zehn Minuten vom Platz entfernt", und ist mit der Rückkehr in die Heimat sehr zufrieden. „Meine Familie fühlt sich wohl und so kann ich hier beruhigt meine Arbeit machen“, sagt Häßler, dessen Berliner Dialekt, der ihm einst den Spitznamen „Icke“ einbrachte immer noch deutlich zu hören ist. Mittlerweile hat er einige alte Weggefährten wiedergetroffen. „Mein bester Kumpel wohnt immer noch in Berlin und durch ihn habe ich auch die anderen wieder getroffen, die ich Ewigkeiten nicht gesehen hatte“, sagt Häßler. Nun seien sie eine kleine Clique, die sich alle zwei Wochen mal zum Billard-Spielen trifft. „Das haben wir damals schon oft gemacht, bevor das bei mir mit der Karriere so richtig los ging.“

1. FC Köln, AS Rom, Borussia Dortmund

Als Fußballer wurde Häßler erst beim 1. FC Köln bekannt, bei dem er ab 1984 zum Weltklassespieler heranreifte. 1990 wurde der nur 1,66 Meter große Häßler mit der Nationalmannschaft in Italien Weltmeister, wobei er das Team im Vorjahr mit einem wichtigen Tor gegen Wales erst zur Endrunde geschossen hatte. Nach der WM wechselte er zu Juventus Turin, ein Jahr später zum AS Rom, bevor er 1994 in die Bundesliga zurückkehrte. Für den Karlsruher SC, Borussia Dortmund und 1860 München bestritt er noch einmal mehr als 200 Bundesliga- Spiele, zudem wurde er 1996 mit der Nationalmannschaft in England Europameister.

Nach einigen erfolglosen Versuchen als Trainer wagt Häßler nun über den Umweg Bezirksliga einen zweiten Versuch. In einer Stadt, in der selbst die neue U-Bahn „Icke“ heißt, kann da doch eigentlich nicht viel schiefgehen.

Der Weltmeister: Brehme mit Pokal und kleinem Kollegen.
Der Weltmeister: Brehme mit Pokal und kleinem Kollegen.

© dpa

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Im Frühjahr nahm er an der Tanzshow „Let’s Dance“ auf RTL teil. Wer ihn nicht erkennt: Der Mann rechts mit schmissiger Brille. Mit seiner Partnerin Regina Luca schied er in der fünften Runde aus.

Der Tänzer: Häßler bei Let's Dance.
Der Tänzer: Häßler bei Let's Dance.

© dpa

Thomas Häßler wohnt mit seiner Frau in Spandau, „zehn Minuten entfernt vom Platz“. Na dann mal: Gutes Gelingen!

Seine Karriere begann bei Meteor 06 in Wedding – da war er ein kleiner Junge. Dann ging es nach Reinickendorf – und schließlich nach Köln, Turin, Rom, Dortmund ... Unvergessen natürlich der WM-Titel 1990 mit der deutschen Nationalmannschaft (mit Andreas Brehme und Pokal). Jetzt ist Häßler zurück in der Berliner Amateurklasse: Im Februar unterschrieb er einen Vertrag bis Juni 2018 als Cheftrainer bei Club Italia.

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