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Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

© REUTERS

Datenskandal um Cambridge Analytica: Facebook ist keine Gefahr für die Demokratie

Der Daten von mehr als 80 Millionen Facebook-Nutzern sollen missbraucht worden sein. Das schürt Angst vor Manipulierbarkeit. Dabei ist etwas anderes viel gefährlicher. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Die Ausmaße klingen monströs. Die Daten von mehr als 80 Millionen Nutzern weltweit soll Facebook missbraucht haben. Firmenchef Mark Zuckerberg muss sich in Selbstkritik üben. Der Aktienkurs bricht ein. Auf Twitter läuft die Kampagne #DeleteFacebook, die deutsche Politik gibt sich alarmiert: Die Demokratie sei in Gefahr.

Ein großes Umdenken ist bei den Nutzern nicht zu erkennen. Zwölf Prozent der Deutschen sind jetzt weniger auf Facebook unterwegs als vor Bekanntwerden der Vorwürfe. Aber ist Facebook nicht wirklich eine Gefahr für die Demokratie? Werden hier nicht Wahlen beeinflusst? Wie alles auf der Welt kann man selbst das nützlichste Werkzeug zur Waffe umfunktionieren. Das macht das Werkzeug nur nicht zwingend schlecht.

Was hinter der Empörung über den Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica steckt, ist vor allem die Angst vor der eigenen Manipulierbarkeit. Bin ich nicht mehr Herr oder Frau meiner Selbst? Fremdgesteuert durch Algorithmen? Macht Facebook aus Linken Rechte und umgekehrt?

Der PR-Maschine nicht auf den Leim gehen

Diese Sorge bildet den Kern der Debatte. Dabei sind gerade politische Einstellungen und Werte sehr fest bei Menschen verankert. Sie werden teilweise sogar vererbt. Selten wird aus einem überzeugten Linken ein fanatischer Rechter. Die Fälle gibt es, aber daran sind nicht Algorithmen schuld. Der PR-Maschine von Cambridge Analytica sollte man nicht auf den Leim gehen.

Allerdings heißt das nicht, dass Facebook keinen politischen Einfluss ausübt. Facebook trägt zur Veränderung der politischen Kultur bei. Es ist mehr und mehr zum Ort der politischen Debatte, zu einer politischen Arena geworden. Wie auch Twitter.

Vom Nichtwähler zum Wähler

Politisch umpolen lässt sich dadurch niemand; aber es wirkt auf all jene, die keine festen politischen Einstellungen und vor allem Wertvorstellungen haben. Durch Facebook kann aus einem Nicht-Wähler durchaus ein Wähler werden, und bei knappen Wahlen kann das Auswirkungen haben.

Doch funktioniert diese Beeinflussung wirklich nur durch Auswertung verschiedener Likes, die eine Person vorgenommen hat, und der daraus folgenden zielgerichteten Werbung? Kaum. Für Radikalisierungsprozesse braucht es mehr. Extreme Parteien wie die AfD sind bei Facebook, aber auch in anderen Netzwerken sehr aktiv. Das ist viel entscheidender. Denn sie machen Einstellungen sichtbar und in bestimmten Kreisen salonfähig.

Aus der Schmuddelecke wird ein feiner Platz

Facebook ist eben auch das Ende der Schweigespirale. Wer sich zu extremen Positionen hingezogen fühlt, verschweigt sie heute kaum mehr. Warum auch – etliche Facebook-Freunde verkünden ihre Ansichten doch auch. So wird aus einer Schmuddelecke ein feiner Platz. Plötzlich ist man im öffentlichen Diskurs nicht mehr allein mit seiner Meinung. Das bestärkt und motiviert wählen zu gehen.

Das kann man nun verteufeln – aber nicht Facebook anlasten. Es bietet umgekehrt allen die Chance, sich genau dort einzumischen. Was man Facebook anlasten kann: Die Timeline für Nutzer ist immer undurchschaubarer geworden. Die Filterblasengefahr ist bei Facebook deutlich größer als bei Twitter.

Dennoch ist Diskurs möglich. Dass sich jetzt viele damit brüsten, Facebook zu verweigern oder schon immer verweigert zu haben, ist viel gefährlicher als das Netzwerk selbst. Denn Demokratie lebt von der Kommunikation. Eine digitale Demokratie noch viel mehr.

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