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Die Bundesregierung klärt auf Facebook mit Fakten zum Coronovirus auf.

© Tsp

Fake News zu Coronavirus auf Facebook: „Größerer Schaden als das Virus“

Facebook will Coronavirus-Falschmeldungen löschen. Das Vorhaben wirft viele Fragen auf, auch in Sachen Meinungsfreiheit.

Das Coronavirus beschäftigt – natürlich – auch Facebook und seinen Gründer Mark Zuckerberg. „Es ist wichtig, dass jeder über den Ausbruch sprechen kann, aber es ist es nicht in Ordnung, etwas zu teilen, das Menschen in Gefahr bringt. Also entfernen wir falsche Behauptungen und Verschwörungstheorien, die von den führenden Gesundheitsorganisationen markiert wurden“, schreibt Zuckerberg in einem langen Beitrag über den Umgang des Netzwerks mit dem Coronavirus und den viral gehenden Falschmeldungen über die Pandemie.

Facebook will einerseits keine Verbreitung von falschen Informationen und Verschwörungstheorien über das neuartige Coronavirus zulassen. Andererseits will das Soziale Netzwerk gegen Werbung vorgehen, mit der die Krise ausgenutzt wird – zum Beispiel mit der Behauptung, die Produkte könnten die Krankheit heilen. Zuckerbergs markige Worte werfen gleichwohl zahlreiche Fragen auf. Wie zuverlässig lassen sich Falschmeldungen von korrekten Informationen trennen? Wie transparent sind die dabei angewendeten Kriterien? Wie wird die Meinungsfreiheit gewährleistet?

Bislang hat sich Facebook auf den Standpunkt gestellt, nicht entscheiden zu wollen, was falsch und was richtig ist. Um zu verhindern, dass durch Corona-Fake-News Menschen gefährdet werden, geht Facebook nun einen anderen Weg. Dazu gehört auch, dass die Weltgesundheitsorganisation so vielen kostenlosen Anzeigenplatz bei Facebook bekommt wie benötigt. Auch andere Organisationen würden unter anderem mit Gutscheinen für Werbung unterstützt.

In seinem Faktenprüferprogramm arbeitet Facebook in Deutschland neben Correctiv auch mit der dpa zusammen. "Um Falschinformationen zum Coronavirus einzudämmen haben wir mehrere Maßnahmen ergriffen", ergänzte eine Facebook-Sprecherin in Berlin Zuckerbergs Ausführungen.

"Zusätzlich zu unserem Faktenprüferprogramm stehen wir mit lokalen Gesundheitsorganisationen und Experten im Austausch. Nur wenn diese uns Beiträge mit Falschinformationen melden, überprüfen und löschen wir diese durch Mitarbeiter." Die Suche nach Duplikaten und die Löschung von Duplikaten erfolge dann durch automatisierte Prozesse. "Somit stellen wir sicher, dass nur die Inhalte gelöscht werden, die eine Gefahr für Menschen darstellen."

Die Gefahren durch Falschmeldungen zu Corona beschäftigen auch die europäische Politik. Vera Jourová, die Vizepräsidentin der EU-Kommission, traf sich am Dienstag mit Vertretern von Online-Plattformen, um über Desinformation im Zusammenhang mit Covid-19 zu sprechen. Die Plattformen wollen nun prüfen, was sie tun können, um das Risiko von Desinformation zu verringern. „Ich begrüße ihren Versuch, maßgebliche Quellen zu fördern und schädliche Inhalte zu bennenen, damit die #Desinformation nicht zu einer größeren Quelle öffentlichen Schadens wird als das Virus selbst“, twitterte Jourová nach dem Treffen.

"Allein mit Algorithmen funktioniert das nicht"

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht Facebooks Vorhaben kritisch. „Der Vorsatz von Facebook, im Zusammenhang mit Corona nicht als Virenschleuder aufzutreten, klingt zunächst mal gut. Aber wie will der Konzern Fake News und gesicherte Informationen voneinander unterscheiden?“, fragt DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Allein mit Algorithmen funktioniere das nicht. „Viel zu groß ist die Gefahr, dass Facebook in vermeintlich bester Absicht wichtige Informationen löscht.“ Wenn es Facebook mit dem Kampf gegen Corona-Fakes ernst meine, müsse der Konzern Scharen von Journalisten mit der Recherche beauftragen. „Dafür reichen die Kollegen von Correctiv, die Facebook bereits unterstützen, nicht aus. Anders wird das nichts.“

Bei Correctiv sind derzeit vier Personen mit dem Fact-Checking beschäftigt, ein Ausbau der Abteilung ist in Planung. Aktuell kümmert sich die eine Hälfte des Teams mit der Prüfung von Meldungen zur Corona-Pandemie, die andere verfolgt die Entwicklung in Griechenland. „Bei Corona haben wir einen recht guten Überblick“, sagt Correctiv-Faktenchecker Till Eckert. „Wir können den Falschmeldungen punktuell entgegenwirken und sie eindämmen, auch wenn wir das große Thema Desinformation sicher nicht alleine klären können. Dazu bräuchte es auch überregionale und lokale Medien.“ Facebook hat Corretiv vorab darüber informiert, dass im Fall des Coronavirus-Ausbruchs Falschmeldungen nun auch gelöscht werden sollen. Wie nötig das offensichtlich ist, zeigen gefährliche Handlungsanweisungen wie diese, wonach man zum Schutz gegen die Krankheit Bleiche trinken soll, berichtet Eckert. Nicht derart lebensbedrohlich, aber dennoch abstrus war auch die Behauptung, dass die Menschen in Wuhan nicht an Covid-19, sondern an 5G sterben.

Über die Ergebnisse informieren die Faktenprüfer auch auf Twitter über den Zugang @correctiv_fakt. Eckert würde sich wünschen, dass neben Facebook auch Google, Youtube und Twitter mehr auf die Kontrolleinrichtungen vertrauen würden, die im International Fact Checking Network organisiert sind.

Handelt es sich um mehr als eine PR-Strategie?

Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org, ist dennoch skeptisch, in wieweit Zuckerbergs Ankündigung tatsächlich eine neue Facebook-Policy im Umgang mit Fake News darstellt, oder ob es nur die altbekannte Politik in der Corona-Edition ist. „Die Frage ist, was an der Ankündigung wirklich neu ist“, sagt Netzpolitiker Beckedahl und ergänzt: „Bislang habe ich noch nicht so viel Neues entdeckt.“

Dabei könnte Facebook nach Beckedahls Einschätzung tatsächlich viel bewirken. Aus den Nutzungsdaten von Facebook könnten Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus selbst abgeleitet werden. Zuckerberg hat angekündigt, „aggregierte und anonymisierte“ Daten an ausgewählte Forscher zu weiterzugeben, um die Ausbreitung des Virus zu verstehen. „Diese Super-Daten sollte man noch viel mehr Wissenschaftlern zur Verfügung stellen“, fordert Beckedahl. Und spricht noch ein anderes Problem an: Für Messenger wie WhatsApp gibt es gar kein Fact-Checking.

Darauf verweist auch Patrick Gensing, Faktenfinder bei tagesschau.de. „Zur Ausbreitung des Coronavirus sind die Menschen mit einer Flut von Einschätzungen, Informationen und Ratschlägen konfrontiert.“ Viele davon seien fundiert und sachlich, andere alarmistisch und schlicht falsch. „In diesem Kontext lassen sich zahlreiche falsche und bewusst irreführende Meldungen identifizieren. Im arabischen Raum gibt es beispielsweise das Phantasma, die Epidemie sei eine Strafe Gottes. Es kursieren auch zahlreiche falsche Bilder und Videos, die aus ihrem Kontext gerissen wurden, um mit der Angst Klicks zu generieren.“ Auf tagesschau.de finden sich dazu einige Meldungen.

"Kein Allheilmittel gegen Fake News"

Es gebe kein Allheilmittel gegen solche Phänomene, so Gensing. „Neben Facebook haben längst Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram eine entscheidende Bedeutung bei der Verbreitung von gezielten Falschmeldungen.“

Dennoch ließen sich durch das Löschen von eindeutig falschen und von unabhängigen Faktencheckern geprüften Inhalten deren Wirkung zumindest begrenzen. „Es gibt aber ebenso Inhalte, die sind nicht eindeutig falsch. Auch persönliche Einschätzungen sind vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt und daher ist größte Vorsicht geboten, was Eingriffe angeht.“

Im Fall von Corona ist Facebook durchaus bereit zu handeln. Die für Mai geplante jährliche F8-Entwicklerkonferenz wurde bereits abgesagt. Im Umgang mit Fake News und Verschwörungsgerüchten über seine verschiedenen Plattformen wird sich Facebook weitere Fragen gefallen lassen müssen.

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