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Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutierte mit "Handelsblatt"-Herausgeber Gabor Steingart.

© Reuters

Kanzlerin beim "Handelsblatt": Merkels Wahlkampf: Nur die Ruhe

Ihr Ton verdeckt manch harte Botschaft. Ein präsidialer Wahlkampfauftritt der Kanzlerin.

Es ist diese Ruhe, diese Gelassenheit in außenpolitischer Hinsicht, die der junge Mann an der Bundeskanzlerin schätzt. Und das sagt er – der sich selbst „einen Vertreter der Generation Merkel“ nennt –, noch bevor sie aufgetreten ist. Nachher, nach 60 Minuten im Gespräch mit "Handelsblatt"-Herausgeber Gabor Steingart, werden ihm die meisten der 450 Zuhörer an diesem Tag im Berliner Westhafen-Congress-Centrum zustimmen. Hier hat Angela Merkel, 32 Tage vor der Wahl, die absolute Mehrheit für sich gewonnen.

Maß und Mitte, Anstand, Amtsführung ohne Anmaßung, das sind Begriffe, in die Steingart zuvor seinen Respekt für Merkels zwölf Jahre fasst. Nicht als Lob, sondern als Feststellung, wie er betont. Dabei war es Merkel zu Beginn 2005, nach dem knappen Sieg über die SPD mit Gerhard Schröder, schon "mulmig", wie sie freimütig bekennt, ob sie der Aufgabe wohl gewachsen sein würde. Ausgerechnet ein Sozialdemokrat – und auch noch der, mit dem Schröder immer befreundet sein wollte, Franz Müntefering – habe sie allerdings beruhigt: "Wird schon."

Ihre Wirkung ist präsidial

Und wie es geworden ist. Heute erheben sich die Damen und Herren der Geschäfts- und Bankenwelt ganz selbstverständlich, wenn die Kanzlerin nur den Raum betritt. Ein wenig wie bei einem Präsidenten. Und präsidial ist ihre Wirkung. Was nicht zuletzt an ihrer Art liegt, die Dinge zu sagen. Untertourig im Ton kommt es daher – und hallt dann nach. Wenn Merkel zum Beispiel auf die Frage, ob bei einem Nordkorea-Konflikt Deutschland automatisch an der Seite der USA stehen würde, ihre Antwort einbettet in ein Lob der Suche nach friedlichen Lösungen – und dann sagt: "Nein, nicht automatisch." Militär sei immer "Ultima Ratio". Das hat eine Qualität wie weiland bei Schröder zum Irak. Nur nicht so kraftmeiernd.

Ja, die USA unter Donald Trump sind auch in dieser Stunde gegenwärtig. Wieder ist es Merkel, die gelassen einordnet. Sie weist darauf hin, dass und wie Trump demokratisch gewählt worden ist; und dass seine Wahl "Ausdruck eines verunsicherten Landes" und "kein Zufall" sei. Worte, ruhig gesagt, aber nicht zu überhören: "Ein Amerika, das sich um nichts in der Welt kümmert, sondern nur um sich selbst, wird kein großes und kein großartiges Amerika sein." Denn das ist ihre Vorstellung von Globalisierung: Da bezieht Europa seine Bedeutung allein schon aus der Tatsache, dass 80 Millionen Deutsche für Chinesen und Inder "nicht per se wichtig" seien.

Die Kanzlerin ironisiert sich dann selbst

Bei so viel Ruhe fällt ein Satz wie "Ich bin sauer" aus dem Rahmen. Die Kanzlerin ironisiert sich aber selbst dabei: "Diesen emotionalen Höhepunkt habe ich mir geleistet", sagt sie im Blick auf ihr Urteil über die Auto-Vorstände, den Dieselskandal und die Vertrauenskrise der Branche in diesen Tagen. Ihr Fazit ist dann aber wieder ganz merkelsch: Für die Vorstände sei "noch einiges zu tun".

Das gilt auch für sie. Noch 31 Tage bis zur Wahl.

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