zum Hauptinhalt
Seltenes Bild. Am Sonntag konnten die Demonstranten fast ungestört ohne Abstand und Maske durch Berlin ziehen.

© Paul Zinken/dpa

Trotz Kontrollverlust bei Demo: Innensenator kritisiert Corona-Skeptiker - aber nicht die Polizei

"Können wir nicht akzeptieren." Geisel verurteilt die Gewalt der Corona-Skeptiker, verliert aber kein Wort zum Versagen der Polizei, die kaum eingriff.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und die Polizei haben sich am Montag zu den Corona-Kontrollen und Ereignissen rund um die Demonstration von Corona-Skeptikern am Sonntag geäußert – aber kein Wort über das Versagen der Polizei verloren. Während die Polizei am Wochenende die Einhaltung der Anti-Corona-Regeln wie Abstand und Masken und dabei rund 50 000 Menschen kontrollierte, war die Demonstration von 2000 Coronaskeptikern und Verschwörungsideologen vom Alexanderplatz zum Kino Kosmos außer Kontrolle geraten.

Polizisten wurden angegriffen, ein Beamter sogar gebissen, Journalisten bedroht und die freiheitlich-demokratische Grundordnung verächtlich gemacht. Die Polizei war zunächst mit zu wenigen Beamten im Einsatz und von den Demonstranten mehrfach überrumpelt worden. Ein Einsatzleiter sagte laut „Spiegel“ zur Frage, warum die Polizei nicht härter gegen den massenhaften Verstoß gegen die Maskenpflicht vorgegangen ist, dass man „die Bilder nicht produzieren wollte“. Innenpolitiker der rot-rot-grünen Koalition erklärten, der Einsatz werfe Fragen auf.

Die Bilanz der Polizei: 50 Festnahmen, 650 Einsatzkräfte, 64 Strafermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruchs, Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefreiung ein – sowie 71 Ordnungswidrigkeitenanzeigen zur Corona-Verordnung.

Geisel erklärte zur Demo, dass Regelbruch und Gewaltbereitschaft zunähmen. „Das können wir nicht akzeptieren“, sagte Geisel. Mit Sorge betrachte er den Brandanschlag auf ein Gebäude des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Tempelhof-Schöneberg in der Nacht zu Sonntag. „Sollte sich herausstellen, dass das Tatmotiv in Verbindung mit der Arbeit des RKI im Rahmen der Corona-Pandemie steht, dann ist hier die rote Linie überschritten“, sagte Geisel. Das RKI ist zentral zuständig für den Kampf gegen die Coronapandemie. Die Flammen konnten schnell gelöscht werden, der Staatsschutz ermittelt. Ein Sicherheitsmitarbeiter hatte mehrere Personen bei der Tat gesehen.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Auch bei den Corona-Kontrollen unterlief der Polizei möglicherweise ein Fehler. Am Samstagabend hatte sie erklärt, eine „Fetisch-Party“ in der Alten Münze in Mitte wegen Coronaverstößen aufgelöst zu haben. Die Betreiber widersprachen und erklärten, die Corona-Vorschriften eingehalten zu haben. „Unsere Gäste wurden als Freaks und Gesetzlose behandelt und von der Polizei gedemütigt“, hieß es. Die Party sei „sicher nicht nach jedermanns Geschmack – aber legal“, sagte der clubpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Georg Kössler. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) forderte Konsequenzen: „Ich bin schockiert, dass es solche Partys noch gibt. Da haben einige den Schuss nicht gehört.“

Für Empörung sorgte die AfD-Abgeordnete Jeanette Auricht. Am Sonntag war sie ohne Schutzmaske bei der Querdenken-Demonstration, am Montag saß sie im Gesundheitsausschusses des Abgeordnetenhauses. Das sei „bewusst gefährdend, verantwortungslos und eigentlich nur irre“, sagte Catherina Pieroth (Grüne). Sven Kohlmeier (SPD) sagte, Aurichts Demo-Teilnahme sei „widerlich“. Auricht verteidigte sich: „Ich werde mich von niemandem daran hindern lassen, mein Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen.“

Zur Startseite