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Das J. Paul Getty Museum aus Los Angeles ersteigerte Orazio Gentileschis „Danae“ bei Sotheby’s für 30,5 Millionen Dollar.

© Sotheby’s

Bilanz des Kunstmarkts 2016: Nach dem Goldregen

Es hapert an Nachschub im superteuren Segment. Während der internationale Kunstmarkt schrumpft, bilanzieren die deutschen Auktionshäuser ein gutes Jahr.

Schon im Sommer gab sich die Diva spürbar kühl. Der Kunstmarkt, dieses empfindliche Wesen, hat für alle sichtbar eine Entscheidung getroffen: Erwartungen werden nicht länger erfüllt.

Die Gründe dafür sind vielfältig und oft kaum zu beeinflussen. Vor allem hapert es im superteuren Segment, wo Pablo Picasso, Andy Warhol oder wie im November 2015 ein Akt von Amedeo Modigliani bei Christie’s für 170,4 Millionen Dollar versteigert wurde, an Nachschub. Weshalb auch sollte ein Sammler verkaufen, wenn er das Geld angesichts der weltweit niedrigen Zinsen nicht gewinnbringend anlegen kann? Lieber investiert er konservativ und behält seine Kunst.

Solche Entscheidungen vermochten auch jene Einlieferer nicht auszugleichen, die sich schon zu Beginn des Jahres und mit Blick auf das nahe Kulturgutschutzgesetz von Werken trennen wollten. Dass es diese Tendenz gab, machte nicht zuletzt der Anstieg von Losen deutscher Künstler wie Otto Mueller, Max Beckmann oder Paul Klee während der Frühjahrsauktionen in London deutlich. Von den Trennungsfällen hatten also nicht einmal die deutschen Auktionshäuser etwas, die zusätzlich befürchten, dass ab 2017 auch die internationalen Einlieferer einen Bogen um Köln, Berlin oder München machen: Aus Furcht davor, sie dürften ihre Kunst anschließend nicht mehr aus Deutschland ausführen.

Sotheby's verzeichnet Umsatzrückgang

Aber der Reihe nach: Das britische Auktionshaus Sotheby’s mit Zweigstellen in diversen Ländern gab schon für das erste Quartal einen Umsatzrückgang von 35 Prozent bekannt. Dabei konnte es etwa im Januar in New York das Gemälde der „Danae“ von Orazio Gentileschi für 30,5 Millionen Dollar an das J. Paul Getty Museum (Los Angeles) verkaufen und damit gleich auch einen neuen Rekord für den italienischen Barockmaler melden. Doch sind das singuläre Hits im Kunstjahr 2016 – nicht zu vergleichen mit demselben Zeitraum im Vorjahr, als etwa Sotheby’s Konkurrent Christies’s bei den Auktionen von Impressionisten und zeitgenössischer Kunst 147 Millionen Pfund einspielte. Diesmal musste sich das Haus mit 96 Millionen Pfund zufrieden geben, bei Sotheby’s waren es 94 Millionen.

Eine Beule weist auch jene Kurve auf, die in den vergangenen Jahren garantiert nur nach oben wies: Wer ein Werk ersteigert hatte, der warf es kurze Zeit später erneut auf den Markt, um satte Gewinne einzustreichen. Bei Picassos „Tête de femme“ von 1935 zeigte sich bereits im Februar, dass diese Rechnung nicht länger aufgeht: Der Einlieferer, der das Gemälde 2013 für knapp 40 Millionen Dollar selbst ersteigert hatte und es nun bei Sotheby’s erneut weiterreichen wollte, erhielt am Ende mit 27 Millionen Dollar nicht einmal seine Investition zurück.

Solche Ereignisse prägen und machen vorsichtig. Auch im Segment der aktuellen Kunst, bei der in den vergangenen Jahren astronomische Preissteigerungen möglich waren. Maler wie der Mittzwanziger Lucien Smith, deren Bilder in Auktionen von 3000 auf 100 000 Dollar steigen konnten, sind nicht länger gefragt. Anderes wie das Werk des ebenfalls noch jungen rumänischen Künstlers Adrian Ghenie, dessen Karriere bei der Berliner Galerie Judin begann, bleiben konstant: Seine Bilder erzielten während der Herbstauktionen einmal 3,9 und einmal neun Millionen Pfund. Um Letzteres, das von Christie’s vorsichtig auf 1,5 Millionen Pfund taxiert worden war, stritten im Oktober in London allein neun Bieter.

Ketterer und Lempertz mit Gewinnen

Aber ist das wirklich ein schlechtes Zeichen? Wenn der Markt endlich wieder auf den Teppich zurückkehrt, sich die Qualität des einen Künstlers allmählich erweist, während der andere nicht länger Spielball von „Flippern“ ist – jener Spekulanten, die schon beim Kauf bloß eines im Auge haben, nämlich die Kunst so schnell und teuer wie möglich wieder loszuwerden. Den Blick auf die Kunst, deren Wert bloß noch am Geld gemessen wird, verzerrt diese Strategie schon lange.

Dass die inhaltliche Auszehrung vor allem ein Thema am internationalen Markt ist, zeigt der Blick auf die deutschen Häuser. Von den raketenhaften Hochpreiszeiten der jüngeren Vergangenheit haben sie wenig gehabt. Das bremst allerdings auch ihren Fall – wenn es überhaupt einen gibt. Ketterer in München meldet im Gegenteil für 2016 einen Erlös von knapp 47 Millionen Euro. Robert Ketterer verweist darauf, dass sein Haus „damit sogar noch über dem Top-Niveau des Jubiläumsjahres 2014“ liegt. Lempertz in Köln blickt auf ein Jahresergebnis von 58,3 Millionen Euro zurück und Grisebach hat im November in Berlin seinen 30. Geburtstag mit sensationellen Werken von Max Liebermann über Emil Nolde bis zu Marcel Duchamp gefeiert. Vier Auktionstage brachten mit einem Umsatz von 34 Millionen Euro das bislang beste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens.

76 Millionen für einen Monet - neuer Rekord

Vergleicht man das teuerste Werk dieser Auktion – Lyonel Feiningers „Gelbe Gasse“ (1932), für die ein Schweizer Sammler schließlich über 3,5 Millionen Euro bot – mit dem höchsten Preis, der 2016 auf dem globalen Markt erzielt wurde, dann klafft zwischen Berlin und New York schon eine enorme finanzielle Lücke. Bei Christie’s erzielte allein das Gemälde „Meule“ von Claude Monet, ein Landschaftsgemälde mit Scheune, während der Herbstauktionen umgerechnet 76 Millionen Euro. Ein neuer Rekordpreis für den Impressionisten, der das Motiv um 1890 festhielt.

Doch sicherte sich erstens bei Grisebach ein privater Sammler aus den USA gleich das zweitteuerste Los der Berliner Auktion: Er bewilligte für Max Beckmanns „Stilleben mit brennender Kerze“ (1921) am Ende 2 950 000 Euro und dokumentiert damit, dass man trotz des breiten US-amerikanischen Angebots sehr genau auf die Auktionen der deutschen Häuser schaut. Und zweitens greifen die internationalen Versteigerer inzwischen vermehrt auf Künstler zurück, mit denen traditionell die hiesigen Häuser gute Geschäfte machen – von den Expressionisten über die Zero-Künstler bis hin zu Albert Oehlen, Günther Förg oder Neo Rauch. Die neue Zurückhaltung sorgt für globale Konkurrenz – so gesehen machen sich die deutschen Auktionshäuser äußerst gut.

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