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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erinnern nahe der Stadt Compiègne an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.

© Kay Nietfeld/dpa

Gedenken an das Ende des 1. Weltkriegs: Merkel und Macron in bewegender Zeremonie

Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident erinnern gemeinsam an das Ende des Ersten Weltkriegs – und erzeugen Bilder für die Ewigkeit.

Es ist nasskalt an diesem Samstagnachmittag im November in dem Waldstück bei Compiègne 80 Kilometer nördlich von Paris. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel stehen mitten auf einer eingehegten, kreisrunden Lichtung vor einer riesigen Steinplatte mit der französischen Inschrift: „Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecherische Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völkern, die zu unterjochen es beansprucht hatte.“

Merkel und Macron legen nun zwei neue, wesentliche kleinere Tafeln davor, weniger martialisch, weniger Pathos, die gewachsene Partnerschaft bekräftigend. Auf der einen Tafel auf Deutsch auf der anderen auf Französisch steht da: „Anlässlich des 100. Jahrestages des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 haben der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens bekräftigt.“

Anschließend gehen sie ins wenige Meter entfernte Museum mit einem Nachbau des Waggons, in dem am 11. November 1918 der Waffenstillstand mit Deutschland unterzeichnet und die deutsche Niederlage besiegelt wurde. Merkel und Macron setzten sich im Waggon bewusst an die Stirnseite. Die Verhandler von 1918 und auch von 1940, das ist auf historischen Bildern zu sehen, saßen jeweils auf den Längsseiten. Beide trugen sich in ein Buch ein und dann griff Macron doch noch nach ihrer Hand.

Angela Merkel und Emmanuel Macron im Wagen von Compiègne
Angela Merkel und Emmanuel Macron im Wagen von Compiègne

© REUTERS/Philippe Wojazer

Es gab in den vergangenen 150 Jahren immer wieder Demütigungen gerade an jenen Plätzen, an denen Niederlagen der jeweils anderen Seite besiegelt wurden. So die Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs 1871 in Versailles und wiederum der Friedensvertrag von Versailles 1919.

Und in eben jenem ehemaligen Speisewagen, in dem 1918 der Waffenstillstand unterschrieben wurde und der - für die Revanche - im Juni 1940 von Adolf Hitler wieder aus dem Museum geholt wurde, um dort erneut einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, dieses Mal mit umgekehrten Vorzeichen.

Frankreichs Präsident hat also eine symbolträchtige Stätte ausgewählt, an der er mit der deutschen Kanzlerin das Ende des - besonders für die Franzosen traumatischen - Ersten Weltkrieges begeht. Es ist kein übertrieben pathetisches Gedenken. Die vielen Schulkinder, die gekommen sind, feiern ihren Präsidenten und nehmen der Veranstaltung so eine gute Portion Ernst.

Erinnerung an Kohl und Mitterand

Trotzdem fühlt man sich an diesem geschichtsträchtigen Ort - 100 Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches - an andere deutsch-französische Aussöhnungsgesten erinnert. Etwa an den Handschlag von Helmut Kohl und François Mitterrand über den Gräbern von Verdun im Jahr 1984.

Hier stehen sie wieder als Partner, als „Merkron“, nachdem sie in den vergangenen Monaten seit dem Vorstoß Macrons für eine EU-Reform mehr und mehr auseinander getriftet waren. Macron wurde zusehends ungeduldiger, zumal in Frankreich nach der ersten Euphorie die Widerstände gegen seine Reformen wuchsen.

Merkel ihrerseits hatte während der schwierigen Regierungsbildung in Deutschland keine Zeit und wohl auch keinen Nerv, sich mit den Vorschlägen intensiver auseinanderzusetzen. Und die Vorstellungen des jungen Präsidenten von einem gemeinsamen Eurozonenhaushalt schmeckte ihr aus Angst vor einer Vergemeinschaftung der Schulden ohnehin nicht.

Ob Merkel in der neuen Situation als Nur-Kanzlerin noch die Kraft besitzt, adäquat auf Macron zu reagieren, ist offen. Nicht umsonst mahnt der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff, das Gedenken zu nutzen, um der deutsch-französischen Partnerschaft einen neuen, so wichtigen Impuls zu geben.

Immerhin: Freundliche Signale kommen von Merkels drei potenziellen Nachfolgern im CDU-Vorsitz. Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer geben sich als überzeugte Europäer. Ob alle drei allerdings mit Merkel weiter zusammenarbeiten wollen, ist fraglich. Die, der es noch am ehesten nachgesagt wird, Kramp-Karrenbauer, sagte beim Auftakt ihrer Vorstellungsrunden, Macron braucht endlich eine Antwort.

Mit der Ankunft von US-Präsident Donald Trump zu den Gedenkfeierlichkeiten in Paris wurden wieder diese Spannungen spürbar, die es zwischen ihm auf der einen Seite und Merkel und Macron auf der andern gibt. Ein Grund mehr, dass sich Frankreich und Deutschland beeilen, das zerstrittene Europa zusammenzuhalten. Denn 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges nehmen Nationalismus und Populismus wieder bedrohlich zu. Trump selbst bezeichnete sich jüngst als Nationalisten und macht den Nationalismus damit wieder hoffähig.

An diesem Sonntag hält die als ausgleichend geltende Kanzlerin die Eröffnungsrede auf einem Friedensforum. Dieses Format der Veranstaltung soll fortgeführt werden, sagt Macron. (dpa)

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