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Das Grauen wabert durch Frankfurt. Geister der Vergangenheit bedrohen im HR-„Tatort“ das Leben einer jungen Frau (Luise Befort).

© HR/Benjamin Dernbecher

"Tatort" aus Hessen: Im Nebel geboren

Ausflug ins Paranormale: Der Hessen-„Tatort“ erzählt zu Halloween eine Spukhausgeschichte. Der Horrorstreifen dürfte viele Zuschauer verwirren, aber immerhin hält er sich an die Genre-Regeln.

Die Stimme dringt düster durch den orange gefärbten Nebel: „Glauben Sie an Geister?, fragt Kommissarin Anna Janneke und setzt fort: „Heute Nacht erzähle ich Ihnen von einem der unheimlichsten Kriminalfälle meiner bisherigen Laufbahn.“ Tatsächlich ist der „Tatort“ aus Hessen mit dem Titel „Fürchte dich“, den die ARD an diesem Sonntag zeigt, der wohl verrückteste und schrägste Film dieser Reihe nach „Im Schmerz geboren“ mit Ulrich Tukur und Ulrich Matthes.

Während der preisgekrönte „Tatort“ von 2014, der unter anderem eine Goldene Kamera und eine Grimme-Würdigung erhielt, mit Filmzitaten aus Italo-Western und Tarantino-Werken spielte, hat die Episode an diesem Sonntag mehr mit Gruselfilmen wie „Shining“ oder „Das Grauen“ gemeinsam als mit dem Krimi-Genre. Was allerdings nicht bedeutet, dass es in „Fürchte dich“ keine Toten oder Verbrechen gäbe, denn daran besteht wirklich kein Mangel. Doch was der Hessische Rundfunk als „paranormalen Fall ankündigt“, der die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) „psychisch und physisch an ihre Grenzen bringt“, übersteigt möglicherweise den Langmut vieler Zuschauer. „Muss so etwas sein?“, wird womöglich noch die harmloseste Kritik an dem von Regisseur Andy Fetscher ( der zusammen mit Christian Mackrodt auch das Drehbuch geschrieben hat) in Szene gesetzten Horrorstreifen sein.

Grausiger Fund auf dem Dachboden

Es beginnt damit, dass sich ein offenbar geistig verwirrter alter Mann Zugang zum Haus von Kommissar Brix verschafft und es in Brand setzen will, dabei aber von Brix’ Bekannter Fanny, die dort lebt, überrascht wird. Wie von Geisterhand wird der Greis über die Terrassentreppe rückwärts auf den Rasen geschleudert und bleibt dort liegen. Nachdem Brix den Notarzt gerufen hat, entdeckt der Kommissar noch, worauf der Mann zuletzt gestarrt hat: Das Fenster des Dachbodens – und genau dort findet Brix die Überreste einer offenbar vor langer Zeit versteckten Kinderleiche. Wie in Spukhausgeschichten üblich, verbirgt auch dieses alte Gemäuer ein schreckliches Geheimnis, mitsamt Geistererscheinungen, übersinnlichen Erlebnissen und ganz realen Gefahren für die Lebenden. Diese betreffen vor allem Merle Schlien, die Enkelin des verwirrten Mannes. Jene Geschehnisse, die sich vor über 60 Jahren in dem alten Haus zugetragen haben, bedrohen nun das Leben der jungen Frau (Luise Befort). Aber auch Brix’ Bekannte Fanny (Zazie de Paris) reagiert auf die unheimlichen Kräfte, die plötzlich entfesselt wurden.

Hinter jeder Tür droht Ungemach

Man muss Geschichten wie „Fürchte dich“ nicht mögen, und es kann gut sein, dass viele Zuschauer diesen „Tatort“ nicht zu Ende sehen werden, weil ihnen eine Geistererscheinung als Tatverdächtige mehr als nur suspekt ist. Davon einmal abgesehen kann festgestellt werden, dass Regisseur Fetscher die Suspense-Vorbilder genau studiert hat und sich ohne Wenn und Aber an die Genre-Regeln hält, mitsamt düsterer Treppen, mystischer Symbole, angstzerfurchter Gesichter und leerer seelenloser Augen. Hinter jeder Tür droht Ungemach, unheilverheißende Musik hält die Spannung hoch und so gut wie jede Nebelmaschine im weiten Umkreis von Frankfurt sorgt für zusätzlichen Thrill. Das Ensemble hat sich uneingeschränkt auf den Mummenschanz eingelassen. Als ehemalige Polizeipsychologin hat Kommissarin Anna Janneke am wenigsten Berührungsängste mit Phänomen, die sich nicht rein rational erklären lassen. Besonders gut findet sich allerdings Luise Befort in der Rolle der von Geistern bedrohten Enkeltochter zurecht. Kurt Sagatz

„Tatort: Fürchte dich“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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