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Ein Küstenschutzboot für Saudi-Arabien wird bei Sassnitz auf ein Transportschiff verladen.

© Stefan Sauer/dpa

Deutsche Rüstungsexporte: Heikle Ware, gute Geschäfte

Torpedos für Ägypten, Maschinengewehre für Oman, Hubschrauber für Saudi-Arabien: Die Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter erreichten 2016 den zweithöchsten Stand. Eine Analyse.

Offiziell hatte die Ministerin keine Zeit, den neuen Bericht aus ihrem Haus vorzustellen. Der Rüstungsexportbericht für das vergangene Jahr wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt. Dass Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) die neuen Zahlen nicht selbst vorstellte, habe „interne terminliche Gründe“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. In früheren Jahren hatte der jeweilige Wirtschaftsminister den neuen Rüstungsexportbericht in der Regel selbst präsentiert und sich den Fragen der Journalisten gestellt, Doch schon im vergangenen Jahr war das erstmals anders: Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich geäußert, als der Bericht noch gar nicht fertig war, und auf einen Auftritt am Tag der Veröffentlichung der neuen Zahlen verzichtet. Gabriel war mit dem Versprechen angetreten, die deutschen Waffenexporte deutlich zu beschränken – und musste im vergangenen Jahr einen Rekordwert verantworten.

Der neue Bericht sei „Ausdruck der verantwortungsvollen und restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Tatsächlich konnte das Ministerium einen Rückgang bei den Exportgenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr verkünden. Im Jahr 2016 wurden Genehmigungen im Wert von 6,85 Milliarden Euro erteilt, 2015 waren es noch 7,86 Milliarden Euro. Allerdings ist es immer noch der zweithöchste Wert überhaupt (siehe Grafik). Auch die Lieferung von Rüstungsgütern in Staaten, die weder der EU noch der Nato angehören oder Nato-Staaten gleichgestellt sind, erreichte im vergangenen Jahr den zweithöchsten Wert.

Kriegswaffen überwiegend für Staaten außerhalb von EU und Nato

„Anhand der Genehmigungszahlen lässt sich nicht beurteilen, ob die Rüstungsexportpolitik restriktiv ist oder nicht“, betonte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch. „Denn Rüstungsgüter umfassen nicht nur Waffen oder Panzer.“ In den Zahlen seien schließlich auch Minenräumgeräte, Funkgeräte oder gepanzerte Fahrzeuge zum Schutz von Personen berücksichtigt. Solche Geräte sind allerdings in der Statistik über die Kriegswaffen, zu denen Panzer ebenso zählen wie Gewehre, bereits herausgerechnet. Die Bundesregierung genehmigte im vergangenen Jahr den Export von Kriegswaffen im Wert von 1,88 Milliarden Euro. Davon war der größte Teil (1,39 Milliarden Euro) für sogenannte Drittländer bestimmt, die nicht der EU oder der Nato angehören. Auch in diesem Bereich war 2016 der zweithöchste Wert überhaupt zu verzeichnen. Von einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik kann demnach nicht die Rede sein.

Der Export von Kriegswaffen in Drittländer wird „nur ausnahmsweise genehmigt, wenn im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen Deutschlands für die Erteilung einer Genehmigung sprechen“, wie es im Rüstungsexportbericht heißt. Die Bundesregierung gab im vergangenen Jahr grünes Licht für die Lieferung einer Fregatte nach Algerien und eines U-Bootes nach Ägypten. Zu den erlaubten Empfängern von Kriegswaffen aus Deutschland zählten auch Singapur, Südkorea, Malaysia und die Golfstaaten Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Oman.

Saudi-Arabien erhielt Rüstungsgüter im Wert von 530 Millionen Euro

Die Golfstaaten gehören seit Jahren zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Allein Saudi-Arabien durfte 2016 in Deutschland Rüstungsgüter im Wert von fast 530 Millionen Euro bestellen, darunter Hubschrauber und Teile für Kampfflugzeuge. Damit steht das Land in der Liste der größten Empfänger auf Platz drei.

Auch beim Import deutscher Kleinwaffen ist die Golfregion stark vertreten: An der Spitze steht der kleine Staat Oman, der Kleinwaffen im Wert von 6,85 Millionen Euro aus Deutschland erhalten durfte, darunter 660 Maschinengewehre. In die Vereinigten Arabischen Emirate sollten 565 Maschinenpistolen gehen. In den Irak konnten 4000 Gewehre geliefert werden, offenbar an die kurdische Regionalregierung.

Insgesamt stieg der Gesamtwert der für den Export in Drittländer freigegebenen Kleinwaffen von 14,5 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 16,4 Millionen Euro. Der Wert ist aber immer noch deutlich niedriger als in den Jahren zuvor. Ein ganz anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn man die für Drittländer bestimmte Munition für Kleinwaffen mitrechnet: Die Bundesregierung genehmigte hier 2016 den Export von Munition im Wert von 17,6 Millionen Euro, mehr als viermal so viel wie im Vorjahr. Auch hier sind die Golfstaaten stark vertreten: Kuwait erhielt 1,2 Millionen Stück Gewehrmunition, das kleine Brunei bestellte 900000 Stück Munition für Maschinenpistolen. Auch die Emirate und Oman deckten sich in Deutschland mit Patronen ein.

Auch 2017 keine Trendwende erkennbar

Eine Trendwende bei den Rüstungsexporten ist nicht erkennbar: Von Januar bis April dieses Jahres erteilte die Bundesregierung Genehmigungen im Wert von 2,42 Milliarden Euro, davon 1,3 Milliarden Euro für Exporte in Länder, die weder EU noch Nato angehören. So kann Algerien eine weitere Fregatte und Ägypten neue Torpedos erhalten. Die Vereinigten Arabischen Emirate bestellten Panzerhaubitzen und ein Gefechtstrainingszentrum. Auch Singapur und Südkorea zählen wieder zu den wichtigsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Saudi-Arabien steht ebenfalls erneut auf der Liste der zehn größten Empfängerländer. Die Bundesregierung genehmigte in diesem Jahr die Lieferung von Patrouillenbooten.

Aus der Opposition kam scharfe Kritik an der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. „Obwohl Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate einen brutalen Krieg im Jemen führen, der bereits Tausende das Leben gekostet hat, können beide Staaten immer noch auf die Zulieferungen aus Deutschland vertrauen“, sagte der außenpolitische Sprecher der Linken, Jan van Aken. Ein Land wie Saudi-Arabien dürfe keine Waffen aus Deutschland mehr bekommen. Auch die Grünen forderten eine „echte Kehrtwende“ bei den Rüstungsexporten.

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