zum Hauptinhalt
Abgrenzend und polemisch statt tolerant und inhaltlich. Donald Trump steht für das Verprellen von Partnern und Opposition.

© Ken Cedeno/Imago

Brexit und Trump: UK und USA: Die Opposition ist ohne Plan und Ziel

Je chaotischer die Regierung ist, desto besonnener muss die Opposition sein. Leider ist sie es weder in Großbritannien noch in den USA. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika, salopp England und Amerika, die angelsächsische Welt: Das war einmal das Zentrum des Westens, der Inbegriff von „common sense“, Demokratie, Zivilität, Pragmatismus, Gelassenheit.

Nun sind es zwei gespaltene, polarisierte, zwischen Extremen pendelnde Nationen, die sich ihrer selbst nicht mehr gewiss sind und keinen nach vorne gerichteten Traum, keine Vision haben. Zwei Begriffe stehen für diesen Zustand, der eine heißt Brexit, der andere Donald Trump.

Der Ausnahmezustand ist die Regel

Die Ähnlichkeiten sind frappierend. Es geht um die Wiederherstellung alter Größe, die Zurückgewinnung nationaler Kontrolle, den Schutz der Grenzen vor Migranten, die Verachtung des Establishments, den Sexappeal einer klaren, harten Sprache. Bündnisse werden aufgekündigt, Partner verprellt.

Vor zwei Jahren wurde Trump in sein Amt als Präsident der USA eingeführt. Seitdem branden die Schockwellen, die seine Politik auslöst, in regelmäßigen Abständen auf und ab. Das Gefühls-Jojo vieler Beobachter führt längst ein Eigenleben, der Ausnahmezustand ist zur Regel geworden. Ähnliches gilt, in kaum minderem Maße, für die Reaktionen auf das Tohuwabohu, das der Brexit verursacht. Was tun, außer ratlos sein, den Kopf schütteln, sich entsetzen?

Für die Opposition lautet die oberste Regel: Lass dich nicht in Fallen locken, spiele dein eigenes Spiel, sei höflich, klug, kühl und beherrscht. Nur durch eine Rückbesinnung auf urangelsächsische Traditionen und Verhaltensweisen kann in beiden Ländern wieder Vernunft einkehren.

Leider sind Labour-Anhänger in Großbritannien davon ebenso weit entfernt wie Demokraten in den USA. Sie lassen sich auf unnötige Machtproben ein, verhöhnen, pathologisieren und verteufeln den Gegner, sprechen ihm die demokratische Legitimation ab, stellen taktische Kalküle über strategische Ziele.

Es geht von Sackgasse zu Sackgasse

Hätte die Labour-Opposition im britischen Unterhaus für das mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen gestimmt, könnten sich jetzt alle Seiten auf einen geordneten Austritt vorbereiten. Stattdessen torkelt Theresa May von einer Sackgasse in die nächste, und Jeremy Corbyn scheint das sehr recht zu sein. Es wirkt gar, als labe er sich an der Ausweglosigkeit der Regierung.

Die britische Premierministerin Theresa May
Die britische Premierministerin Theresa May

© dpa/Steve Parsons/PA Wire

Auch beim Haushaltsstreit in Washington könnte es eine Einigung geben: Trump und die Republikaner stimmen der Einbürgerung der „Dreamer“ zu, rund 700000 Kinder von illegalen Einwanderern – im Gegenzug bewilligen die Demokraten jene 5,7 Milliarden Dollar, mit denen die Grenze zu Mexiko gesichert werden soll. Das ist weniger als ein Prozent des Militärhaushaltes.

Statt dessen Sturheit. Von der moralischen Überhöhung des Mauerbau-Themas durch die Demokraten könnte jedenfalls auch Trump profitieren, weil es ihm hilft, sein Sheriff-Image zu kultivieren und die Opposition als weich zu kritisieren.

Fundamente für eine Welt ohne Trump bewahren

In einer Demokratie sind die anderen immer nur Gegner, nie Feinde. Wenn diese Gegner ihrerseits verbal ausrasten, sollte das nicht als Ausrede dafür missbraucht werden, selbst die Contenance verlieren zu dürfen. Das heißt keineswegs, Trump und die Brexiteers gewähren zu lassen.

Sondern es bedeutet, sich in der Opposition jene Werte zu bewahren, die das Fundament einer Welt ohne Trump und die Brexiteers sein sollten. Die einen sehnen sich nach alter Größe, die anderen nach alten Tugenden. Dazwischen verläuft die wahre Grenze.

Zur Startseite