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Papst Franziskus hat eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle erlassen.

© Alessandra Tarantino/AP/dpa

Katholische Kirche und Missbrauch: Papst Franziskus muss radikaler werden

Papst Franziskus erlässt eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle. Doch die Strukturen seiner Kirche tastet er nicht an – ein fataler Fehler. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Was haben die weltweit tausendfachen Sexualverbrechen, die katholische Geistliche an Kindern verübten, mit der katholischen Kirche und ihrer Lehre zu tun? Diese Frage müsste im Mittelpunkt der Aufklärungsbemühungen stehen. Tut sie aber nicht. Und vor einer Antwort drückt sich der Klerus bis heute.

Ex-Papst Benedikt XVI. machte unlängst, in einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr, die „Physiognomie der 68er Revolution“ – Stichwort Pädophilie – für den Massenmissbrauch verantwortlich, weil die Kirche gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft angeblich „wehrlos“ gewesen war.

Sein Nachfolger, Papst Franziskus, geht die Sache zwar mit größerer Demut und charakterlichem Format an, aber auch er will die Fundamente des von Männern geprägten Gebäudes aus Beichtgeheimnis, Zölibat, Homophobie und Frauendiskriminierung nicht antasten. Immerhin rief er Ende Februar diverse Diakone, Priester und Bischöfe zu einer Missbrauchskonferenz in den Vatikan. In der Folge erließ Franziskus umfassende Regeln für den Schutz von Kindern, die aber zunächst nur für den Vatikanstaat gelten, in dem kaum Kinder leben.

Jetzt hat der Pontifex eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle erlassen, die für alle katholischen Diözesen verbindlich ist. Immerhin. Allerdings ist eine automatische Weitergabe der Informationen oder Verdachtsfälle an staatliche Stellen, wie es sie seit mehreren Jahren in Deutschland gibt, nicht vorgesehen. Das ist ein Manko. Franziskus bemüht sich zwar um Aufarbeitung, und ihn treibt der ehrliche Wille, die Opfer zu rehabilitieren, die Täter zu bestrafen und die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Aber zur Prävention künftiger Sexualverbrechen bedarf es mehr.

Die Strukturen der katholischen Kirche müssen sich ändern. Das setzt eine kritische Überprüfung ihrer Dogmen voraus. Die Kirche soll nicht dem Zeitgeist hinterherhinken. Sie muss aber den Geist der Zeit erkennen.

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