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Migranten auf hoher See. Sie warten auf Hilfe. Foto: AP/dpa/Francisco Seco

© dpa

Begrenzte Solidarität: EU bei Asyl und Migration uneinig

Seit Jahren sucht die EU nach einer einheitlichen Migrations- und Asylpolitik - mit wenig Erfolg. Jetzt spitzt sich der Streit erneut zu.

Die Warnungen verhallen bisher meist ungehört. Zuletzt hat Nina Gregori eine bessere Vorbereitung auf Flüchtlingskrisen in Europa angemahnt. Die Leiterin der EU-Asylagentur EUAA erklärte, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und die russische Invasion in der Ukraine hätten gezeigt, wie schnell sich Migrations- und Asylmuster ändern könnten.

Sie fordert, dass sich die Staaten der EU endlich auf eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik einigen. Doch davon sind diese weit entfernt.

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Selbst kleine Einigungen werden daher als Erfolge präsentiert. So sprach Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese von einem „historischen Schritt“, als nun in Bari eine EU-Delegation eintraf, um den Transfer einer ersten Gruppe von Migranten nach Frankreich vorzubereiten. Sie erklärte, dass erstmals das von Italien seit Jahren eingeforderte Solidaritätsprinzip der EU von einer „sehr großen Zahl von Mitgliedstaaten“ mitgetragen werde.

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Die Südländer sollen entlastet werden

Das ist jedoch eine sehr optimistische Darstellung des sogenannten freiwilligen Solidaritätsmechanismus, auf den sich 21 EU-Staaten im Juni geeinigt haben. Der Vertrag soll vor allem die südlichen Länder Italien, Spanien, Malta, Griechenland und Zypern entlasten, wo sehr viele Flüchtlinge ankommen. Allerdings haben sich nur 13 der 21 Länder bereiterklärt, Migranten tatsächlich aufzunehmen. Sie haben Zusagen für insgesamt gut 8000 Menschen gemacht, Deutschland übernimmt davon 3500.

Die anderen Staaten unterstützen den Solidaritätsmechanismus lediglich mit Geld und Personal. Es gibt aber auch weiter Länder wie Ungarn oder Österreich, die sich strikt gegen eine Umverteilung der Flüchtlinge wehren.

Aber auch Menschenrechtsorganisationen sind von der Idee nicht überzeugt. Allein in Italien sind nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR in diesem Jahr bereits mehr als 35.000 Menschen angekommen. Auf der zentralen Mittelmeerroute registrierte die Grenzschutzagentur Frontex 44 Prozent mehr Grenzübertritte als in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres.

Die Vereinten Nationen zählten in diesem Jahr bereits fast 1000 Tote oder Vermisste im zentralen Mittelmeer. „Dieser Solidaritätsmechanismus ist daher ein kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Stein“, sagt Torsten Moritz, Generalsekretär der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa.

Hilfsorganisationen fürchten noch mehr Elend

Kritisiert wird allerdings auch ein zweiter, zentraler Punkt des Solidaritätsmechanismus: die Screening-Verordnung. Die sieht vor, dass alle Personen, die die Voraussetzungen für die Einreise nicht erfüllen, an den Außengrenzen Identifizierungs- und Sicherheitskontrollen durchlaufen sowie Gesundheitskontrollen und Prüfungen der Schutzbedürftigkeit.

Hilfsorganisationen beschreiben die Zustände an den Außengrenzen schon jetzt als erbärmlich und fürchten nun, dass sich mit der Screening-Verordnung die Lage verschärfen wird. Aus diesem Grund sei der Solidaritätsmechanismus eine Augenwischerei, kritisieren Menschenrechtler, in Wirklichkeit sei er ein weiterer Schritt in Richtung Abschottung der EU.

Wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Entwicklung in Sachen Europas Migrationspolitik wird der Ausgang der Wahlen in Italien haben. Dort scheint ein Sieg von drei Parteien der Mitte-rechts-Allianz sehr wahrscheinlich. Im immer heftiger tobenden Wahlkampf ist Migration ein wichtiges Thema.

Die italienische Wahlfavoritin Meloni wünscht eine Seeblockade

Der Wille der Wahlfavoritin Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia: eine Seeblockade schon vor den Küsten Nordafrikas, Camps für die Geflüchteten, frühzeitiges Aussortieren der Nicht-Asylberechtigten. In ihren Plänen spielen auch die libyschen Sicherheitskräfte eine wichtige Rolle, die beim „Schutz der europäischen Grenzen mithelfen“ könnten.

Sie scheint es auch nicht zu stören, dass Libyen bei den Flüchtlingsbewegungen seit Jahren eine mehr als zwielichtige Rolle spielt. Immer wieder werden Aussagen von schweren Misshandlungen der Migranten durch Sicherheitskräfte veröffentlicht. Nun machen Berichte die Runde, dass Flüchtlinge gezielt eingesetzt werden, um die Grenzen zu destabilisieren – ähnlich der Vorgänge im Winter an der polnisch-belarussischen Grenze. Damals wurde das Leid der Menschen vom Regime in Minsk, offensichtlich unterstützt vom Kreml in Moskau, als eine Art „Waffe“ instrumentalisiert.

Die italienische Zeitung „La Repubblica“ berichtete, dass nach Einschätzung der Geheimdienste die Söldner der russischen Wagner-Gruppe und die verbündeten Milizen von General Haftar in Libyen sehr viele Migranten zu den Überfahrten drängen, als indirekte Wahlhilfe für die postfaschistische Giorgia Meloni.

Dieser Analyse widerspricht aber EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. „Nein, wir haben keine wirklichen Anzeichen dafür, dass er (Putin) eine hybride Drohung gegen die EU einsetzen wird“, sagte die Schwedin kürzlich. Zugleich traue sie Putin jedoch keine Sekunde. Er wolle nicht nur die Ukraine zerstören, sondern auch die EU destabilisieren. Europa müsse aus diesem Grund „äußerst wachsam“ bleiben.

Knut Krohn

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