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Pro-Aserbaidschan-Kundgebung in Hamburg: Türkische Rechte zeigen mit den Fingern den Wolfsgruß der Grauen Wölfe.

© Imago

„Affinität zu Waffen“: Graue Wölfe könnten Kaukasus-Konflikt nach Deutschland tragen

Russland hilft Armenien, die Türkei aber Aserbaidschan - die Grauen Wölfe könnten den Anspruch türkischer Nationalisten auch in Deutschland austragen.

Angesichts der Spannungen im Südkaukasus warnen Sicherheitsbeamte und Kenner des Konflikts vor dessen Auswirkungen in Deutschland. Dabei werden Aktionen weniger von Armeniern und Aserbaidschanern erwartet als von türkischen Rechtsradikalen. Im Streit zwischen Aserbaidschan und Armenien mischen die Türkei, als Schutzmacht Bakus, und Russland, als Schutzmacht Jerewans mit. Unter den Grauen Wölfen – türkische Nationalisten, die meist mit der in Ankara mitregierenden Koalitionspartei MHP sympathisieren – wird dazu heftig debattiert.

„Wortführer aus der Schnittmenge zwischen Kriminalität und Grauen Wölfen reden intern darüber, den Kaukasus-Konflikt im Ernstfall auch in Deutschland auszutragen“, sagt ein mit dem Milieu vertrauter Beamter. „Im Wesentlichen sind das die alten Osmanen.“

Die Osmanen waren eine rockerähnliche Rotlicht-Truppe: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte das Netzwerk 2018 verbieten lassen. Öffentlich demonstrierte die Truppe mit Symbolen der Grauen Wölfe gegen die Armenien-Resolution des Bundestag 2016. Unter den Grauen Wölfen ist die Idee eines großtürkischen Reichs – „Turan“ genannt – verbreitet: Turksprachige Völker sollten sich vom Balkan bis nach Westchina vereinen. Als Feinde gelten Griechen, Kurden, Armenier, als eng verbündet dagegen das „Brudervolk“ der Aserbaidschaner.

Umkämpftes Territorium zwischen Armenien und Aserbaidschan.
Umkämpftes Territorium zwischen Armenien und Aserbaidschan.

© AFP / KAREN MINASYAN

Der Bundesverfassungsschutz zählt hierzulande 11 000 türkische Rechtsextreme. Von denen gehörten die meisten weitgehend „gesetzeskonformen“ Vereinen an. „In der freien türkisch-rechtsextremistischen Szene“ verzeichne man jedoch eine „höhere Gewaltbereitschaft“ und „Affinität zu Waffen“, teilt der Verfassungsschutz mit.

Noch wird ermittelt, wer im Juli einen armenischen Treff in Köln angriff und ein Auto der Botschaft Armeniens in Berlin anzündete. Anlass waren wohl die tagelangen Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die Länder befinden sich seit dem Zerfall der Sowjetunion im Streit um Berg-Karabach, eine Region, die von Baku beansprucht, aber von Armenien kontrolliert wird. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat den Armeniern zuletzt gedroht.

„Dass Erdogan eingreift, dass sich in der Türkei, aber auch in Deutschland die Grauen Wölfe als Hilfstruppen Aserbaidschans andienen, macht eine Lösung des Konflikts unwahrscheinlicher“, sagte Heiko Langner, Autor des Buchs „Krisenzone Südkaukasus“ und Mitarbeiter der Linken im Bundestag. „Die Konfliktparteien müssten die schon 2007 vereinbarten Madrider Basisprinzipien umsetzen: Armenien zieht aus den Orten um Berg-Karabach ab, damit aserbaidschanische Vertriebene zurückkehren können. Für Berg-Karabach selbst ist ein Interimsstatus und ein Referendum vorgesehen.“

Befeuere die türkische Rechte den Konflikt, liefere sie den Armeniern Argumente, die Besatzung aufrechtzuerhalten. Ein islamisch geprägtes, großtürkisches „Turan“ fürchteten schließlich auch andere Nationen der Region.

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