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Produzentin Shonda Rhimes engagiert sich für die Initiative Time's Up.

© picture alliance / dpa

"Time's Up"-Protest in Hollywood: Die Zeit ist abgelaufen für Weinstein und Co.

Schauspielerinnen und Filmproduzentinnen in Hollywood verlangen Konsequenzen aus den Skandalen etwa um Harvey Weinstein. Sie gründen „Time’s Up“, eine Aktion gegen sexuelle Übergriffe.

Hollywood soll zur Bühne des Kampfes gegen die Frauenfeindlichkeit im Showbusiness und anderswo werden. Über dreihundert Schauspielerinnen und Produzentinnen in den USA, darunter Meryl Streep, Emma Stone, Natalie Portman, Reese Witherspoon, Alyssa Milano, Maggie Gyllenhaal und Cate Blanchett, wollen mit einer neuen Initiative dafür sorgen, dass konkrete Konsequenzen aus den Skandalen um sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch von Frauen gezogen werden. Am kommenden Wochenende will die Aktion „Time’s Up“ bei der Verleihung der Golden Globes in Los Angeles auf dem roten Teppich für ihre Ziele werben. In mehreren Tageszeitungen erschienen Aufrufe, sich der Bewegung anzuschließen.

Der Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein hatte im Oktober eine weltweite Lawine von Berichten über die sexuelle Ausbeutung von Frauen im Filmgeschäft und anderen Branchen ausgelöst. Politiker, Journalisten und Sportfunktionäre in den USA und anderen Ländern sahen sich im Zuge der „#MeToo“-Bewegung den Vorwürfen mutmaßlicher Opfer ausgesetzt, die von sexueller Belästigung bis zur Vergewaltigung reichen. Die Skandale bedeuteten nicht nur für Weinstein das Aus, sondern auch für Stars wie Kevin Spacey und Politiker wie den US-Senator Al Franken.

Doch Empörung allein reicht nicht, finden die Initiatorinnen von „Time's Up“. Die Zeit ist reif. In Hollywood, wo die Reihe der Skandale ihren Anfang nahm, soll nun auch die konkrete Veränderung beginnen. Mit Spendengeldern von Stars wie Steven Spielberg und Meryl Streep wurde eine Kriegskasse von 13 Millionen Dollar eingerichtet, um weniger prominenten Missbrauchsopfern – Haus- und Zimmermädchen, Kellnerinnen, Krankenschwestern, Sekretärinnen – bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen. Zudem wird ein gesetzliches Verbot der Praxis angestrebt, sexuelle Übergriffe mit Schweigegeldern unter den Teppich zu kehren, wie es in der Vergangenheit häufig geschehen ist.

Jede dritte junge Frau wurde schon mal belästigt

Als Zeichen der Solidarität mit den Opfern sollen die weiblichen Stars bei der Verleihung der Golden Globes am kommenden Sonntag in Schwarz erscheinen. Die traditionellen Interviews auf dem roten Teppich vor der Verleihung der Fernsehpreise – es sind die wichtigsten Auszeichnungen neben den Oscars, die Anfang März verliehen werden – sollen dazu dienen, auf die so lange verschwiegenen Missstände im Showbusiness und anderen Bereichen aufmerksam zu machen.

Eine prominente und weithin sichtbare Bühne wird nach Meinung der Organisatoren der neuen Initiative dringend gebraucht. Laut einer von „Time's Up“ zitierten Umfrage ist jede dritte Frau zwischen 18 und 34 Jahren an ihrem Arbeitsplatz mindestens einmal sexuell belästigt worden – und 71 Prozent der Opfer haben die Übergriffe für sich behalten.

Frauen in Branchen wie der Filmindustrie oder der Politik, die besonders eindeutig von Männern dominiert werden, sind häufiger Opfer von sexueller Belästigung oder Missbrauch als Frauen in anderen Bereichen, wo Männer nicht so dominant sind. In Hollywood sollen deshalb innerhalb der nächsten Jahre nach der Vorstellung von „Time’s Up“ so viele Frauen in Führungspositionen gebracht werden, dass die Vorherrschaft der Männer gebrochen wird: „50/50 bis 2020“, lautet das Motto.

Prominente Frauen wollen Solidarität für Frauen aller Berufsgruppen

Unter dem Schirm von „Time’s Up“ gruppiert sich eine ganze Reihe von Einzelinitiativen. Dazu gehört eine Kommission unter der Leitung von Anita Hill, die 1991 dem damaligen designierten Verfassungsrichter Clarence Thomas sexuelle Belästigung vorwarf. Die Kommission arbeitet an Reformvorschlägen zur Bekämpfung der Frauenfeindlichkeit in der Unterhaltungsindustrie.

Millionenschwere und weltbekannte Stars, die sich vor laufenden Kameras für die Lösung eines gesellschaftlichen Problems engagieren, setzen sich leicht dem Vorwurf der Heuchelei aus. Den Unterstützern von „Time’s Up“ ist dieser Umstand bewusst. „Wir wissen, dass wir privilegiert sind“, schreiben sie auf der Internetseite ihrer Initiative (www.timesupnow.com). Gleichzeitig unterstreichen sie ihre Solidarität mit weniger prominenten Frauen. „Kein Schweigen mehr. Kein Warten mehr. Keine Nachsicht mehr mit Diskriminierung, Belästigung oder Missbrauch.“

Shonda Rhimes, die Produzentin der Erfolgsserie „Grey’s Anatomy“ und eine der Sprecherinnen von „Time’s Up“, betont die Vorbildfunktion der Frauen in Hollywood beim Kampf gegen den sexuellen Missbrauch. Die Frauen in der Filmindustrie müssten die eigene Branche in Ordnung bringen, bevor sie sich über Missstände anderswo echauffieren könnten, sagte Rhimes der „New York Times“. Wenn nicht einmal die Stars der Filmwelt für die Rechte weniger mächtiger Frauen eintreten wollten – „wer dann?“

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