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Soldaten kontrollieren die Straßen in gepanzerten Fahrzeugen.

© Reuters/Daniel Becerril

Kampf unter den Kartellen: Mordrate in Mexiko auf Rekordhoch

Allein bis März dieses Jahres wurden in Mexiko 8.493 Menschen ermordet. Ein Grund ist die Inhaftierung von Kartellboss „El Chapo“.

Zuletzt hat es Maricela Vallejo Orea getroffen. Die Bürgermeisterin von Mixtla de Altamirano wurde Mitte der Woche erschossen – genauso ihr Mann und der Fahrer. Drei weitere Tote im mexikanischen Gewaltdrama. Vallejo gehörte der linksgerichteten Partei Morena des neuen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador an. Sie hatte sich im Bundesstaat Veracruz mutig gegen das organisierte Verbrechen gestellt. Im Parlament gab es eine Schweigeminute. Der Druck auf den linken Präsidenten López Obrador wächst, er wollte die Mordraten eindämmen; stattdessen sind sie auf ein Rekordhoch geklettert.

In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurde 8 493 Morde registriert, 682 davon im Bundesstaat Veracruz. Damit liegt die Mordrate knapp zehn Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. 2018 war mit 33 369 Morden bereits das gewalttätigste Jahr seit Beginn der statistischen Erfassung 1997. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 386 Menschen ermordet.

Der Blick auf Mexiko ist oft durch Klischees belastet, aber das Sicherheitsproblem macht das Land zum Pulverfass für die ganze Region. Der Drogenkrieg produziert viele Flüchtlinge. Verschärft wird die Situation durch die vor Jugendgangs fliehenden Menschen aus Honduras, El Salvador und Guatemala, die durch Mexiko in die USA wollen. US-Präsident Donald Trump will an der Grenze mit aller Macht die Schotten dichtmachen – auch diese Menschen stranden in Mexiko – und Hoffnungslosigkeit und Zukunftsperspektiven führen immer wieder dazu, dass der kriminelle Sektor Nachwuchs rekrutieren kann.

Pläne des Präsidenten

Der monumentale Roman „Tage der Toten“ von Dan Winslow oder auch die Netflix-Serie über den an die USA ausgelieferten Drogenkönig „El Chapo“ haben einem internationalen Publikum vermittelt, welche Auswirkungen der Drogenhandel und die Gewalt der Kartelle hat. Präsident Andrés Manuel López Obrador, kurz Amlo genannt, stellte deshalb Pläne für eine rund 50 000 Personen starke Nationalgarde vor, die statt der Polizei den Kampf führen und dem Verteidigungsministerium unterstellt werden soll.

Begleitend soll ein Amnestieprogramm die Kriminellen zur Abgabe der Waffen bewegen, ferner eine Bildungsoffensive dazu beitragen, dass junge Leute nicht mehr so häufig den Weg in die Kriminalität wählen. Aber im Drogengeschäft wird enorm viel Geld verdient, Europa wird als Absatzmarkt immer interessanter. Richter und Polizisten werden gekauft, Verräter und Gegner brutal hingerichtet. Auch weil die Straflosigkeit bei über 95 Prozent liegt, ist das Problem kaum einzudämmen.

"El Chapo" als Auslöser

Außenminister Heiko Maas (SPD) wird sich in knapp einer Woche in Mexiko ein Bild von der Lage machen. Es geht auch um die Frage, ob Deutschland im Sicherheitsbereich stärker helfen kann. Ausgerechnet die Auslieferung von Joaquín „El Chapo“ Guzmán und die Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe hat die Sicherheitslage mit verschärft. Er war zuvor bereits in Mexiko mehrfach in Haft – was auch das von ihm geführte Sinaloa-Kartell schwächte und zu Abspaltungen führte. „In den letzten zwölf Jahren haben sich große Syndikate in kleinere Gruppen zersplittert, was zu einer Fülle von tödlichen, regionalen bewaffneten Konflikten geführt hat“, betont die auf Konfliktanalysen spezialisierte International Crisis Group.

„Die Masse an Tötungen ist zum Teil auf die Zersplitterung der Kartelle in etwa 200 kleinere bewaffnete Gruppen zurückzuführen, die zu einem Wettbewerb zwischen diesen Gruppen geführt hat.“ Die Zersplitterung mache es für die Bosse auch schwieriger, sie zu kontrollieren, betont die Crisis Group. Dort, wo ein Kartell alles dominiert, gibt es in der Regel weniger Tote durch den Drogenkrieg.

Zudem leiden der mexikanische Staat und insbesondere seine Sicherheitsdienste weiter unter Korruption, Absprachen mit illegalen Akteuren oder sogar der kriminellen Festnahme von örtlichen Polizeikräften, die sich dem Verbrechen entgegenstellen. Noch genießt Amlo viel Vertrauen – aber die Vorjahre haben gezeigt: Mehr staatliche Gewalt gegen die Kartelle führte nur zu noch mehr Toten.

Die transnational agierenden Kartelle werden auch für Wirtschaftsinvestitionen zunehmend zur Bürde, ebenso für den Tourismus in diesem eigentlich sehenswerten Land mit seiner langen Kulturgeschichte und besonderen Natur. Nicht umsonst war schon Alexander von Humboldt bei seinem fast einjährigen Aufenthalt 1803/1804 fasziniert von der Vielfalt Mexikos.

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