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Die Europa-Spitzenkandidatin der französischen Regierungspartei LRM, Nathalie Loiseau.

© Joel Saget/AFP

"En Marche gegen Merkel": Macrons Frau für Europa wirft Kanzlerin Mutlosigkeit vor

Merkel und Macron gehen bei der Europawahl getrennte Wege. In Frankreich nutzt die Regierungspartei dies zu Verbalattacken auf die Kanzlerin.

Für den kommenden Montag haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron gemeinsam im Kanzleramt zu einem Gipfel für die Westbalkan-Staaten eingeladen. Die gemeinsamen Eröffnungs-Statements der Kanzlerin und des Präsidenten, die zu Beginn des Gipfels vorgesehen sind, vermitteln wieder einmal den Eindruck deutsch-französischer Eintracht. Allerdings mobilisiert Macrons Partei „La République en Marche“ (LRM) zunehmend gegen die Kanzlerin. Den Grund dafür liefert die Europawahl in gut vier Wochen.

Die französische LRM-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nathalie Loiseau, lässt in jüngster Zeit kaum eine Gelegenheit aus, um nach allen Seiten in der EU auszuteilen. Erst erklärte die 54-Jährige, sie wolle nicht länger zusehen, dass Autobahnen mit EU-Fördergeldern in der Slowakei gebaut werden. Dann prangerte sie die Haltung der Bundesregierung mit Blick auf die Handelsgespräche zwischen Brüssel und Washington an. Mit den Handelsgesprächen will Merkel die drohenden US-Sonderzölle auf Autoimporte vom Tisch bekommen. Der EU-Beschluss zur Wiederaufnahme der Gespräche wurde gegen den Widerstand Frankreichs gefasst. Zwar ist Freihandelskritik in Frankreich grundsätzlich eher en vogue als in Deutschland. Überraschend war allerdings die Wortwahl, mit der die frühere Europaministerin Loiseau mit der Kanzlerin unmittelbar vor dem entscheidenden EU-Beschluss ins Gericht ging. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP erklärte sie vor Vertretern kleiner und mittlerer Unternehmen: „Es gibt einige europäische Führungspersönlichkeiten, die bald aus dem politischen Leben ausscheiden werden. Dies führt zu Vorsicht, das ruft keinen Wagemut hervor.“ Es war klar, dass die Bemerkung auf die deutsche Kanzlerin zielte.

"En Marche" möchte eigene Fraktion in Straßburg bilden

Der ruppige Ton von Macrons EU-Kandidatin hängt damit zusammen, dass Frankreichs Staatschef und die Kanzlerin parteipolitisch bei der Europawahl getrennte Wege gehen. Macrons Präsidentenpartei LRM rechnet damit, nach der Europawahl etwa zwei Dutzend Abgeordnete ins Europaparlament zu schicken, wo insgesamt voraussichtlich 751 Parlamentarier Platz nehmen werden. Unklar ist, ob die LRM-Vertreter gemeinsam mit Parlamentariern aus anderen Ländern anschließend eine eigene Fraktion bilden oder sich der liberalen Alde-Fraktion anschließen werden. Die CDU/CSU gehört hingegen zu den treibenden Kräften innerhalb der konservativen EVP-Fraktion im Straßburger Parlament.

Merkel unterstützt den Spitzenkandidaten Weber, Macron nicht

Hinzu kommt, dass Merkel und Macron auch unterschiedliche Auffassungen haben, wenn es um das Verfahren bei der Nachfolge des amtierenden EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker geht, das sich an die Europawahl anschließt. Merkel unterstützt die Spitzenkandidatur von CSU-Vize Manfred Weber, der Juncker gerne beerben möchte. Macron hält hingegen von dem ganzen Spitzenkandidaten-Procedere nichts, das erstmals bei der letzten Europawahl 2014 zum Tragen kam. Macron könnte sich nach der Europawahl darauf berufen, dass die Staats- und Regierungschefs bei der Benennung der Juncker-Nachfolge ein Vorschlagsrecht haben.

Zuletzt waren die europapolitischen Differenzen zwischen Merkel und Macron sichtbar geworden, als es beim letzten EU-Gipfel Anfang des Monats um die Verlängerung der Brexit-Frist ging. Frankreichs Staatschef wollte eine möglichst kurze Fristverlängerung, um den Entscheidungsdruck auf die Briten möglichst aufrecht zu erhalten. Merkel plädierte für einen großzügigeren Aufschub. Heraus kam ein Kompromiss, dem zufolge die Brexit-Frist bis Ende Oktober verlängert wird. Allerdings wird nicht ausgeschlossen, dass die EU den Briten einen weiteren Aufschub gewährt, falls sich die innenpolitische Situation in London sich bis zum Herbst immer noch nicht geklärt haben sollte.

Parlamentspräsident Ferrand gibt AKK den Spitznamen "Madame Nein"

Bereits vor dem EU-Gipfel hatte ein Zeitungsbeitrag der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für Verstimmungen zwischen Deutschland und Frankreich gesorgt. In dem Beitrag hatte Kramp-Karrenbauer unter anderem gefordert, dass Frankreich Straßburg als Sitz für die Plenarsitzungen des Europaparlaments zu Gunsten von Brüssel aufgeben solle. Mit anderen Forderungen, etwa der Schaffung einer gemeinsamen Grenzpolizei an den Außengrenzen der EU, zeigte sich die CDU-Chefin indes auf einer Linie mit Macron. Das hielt aber den französischen Parlamentspräsidenten Richard Ferrand, der zu den führenden Vertretern der LRM-Mehrheit gehört, nicht von einer deutlichen Schelte an die Adresse Berlins ab: Nach Angaben der Zeitung „Le Monde“ hat Ferrand der CDU-Chefin inzwischen den Spitznamen „Madame Nein“ gegeben.

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