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Schwule Partygänger.

© Spyros Rennt

Hommage an die Lust: Queeres Leben in Bildern festhalten

Der Berliner Fotograf Spyros Rennt erzählt in seinen Bildern von Liebe, Lust und langen Nächten – und auch von einem schambefreiten Leben abseits der Heteronormativität. Eine Begegnung.

Die Sonne ist bereits seit ein paar Stunden aufgegangen. Doch immer noch tanzen Menschen im Club auf einer griechischen Insel zu pumpenden Housebeats. Viele der Männer sind oberkörperfrei – verständlich, wird es hier doch schon am frühen Morgen richtig heiß. 

Zwischen ihnen tummelt sich Spyros Rennt, immer wieder zückt er seine Analogkamera. Mal macht er Fotos von Partygästen, die eine Pause vom Feiern brauchen und sich einen Platz mit Aussicht auf das glitzernde Meer gesichert haben. Mal fotografiert er zwei Männer, die eng umschlungen tanzen und sich küssen. Und mal bittet er seine Models direkt, sich ganz auszuziehen. Die meisten scheinen damit kein Problem zu haben.

Wie so oft verschwimmen auch an diesem Morgen die Grenzen zwischen Arbeit und Spaß. Denn es kann gut sein, dass eines oder mehrere der Fotos am Ende in einem Buch von Spyros Rennt landen oder in einer Galerie aufgehängt werden. Oder auf Instagram, wo ihm über 40.000 Personen folgen. Denn der in Athen geborene Fotograf dokumentiert mit seiner Kamera oftmals sein eigenes Leben – und hat es damit zu Erfolg gebracht. 

Von harmlos bis explizit

Als Rennt vor elf Jahren von Griechenland nach Berlin zog, arbeitete er noch als Ingenieur. Doch irgendwann fühlte es sich für ihn so an, als sei er mit seinem Beruf in einer Sackgasse gelandet. Zudem habe ihm Berlin gezeigt, dass ein anderer Lebensstil möglich ist: „Es gibt keinen anderen Ort, an dem das Ausgehen am Sonntag so zelebriert wird wie hier. Das wollte ich auch tun können – nicht an Montag denken müssen und mein eigener Chef sein”, sagt Spyros Rennt beim Gespräch in einem Neuköllner Café.

Seine Bilder sind mal explizit, mal ganz harmlos, mal voller Tiefe und mal äußerst trivial. So sieht man in seinem Fotobuch „Lust Surrender” vier nackte, maskuline Personen auf einer Couch. Eine von ihnen liegt auf dem Rücken und wird sowohl anal als auch oral befriedigt. Neben ihnen sitzt eine Person, die masturbiert. Es ist die einzige Person, deren Gesicht zu erkennen ist.

Der Fotograf Spyros Rennt auf einem Selbstporträt.
Der Fotograf Spyros Rennt auf einem Selbstporträt.

© Spyros Rennt

Das Bild entstand auf einer After-Party mit Leuten, mit denen Spyros Rennt zuvor in einer Gay-Sauna gewesen war. Alle Anwesenden wussten, dass er Fotograf ist – und waren damit einverstanden, dass er seine Kamera benutzt. Das Foto gehört zu Rennts Favoriten. „Es ist eine Szene, die viele schwule Männer schon mal erlebt oder zumindest gesehen haben”, so der Fotograf.

Blättert man zwei Seiten weiter, sind zwei Autos in einer Athener Garage zu sehen. Während der rote Audi intakt zu sein scheint, ist das nebenstehende graue Auto sichtlich demoliert. “Manchmal sind die Dinge, die ich fotografiere, ziemlich krass und manchmal völlig banal. Diese Gegenüberstellung reizt mich besonders”, erklärt der Fotograf. 

Und auch er selbst ist auf seinen Fotos zu sehen. Dabei sitzt Spyros mal nackt auf einem Bürostuhl und fotografiert sich selbst im Spiegel. Auf einem anderen Foto ist zu sehen, wie er jemanden oral befriedigt. 

Die nichtkommerzielle Arbeit des Fotografen, so sagt er, sei ein Fenster in sein Leben – allerdings in ein kuratiertes Leben: „Wenn man meine Fotos sieht, könnte man denken, dass ich nur auf Sexpartys rumhänge.” Zwar gehe er gerne feiern und eben auch zu den Sexpartys. „Aber ich habe auch Phasen, in denen mein Leben langweilig ist und ich viel Zeit alleine verbringe. Mein Leben ist facettenreicher, als es meine Fotos glauben lassen”, erklärt der Wahlberliner.

Doppelporträt von Spyros Rennt.
Doppelporträt von Spyros Rennt.

© Spyros Rennt


Bei all dem Sex, all der Lust und all der Feierei, die auf Spyros Fotos zu sehen sind, könnte man meinen, dass es dem Fotografen nur darum gehe, queeren Hedonismus abzubilden. Doch er sieht seine Fotos durchaus als politisches Statement. Denn das Leben abseits der Heteronorm darzustellen, sei auch im Jahr 2022 keine Selbstverständlichkeit: „Natürlich ist queeres Leben in Berlin normalisierter als in anderen Städten. Dennoch leben wir ein Leben am Rande der Gesellschaft”, sagt er. Mit seiner Arbeit macht der Künstler queeres Leben sichtbar.  

Geplant war das allerdings nicht. Als Spyros mit dem Fotografieren angefangen hat, sei queere Fotografie noch keine Marke gewesen. Heute ist genau dieses queere Leben, was auch große Marken abbilden wollen. Doch jetzt hat er selbst eine Kampagne des Luxuskoffer-Herstellers Rimowa fotografiert.

Spyros Rennt ist sich sicher, mit seiner Arbeit eine ganz bestimmte Ära, einen bestimmten Lifestyle, zu dokumentieren. Damit meint er den Lifestyle, für den Berlin so bekannt ist, für den queere Menschen aus aller Welt in die Hauptstadt reisen. Manchmal, um sich für ein Wochenende komplett gehen zu lassen, bevor es wieder ins normale, alltägliche Leben zurückgeht. Manchmal aber auch, um für eine längere Zeit hier zu bleiben und das Leben als große Feier zu zelebrieren.

Doch auch wenn Berlin oftmals den Anschein erweckt, als wäre das Leben eine nie enden wollende Party, gehen auch hier die Lichter im Club irgendwann mal an. Was das Leben für Spyros bringen wird, wenn seine persönliche Party vorbei ist, weiß er noch nicht. Aber das stört ihn auch nicht weiter: „Ich weiß nicht, was ich in Zukunft machen werde. Aber ich habe es geschafft, meine Karriere aus dem Nichts aufzubauen. Das stimmt mich optimistisch für alles, was noch kommen mag.”

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