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Dita Rita Scholl.

© Foto: Jens Schommer

Queere Legende Dita Rita Scholl: „Tilda Swinton ist mir viel näher als RuPaul“

Eine Berliner Legende: Dita Rita Scholl wird 70. Ein Gespräch über den Respekt vor dem Alter, die besten Rollen - und die Uniformität in der queeren Szene.

Dita Rita Scholl ist eine queere Legende, bekannt durch Auftritte in Filmen, im Theater, mit Chansons. Am 7.10. feiert Dita Rita runden Geburtstag, der am 8.10. mit einer großen Party in der AHA gefeiert wird..

Sie werden 70. Was bedeutet die Zahl für Sie?
Ich habe einen sehr großen Respekt davor - weil ich jemand bin, der an sich sehr fragil ist. Ich hätte oft nicht gedacht, dass ich überhaupt 70 werde. In meinem Freundeskreis kenne ich leider viele Menschen, die schon vor 70 gestorben sind. Ich habe immer beide Seiten in mir: Die eine ist happy und dankbar, dass ich dieses Alter erreiche. Die andere sagt: So what? Was lohnt sich noch? Was willst du noch?

Aus Anlass des Geburtstages gibt es eine große Sause in der AHA. Was ist geplant?
Die AHA ist ein Salon. Ich feiere gerne und teile mit anderen, ich habe etliche Leute angeschrieben und es wird ein sehr buntes Programm geben – etwa ein Foto-Mosaik mit Stationen aus meinem Leben, kleine Interviews mit mir und Highlights aus den letzten Jahren. Und viele treten auf: Transophonix, Tima, die Göttliche, Dee Novak, Sigrid Marr, Cora Frost und viele mehr.

Morgens aufwachst – wissen Sie gleich, ob das ein Dita- oder ein Rita-Tag ist?
Für mich gibt es kein „oder“. Ich habe immer alles in mir, das männliche, das weibliche und alles was dazwischen ist. Ich bin non-binary und queer, seit ich auf der Welt bin. Deswegen habe ich auch immer damit gespielt: Ich mag es nicht, wenn Leute einen Namen sagen und meinen, sie wissen dann etwas über eine Person.

Ich habe als Rita Scholl gearbeitet, als Rita Bastardo, als Dieter Scholl, als Hans Dieter Scholl, als David Scholl. Ich habe mir diese Freiheit gegeben, ich begreife mich als Schauspieler und Schauspielerin. Im Geschäft, für das Marketing, ist das natürlich schwierig. 

Ich bin jemand, der meistens in der Darstellung noch relativ nah an mir selber ist. 

Dita Rita Scholl

Wie haben die Agenturen reagiert?
Mit denen habe ich nie Glück gehabt. Ich bin zu autonom, zu eigenwillig, die meisten haben mich als zu speziell behandelt.

Sie sind in unzähligen Filmen und Theaterstücken aufgetreten. Was war die wichtigste Rolle?
Für mich ist der Ursprung, das Coming-out mit der Selbstpräsentation als Rita Bastardo, natürlich etwas ganz Großes – weil das meine Wurzeln sind, mein Anfang für alles. Ich bin jemand, der meistens in der Darstellung noch relativ nah an mir selber ist. Das unterscheidet mich auch vom klassischen Schauspieler, der immer wieder in eine andere Rolle jemand anders sein möchte.

Aber ich habe durchaus dieses Potenzial. Ich habe zum Beispiel 1987 in einem Theaterstück einen wahnsinnigen Massenmörder gespielt. In den 90ern wurde ich dann aber immer als Transvestit besetzt.

Hätten Sie gerne mehr Besetzungen gewünscht, wo Sie nicht so nah an sich selbst sind?
Sofort. Ich kann mich gut verstellen und verwandeln, das ist eine Qualität, die – finde ich – viel zu wenig gewürdigt wird.

Heute gibt es einen Drang zur Uniformität, der mir unbegreiflich ist.

Dita Rita Scholl

Sie sind seit Jahrzehnten aktiv. Wie hat sich die queere Szene über die Jahre verändert?
Ich bin in der Hamburger queeren Szene groß geworden: Die ersten CSDs, im Fummel rumlaufen. Der Feminismus war sehr wichtig. In den 80er-Jahren hat sich das sehr verändert: Man denke an den Männlichkeitswahn unter Schwulen. Irgendwann bemerkte ich, dass es zu einer Spaltung kommt: Man schaut die Tunten gerne auf der Bühne an, im Leben will man aber um Gottes Willen nichts damit zu tun haben.

Heute gibt es einen Drang zur Uniformität, der mir unbegreiflich ist. Ich habe auch Schwierigkeiten mit zu dogmatischen Einstellungen. Manchmal wird der Blick für die große Community verwischt, den wir brauchen, um sich gegen unsere großen Feinde zu wehren.

Durch Shows wie „RuPaul’s Drag Race“ wurde Drag unheimlich popularisiert. Sie sehen junge Queens aber auch kritisch. Warum?
Erstmal: Ich finde es ganz toll, wenn junge Menschen das für sich entdecken. Aber wie gesagt: Es gibt auch eine unglaubliche Uniformität, eine unglaubliche Perfektion. Diese Art sich zu schminken, die Wangen verändern - dieses ganze künstliche Schönheitsideal hängt mir zum Hals raus. Das ist mir einfach zu viel Klischee, zu viel Konkurrenz. Tilda Swinton ist mir viel näher als RuPaul.

Und zum Schluss: Was wünschen Sie sich selber zum Geburtstag?
Für den Tag wünsche ich mir, dass die Leute, die zugesagt haben, kommen – und dass wir Spaß haben und Lebensfreude teilen. Insgesamt für die 70: Ich bin mit meinem Lebensgefährten sehr viel unterwegs, auf Reisen, auf Radtouren. Ich habe immer für einen Ausgleich gesorgt zwischen Arbeit und Freizeit. Das wünsche ich mir weiterhin. Die Natur stärkt und heilt mich am meisten.

Und natürlich Kunst und Kultur nicht zu vergessen – als seelische Nahrung. Und ich wünsche mir, dass es endlich viel mehr Rollen für Non-Binarys gibt.

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