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Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift "Schließt euch uns an" in ihren Händen.

© Bob Edme/dpa

"Gelbwesten"-Protest: Panik in Frankreichs Präsidentenpalast

Frankreichs Regierung kommt den "Gelbwesten" entgegen. Doch auch für den kommenden Samstag werden gewaltsame Proteste in Paris befürchtet.

Vor einem Millionenpublikum diskutierte am Mittwochabend Frankreichs Umweltminister François de Rugy mit Vertretern der „Gelbwesten“-Bewegung in einem Pariser Fernsehstudio, als die politische Bombe platzte. De Rugy, der sich gemeinsam mit der Gleichstellungs-Staatssekretärin Marlène Schiappa den Demonstranten stellte, erklärte den überraschten Zuschauern, dass er gerade mit Staatschef Emmanuel Macron telefoniert habe.

Und nun könne er Folgendes mitteilen, sagte der Minister: Die geplante Erhöhung der Ökosteuer soll für das gesamte Jahr 2019 ausgesetzt werden. Die Ankündigung zeigt vor allen eines: In der Regierung wird die Panik angesichts der seit drei Wochen andauernden Demonstrationen der „Gelbwesten“ immer größer. Nach den Protesten vom vergangenen Wochenende in Paris will Macron nun alles daran setzen, um eine Wiederholung der Gewaltexzesse am kommenden Samstag in der Hauptstadt zu verhindern.

Mit der Ankündigung vom Mittwochabend kommt Macron den „Gelbwesten“ („gilets jaunes“) einen weiteren Schritt entgegen. Allerdings gab es in der Protestbewegung keine Signale des Einlenkens. Auch am Donnerstag waren die Männer und Frauen in den gelben Warnwesten an zahlreichen Verkehrskreiseln landesweit präsent.

Mit einem massiven Aufgebot von Einsatzkräften will die Regierung am kommenden Samstag neuerliche Krawalle verhindern. Der Sender „Franceinfo“ berichtete unter Berufung auf das Präsidialamt, dass ein „gewaltbereiter Kern von mehreren Tausend Personen“ am kommenden Wochenende nach Paris kommen wolle, „um Zerstörung anzurichten und zu töten“. Der Lkw-Fahrer Eric Drouet, der zu den Wortführern der „gilets jaunes“ gehört, rief während der Fernsehdiskussion mit Umweltminister de Rugy dazu auf, am Samstag in Paris den Elysée-Palast, den Amtssitz Macrons, zu stürmen. Zusätzlich aufgeheizt wurde die Stimmung durch ein im Internet kursierendes Video. Es zeigt Polizisten der Spezialeinheit CRS, die am vergangenen Wochenende in Paris auf „Gelbwesten“-Demonstranten einprügelten.

Ein Dialog der Regierung mit den Vertretern der Protestbewegung gestaltet sich weiterhin schwierig, weit sich deren mittlerweile vorgebrachten Forderungen kaum mehr eingrenzen lassen. Sie reichen von der Wiedereinführung Vermögensteuer, die von Macron abgeschafft worden war, über eine weit reichende Konsultation der Bevölkerung in Steuerfragen bis zur Einführung des Verhältniswahlrechts. Zudem fehlen der Bewegung Köpfe, die von der Basis der „gilets jaunes“ akzeptiert werden. In der Zeitung „Journal de Dimanche“ hatten gemäßigte Vertreter der Bewegung der Gewalt eine Absage erteilt – mit dem Ergebnis, dass sie anschließend Todesdrohungen aus den eigenen Reihen erhielten.

Todesdrohungen gegen "Gelbwesten"-Vertreter aus den eigenen Reihen

Mit der Aussetzung der Ökosteuer für ein ganzes Jahr widersprach Macron unterdessen seinem Premierminister Edouard Philippe, der zu Beginn der Woche noch eine sechsmonatige Aussetzung der Steuererhöhungen auf Diesel und Benzin verkündet hatte. In einigen Medienberichten war von einem Zerwürfnis zwischen dem Präsidenten und seinem Premierminister die Rede. Philippe gehört zu den wenigen politischen Schwergewichten im Umfeld Macrons. Viele der Polit-Neulinge, die mit dem Wahlsieg der Präsidentenpartei „La République en Marche“ im vergangenen Jahr in die Nationalversammlung einzogen, machen hingegen den Eindruck, angesichts der landesweiten Proteste überfordert zu sein.

Gleichzeitig wittern die bei der Präsidentschaftswahl von 2017 enorm geschwächten Parteien jetzt die Chance, die politischen Kräfteverhältnisse im Land wieder in ihrem Sinne zurechtzurücken. Einen Misstrauensantrag, den die Sozialisten, die Linkspartei „Unbeugsames Frankreich“ und die Kommunisten am kommenden Montag in der Nationalversammlung stellt für Macron indes kein Problem dar, weil den drei Parteien eine Mehrheit im Parlament fehlt. Viel gefährlicher ist für den Staatschef der Umstand, dass die Radikalisierung der „Gelbwesten“ bislang nichts an deren Rückhalt in der Bevölkerung ändert: Noch immer unterstützen 72 Prozent der Franzosen die Protestbewegung.

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