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Tradition trifft Moderne. Vor allem in der katarischen Hauptstadt Doha schickt sich das Herrscherhaus an, das Land zu öffnen.

© Kamran Jebreili/dpa

Katar: Was am Vorwurf der Terrorhilfe dran ist

Einige Golfstaaten brechen den Kontakt zum Nachbarn Katar ab. Der Vorwurf: Das Emirat unterstützt Terroristen. Wer sponsert den islamistischen Extremismus? Eine Analyse.

Nach außen präsentiert sich Katar gerne als ein moderner arabischer Staat. Zumal einer, der sich der Welt öffnet. Zig Millionen sind in den vergangenen Jahren zum Beispiel für imposante Museen ausgegeben worden. Und das kleine Emirat am Persischen Golf hat sich die Austragung der Fußball-WM 2022 gesichert. Von derartigen Großprojekten verspricht sich die Herrscherfamilie Al Thani Prestige für sich und ihr Land.

Es geht darum, den Ruf aufzupolieren. Das kommt nicht von ungefähr. Kritiker weisen seit Langem auf die dunklen Seiten Katars hin. In der Tat ist das Emirat ein autokratisches Regime. Menschenrechte zählen dort wenig. Und: Der reiche Mini-Staat steht im Verdacht, islamistische Terrorgruppen zu unterstützen.

Diesen Vorwurf erheben jetzt auch die Nachbarn am Golf. Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Jemen haben überraschend die diplomatischen Beziehungen zu Katar komplett abgebrochen. Libyen und Ägypten sind diesem Schritt gefolgt.

All diese Länder beschuldigen die Regierenden in Doha, extremistische Organisationen wie die Muslimbruderschaft, die Hamas als deren Ableger, den „Islamischen Staat“ (IS) sowie Al Qaida unter die Arme zu greifen – mit sehr viel Geld und Wohlwollen. Katar soll nicht zuletzt in engem Kontakt zum schiitischen Iran stehen – vor allem aus Sicht des saudischen Königshauses ein Affront. Die dortige Monarchie gilt als Erzfeind Teherans und betrachtet die Islamische Republik als Rivalen im Ringen um die Vormachtstellung in der Region.

Was ist an den Vorwürfen dran?

Gänzlich neu sind die Beschuldigungen nicht. Auch nicht, dass Katar diese vehement als Verleumdung und „Fake News“ zurückweist. Dass Saudi-Arabien an vorderster Front aber gerade jetzt den Nachbarn frontal angeht, hat wohl einen einfachen Grund. Donald Trumps Besuch wird vom Königshaus als demonstrative Rückendeckung gewertet: Riad soll mehr als bisher als Ordnungsmacht in Erscheinung treten – und im Sinn der amerikanischen Administration, wenn nötig, hart durchgreifen. Das gilt für den Kampf gegen den islamistischen Terror ebenso wie für die Konfrontation mit dem Iran.

Trotz dieser politischen Ausgangslage sind sich Experten weitgehend einig, dass Katar zu den Großsponsoren des militanten Islamismus gehört. Mehr noch. Das Emirat soll Terroristen Unterschlupf gewähren. Und: Es fehle ihm an Willen, gegen Terrorfinanziers vorzugehen. Wer in Katar untertauche, habe nichts zu befürchten.

Das sieht die Führungsriege der Palästinenserorganisation Hamas offenbar auch so. Viele namhafte Funktionäre der Islamisten leben in Doha. Katar gehört ohnehin zu den zentralen Geldgebern der Hamas. In den Gazastreifen, wo die religiösen Eiferer und Israel-Hasser seit zehn Jahren mit harter Hand regieren, wurden in den vergangenen Jahren viele Millionen US-Dollar investiert. Kaum ein Projekt, das ohne katarisches Geld auskommt. Das trägt mindestens indirekt zur Stabilität der Hamas-Machthaber bei.

Es gilt ebenfalls als offenes Geheimnis, dass aus Katar erhebliche finanzielle Mittel an die radikalsten Gegner von Präsident Baschar al Assad fließen. Private Finanziers vom Golf sollen sich dabei besonders großzügig zeigen. Oft erfolgen die Zahlungen verdeckt über Stiftungen. Ermittler des US-Finanzministeriums gehen zudem davon aus, dass der IS und die Terrorkonkurrenz Al Qaida sich über erhebliche Zuwendungen freuen – mit stiller Duldung der katarischen Führung.

Wer gilt in der arabisch-muslimischen Welt ebenfalls als Terrorunterstützer?

Saudi-Arabien gehört im Fall von Katar zu den Hauptanklägern. Doch Riads rigides Vorgehen gilt zumindest als wohlfeil. Zwar haben die Herrscher längst erkannt, dass die Islamisten auch für sie eine ernsthafte Bedrohung sind – der IS hat der Monarchie vor einem Jahr den Krieg erklärt, die meisten Anschläge gelten der schiitischen Minderheit im Land. Auch in Syrien kämpfen die Saudis an der Seite der USA gegen die Dschihadisten.

Offenkundig ist aber eben auch, dass Saudi-Arabien Teil des Problems ist. Das Königsreich fußt mit dem Wahhabismus auf einer rigiden Interpretation des Islam, die dem IS als Grundlage seiner Ideologie dient. Und dieser Wahhabismus wird von Riad über Prediger, Gelehrte und Moscheen verbreitet. Viele „Gotteskrieger“ haben sich über diese Institutionen radikalisiert und wollen den „Heiligen Krieg“ gegen alle Ungläubigen führen. Das schließt all jene Muslime ein, die sich nicht zum Wahhabismus bekennen.

Zu den umtriebigsten Terrorunterstützern gehört der Iran. Seit vielen Jahren stellt Teheran Geld und Ausrüstung zur Verfügung und trainiert militante Gruppen. Hilfe erhalten Berichten zufolge die Hamas, andere israelfeindliche palästinensische Extremisten sowie zahlreiche schiitische Milizen in Syrien, dem Irak, Afghanistan und im Jemen. Eine besondere Rolle spielt die libanesische Hisbollah. Sie wird vom Iran finanziert und bewaffnet – und weltweit für Anschläge verantwortlich gemacht. Die „Partei Gottes“ ist über den Libanon hinaus ein Machtfaktor in der Region. Im Auftrag Teherans kämpft die Hisbollah seit Jahren aufseiten von Baschar al Assad.

Sie ist die wichtigste militärische Stütze des Herrschers in Damaskus. Mithilfe der verschiedenen Milizen versucht der Iran, seinen Einfluss auszudehnen. Ziel ist ein „schiitischer Halbmond“, der sich vom Mittelmeer bis zum Golf von Aden erstreckt und Teherans Vormachtstellung sichern soll. Genau das wertet Saudi-Arabien als Bedrohung. Die Folge: Stellvertreterkriege. Einer der schlimmsten tobt derzeit im Jemen, das Armenhaus der Arabischen Halbinsel.

Dort kämpfen aufständische Huthi-Rebellen mit tatkräftiger Unterstützung des Iran gegen die offizielle Regierung, die umfangreichen militärischen Beistand aus Saudi-Arabien erhält. Auch in Syrien stehen sich Riad und Teheran gegenüber, unterstützen auf der einen Seite die Aufständischen, auf der anderen das Regime. Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten gilt als größte Gefahr für die Stabilität in der Krisenregion. Der Streit mit Katar ist ein Teil dieser Konfrontation.

Was wird aus der Fußball-WM 2022?

Kritik, Unmut und Kopfschütteln über die Ausrichtung der WM in Katar gibt es seit der Vergabe 2010. Zuerst war die große Hitze ein Thema, wegen der die Spiele erstmals in den Wintermonaten ausgetragen werden müssen. Dann richtete sich der Blick der Weltöffentlichkeit auf die unwürdigen Bedingungen vieler Gastarbeiter, die im Stadionbau tätig sind.

Bei keinem Turnier wurden schon im Vorfeld so viele Zugeständnisse gemacht. Aufgrund der Vorwürfe, Katar unterstütze aktiv den Terror, verschärft sich die Situation nun noch einmal. Auch die mögliche Boykotterwägung durch Reinhard Grindel, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), gibt der Debatte um das Turnier deutlich mehr Schärfe.

Allerdings ist Grindel Funktionär genug, um seine Gedanken nicht allzu konkret zu formulieren. Noch seien fünf Jahre Zeit, um politische Lösungen zu finden, die einen Boykott nicht mehr erforderlich machen, sagt Grindel.

Stolz auf das Großereignis. 2022 soll in Katar die Fußball-WM stattfinden.
Stolz auf das Großereignis. 2022 soll in Katar die Fußball-WM stattfinden.

© imago/Ulmer

Es bleibt zum jetzigen Zeitpunkt also höchst unrealistisch, dass der DFB oder irgendein anderer Verband auf der Welt zum Turnier 2022 aus freien Stücken nicht antritt. Boykotte wie in den achtziger Jahren zu den Olympischen Spielen sind in der Gegenwart kaum mehr vorstellbar. Dafür geht es inzwischen für die nationalen Verbände um viel zu viel Geld, Prestige und auch politischen Einfluss innerhalb des Kontinentalverbandes Uefa beziehungsweise des Weltverbandes Fifa. DFB-Chef Grindel hat ja bereits angekündigt, sich innerhalb der Uefa mit den anderen Amtsinhabern abstimmen zu wollen.

Dass die Einigung auf einen gemeinsamen Kurs schwierig ist, hat die Vergangenheit gezeigt. Als es darum ging, den einstigen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter aus dem Amt zu wählen, präsentierte sich die europäische Fußball-Union uneins. Im Falle der WM im Katar würde ein Boykott nur Sinn machen, wenn neben Deutschland auch die anderen großen europäischen Fußballnationen England, Spanien, Italien und Frankreich mitziehen.

Bisher aber schweigen die dortigen Verbandschefs. So fest wie die Fifa aber bisher an Katar festhält, wäre wahrscheinlich nicht einmal ein gesamteuropäischer Boykott ein Grund, die Vergabe des Turniers neu zu überdenken.

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