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Jugendliche beim Wacken-Konzert.

© picture alliance / dpa

Update

Überraschende Entscheidung: Jugendkanal von ARD und ZDF nur im Internet

Damit hatten die Intendanten von ARD und ZDF nicht gerechnet: Nach einer Entscheidung der Ministerpräsidenten wird der gemeinsame öffentlich-rechtliche Jugendkanal ein reines Onlineangebot.

Wer versteht mehr von der Jugend? Die Ministerpräsidenten reklamieren größere Kenntnis und lehnen den von ARD und ZDF geplanten Jugendkanal ab. Nicht in Bausch und Bogen, nur darf das Projekt nicht trimedial – in der gewollten Verschränkung von Fernsehen, Radio und Internet – aufgesetzt werden. Nach dem einstimmigen Votum der Länderchefs am Freitag in Potsdam soll das neue Angebot für 14- bis 29-Jährige ausschließlich im Internet an den Start gehen. Die Sender müssen die bisherigen Konzepte an den neuen Auftrag anpassen. Der Starttermin ist offen, nicht offen die Frage der Finanzierung. Nach Aussage von Dietmar Woidke, SPD-Ministerpräsident von Brandenburg, werden ARD und ZDF zwei der sechs bestehenden Digitalkanäle – EinsPlus und ZDFkultur – einstellen. „Bis 2020 werden keine zusätzlichen Kosten für den Beitragszahler entstehen“. Die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer, sagte bei der Pressekonferenz, dass das Projekt 45 Millionen Euro im Jahr kosten werde. Sie betonte, die Ministerpräsidenten wollten ein „jugendgemäßes Angebot“, das den Nutzungsgewohnheiten entspräche, ein Angebot, das aus „Online- und nicht aus der Fernsehperspektive“ gemacht werde. Aber all das, was die Radio- und Fernsehsender von ARD und ZDF an entsprechendem Material produzierten, könnte auf der neuen Plattform platziert werden. Ein vernetztes All-Inclusiv-Programm deutet sich an, nur sind die Ausspielwege aufs Netz begrenzt.

ZDF-Intendant Thomas Bellut hat die Entscheidung der Länder für ein gemeinsames öffentlich-rechtliches Jugendangebot begrüßt. „Sie ist für uns ein Ansporn, noch mehr Angebote für junge Zuschauer zu machen.“ Das Internetportal sei eine perfekte Ergänzung zu ZDFneo und ZDFinfo, die bereits mit Erfolg ein jüngeres Publikum erreichen. „Dafür brauchen wir dann aber auch mehr Bewegungsspielraum im Netz als bisher“, sagte Bellut. Der ZDF-Chef bekräftigte, für das Jugendangebot seien zusätzliche Stellen nötig – wie viele, müsse geprüft werden. Für den trimedialen Jugendkanal waren 30 Stellen veranschlagt worden. Den Personalbedarf wird das ZDF bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) beantragen.

Die Begeisterung in den ARD-Häusern über die Potsdamer Entscheidung fiel kleiner aus. Der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmor nannte sie „eine gute Nachricht für unser junges Publikum.“ Zukunftsweisend sei dabei, dass die Beschränkungen im Internet wegfielen. Peter Boudgoust, Intendant des federführenden SWR, sagte, „die Beauftragung entspricht nicht dem ursprünglichen Konzept eines crossmedialen Angebots“. Nun müssten sich die Sender auf eine Ausstrahlung im Internet beschränken. „Das bringt Probleme mit sich, beispielsweise mit Blick auf Urheberrechte. Obwohl unser Konzept von vielen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt wurde, wird es nun schwerer, das Jugendangebot zum Fliegen zu bringen.“

Es liegt eine Menge Vernunft in dem Beschluss der Ministerpräsidenten. Zunächst wächst der Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre bestehenden Hauptprogramme, 19 Kanäle werden aktuell betrieben, für junge Zuschauer wieder interessant zu machen. Dort hatte über die Jahre eine massive Vertreibung gegeben. Der Status quo der allermeisten Programme als „Seniorensender“ folgte keinem Naturgesetz, sondern einer falschen Programmpolitik. Diese Ignoranz haben die Jugendlichen bemerkt. Die 14- bis 29-Jährigen sind die erste Generation, die sich vom Fernsehen als linearer Programmdiktiermaschine abwenden. Ihre Heimat wird/ist das Netz. Fernsehen ist für sie heute „Second Screen“, nicht „First Screen“. Erst das Smartphone/das Tablet/der Laptop, dann der Fernsehschirm. TV-Inhalte werden weiter genutzt, doch nach sehr eigenem Gusto, eigenem Zeitgefühl. Fernsehen gehört unverändert ins Medienportfolio, nur ist der Umgang souverän geworden. Ich sehe fern, was und wann ich will. Ein Alltagsmedium wird Nebenbeimedium. Jugend möchte Youtube, gerne auch mit TV-Content. Deswegen ist der Ministerpräsidentenbeschluss nicht die böse Absage ans mediale Können in den öffentlich-rechtlichen Häusern. Es ist der immanente Auftrag, das Publikum dort zu suchen, wo das Publikum ist. ZDFneo, die Jugendradios der ARD, sie stehen für Erfolg und Kompetenz – und Aufbruch.

Auch an die Gesamtheit der Beitragszahler haben die Länderchefs gedacht. Die geltende 7-Tage-Frist für Beiträge in den Mediatheken von ARD und ZDF soll reformiert werden. In welchem Umfang sie erweitert oder gar abgeschafft wird, das will die Rundfunkkomission in Gesprächen mit der EU und den Verlegern fixieren.

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