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Sie hat eine ganze Generation mobilisiert: Greta Thunberg am Donnerstag in Washington D.C.

© Alex Wong/Getty Images/AFP

Greta Thunberg und „Fridays for Future“: Klimaschutz? Wir schaffen das!

Widerstand gegen Klimaschutz speist sich aus Verweigerung. Aber es ist falsch, gegenüber den Verweigerern hochmütig aufzutreten. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Klimakrise kennt kein Ende. Egal, was die Bundesregierung an diesem Freitag präsentiert – es wird zu mager sein. Egal, wie viele Menschen sich an den Protesten von „Fridays for Future“ beteiligen – es werden zu wenige sein. Egal, was der UN-Klimagipfel in der kommenden Woche beschließt – es wird die Erderwärmung nicht aufhalten.

Alle Maßnahmen scheinen angesichts des Ausmaßes der drohenden Katastrophe ungenügend zu sein. Wer auf dieses Ausmaß fixiert ist, kann resignieren oder zynisch werden, zumal es unmöglich ist, selber klimaneutral zu leben. Wer lebt, ist automatisch ein Teil der verhängnisvollen Spirale. Er macht sich schuldig, ob er will oder nicht. Aus dieser Einsicht folgen vier Tugenden: Bescheidenheit, Geduld, Toleranz und Zuversicht.

Bescheidenheit. Greta Thunberg hat eine ganze Generation mobilisiert. Sie erträgt den Spott ihrer Gegner und die Ignoranz der Bequemen. Immer mehr Menschen begreifen, was sie vorher nur gewusst hatten: Die Bekämpfung des Klimawandels ist ein Jahrhundertprojekt. Da ist jeder Beitrag, und sei er noch so klein, willkommen. Die Empörung über das Versäumte und die Freude über das Erreichte sollten sich die Waage halten.

Die Bekämpfung des Klimawandels ist ein Jahrhundertprojekt

Geduld. Der Klimawandel betrifft nicht nur die ganze Welt, er wird auch von ihr verursacht. Wer erfahren hat, wie schwierig es ist, Verhaltensänderungen bei seinem Nachbarn zu bewirken, der ahnt, wie mühsam es ist, entsprechende Regeln auf nationaler Ebene durchzusetzen. Wer dann noch die Traditionen und Interessen von 200 souveränen Staaten kennt, von denen einige bloß bitterarm und andere sowohl reich als auch umwelttechnologisch sehr weit fortgeschritten sind, der entwickelt ein Gefühl für die Komplexität der Aufgabe. Nach dem Klimagipfel muss stets vor dem Klimagipfel sein. Zeiten des Ausruhens gibt es nicht.

Toleranz. Mit dem Klimaschutz verhält es sich wie mit der Frauenemanzipation und der Ehe für alle: Intellektuell ist die Schlacht geschlagen. Die Sachlage ist klar, es hapert bei der Umsetzung. Der Restwiderstand speist sich nicht aus besseren Argumenten, sondern aus Verweigerung. Daraus aber das Recht abzuleiten, nun seinerseits gegenüber den Verweigerern hochmütig auftreten zu dürfen, wäre verkehrt. Die Kunst besteht darin, das Richtige zu befördern, ohne auf die herabzublicken, die es nicht wahrhaben wollen – oder können. Der Kampf gegen die Erderwärmung darf gern leidenschaftlich, er sollte nie verletzend sein.

Zuversicht. Die Apokalypse war schon oft. Bei der „Überbevölkerung“, der Atomrüstung, den Terroranschlägen vom 11. September 2001, der globalen Finanzkrise. Im Bereich der Ökologie war ein gewisses Maß an Alarmismus sogar berechtigt. Die Dramatik im Ton brach mitunter die Trägheit des Denkens auf. Doch wenn Sprache vor allem auf Wirkung bedacht ist, gerät sie in Gefahr, ihren realitätsabbildenden Anspruch zu verlieren.

Protest muss weh tun, heißt es

Der Klimawandel ist real, seine Folgen sind bedrohlich. Aber es gibt auch einen Imperativ der Zuversicht. „Wir schaffen das“, hat Angela Merkel im Flüchtlingsherbst 2015 gesagt. Damit behält sie, trotz Einschränkungen, skeptischer Stimmen und erbosten Protestes, offenbar Recht. In der Klimaschutzpolitik gilt dasselbe Motto. Wir schaffen das.

Und wie schaffen wir das? Protest muss weh tun, heißt es. Blockaden werden angekündigt, Brücken und Flughäfen könnten lahmgelegt werden. Einige Klimaschutzaktivisten berufen sich auf eine Art Notstand und nehmen Widerstandsrechte in Anspruch. Das ist gefährlich. In einer Demokratie sollten Gesetzesübertretungen von keiner politischen Bewegung als legitim propagiert werden.

Der Einsatz für den Klimaschutz erfordert Reife und Ausdauer. Er eignet sich weder für Polit-Klamauk noch für Mitläufertum. Wenn Greta Thunberg und „Fridays for Future“ das verstehen, hätten sie mehr verdient als den Friedensnobelpreis. Sie hätten verdient, dass die Mächtigen dieser Erde sich ebenso wandeln wie der Zustand der Welt.

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