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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© AFP/Kay Nietfeld

Merkel zu neuen Corona-Maßnahmen: „Das Virus bestraft Halbherzigkeit“

Die Kanzlerin zeigt Verständnis für den Unmut mancher Menschen. Doch strengere Regeln seien notwendig. Dann gebe es Hoffnung auf einen „erträglichen Dezember“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am ersten Tag des coronabedingten Teil-Lockdowns die Menschen in Deutschland eindringlich dazu aufgerufen, die neuen Regeln zu befolgen. „Ob diese große gemeinsame Kraftanstrengung etwas bringt im Monat November, das hängt nicht nur von den Regeln ab, sondern vor allem auch davon, ob diese Regeln befolgt werden“, sagte Merkel am Montag in Berlin in der Bundespressekonferenz. „Jeder und jede hat es in der Hand, diesen November zu unserem gemeinsamen Erfolg zu machen, zu einem Wendepunkt wieder zurück zu einer Verfolgbarkeit der Pandemie.“

Sie begründete die Maßnahmen mit dem aktuellen exponentiellen Anstieg der Corona-Fälle in Deutschland. „Wir sehen eine Verfünffachung der Corona-Fälle seit Mitte Oktober. Das ist exponentielles Wachstum, das uns mit zunehmender Geschwindigkeit auf eine akute Notlage in unseren Krankenhäusern zulaufen lässt“, sagte Merkel.

Die Zahl der Intensivpatienten sei auf 2061 gewachsen. „Wir wissen, dass diese Zahl verzögert ist. Die Infektionen, die wir heute dort sehen, haben sich vor zehn Tagen in etwa abgespielt“, sagt Merkel. Deswegen werde die Zahl noch wachsen. „Wir kommen immer näher an die Belastungsgrenze des Personals auf den Intensivstationen. Das kann eine verantwortungsvolle Regierung nicht zulassen.“

In ganz Deutschland hat am Montag ein vierwöchiger Teil-Lockdown begonnen, der die zweite Corona-Welle brechen soll. Seit Mitternacht gilt in allen Bundesländern, dass Hotels und Restaurants, Kinos, Museen und Theater sowie andere Freizeiteinrichtungen weitestgehend geschlossen sind. Auch für persönliche Treffen gelten strengere Regeln: In den meisten Bundesländern dürfen nur noch zwei Haushalte zusammenkommen - teils gilt das sogar für Treffen im privaten Raum. Kitas, Schulen und Geschäfte bleiben im Gegensatz zum ersten Herunterfahren des öffentlichen Lebens im Frühjahr diesmal geöffnet.

Wenn es gelinge, im November die Ausbreitung des Virus zu bremsen, „dann schaffen wir uns die Voraussetzung dafür, einen erträglichen Dezember zu haben, natürlich weiter unter Corona-Regeln (...), aber wieder mit mehr Freiraum“. Merkel verglich die Corona-Pandemie mit einer Naturkatastrophe und bezeichnete sie als größte Bewährungsprobe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und somit seit der Gründung der Bundesrepublik.

„Es soll kein Weihnachten in Einsamkeit sein“

„Wenn wir alle im November sehr vernünftig sind, werden wir mehr Freiheiten an Weihnachten haben“, sagte die Kanzlerin. Dass es die großen, rauschenden Silvesterpartys geben kann, glaube sie zwar nicht. Aber so dass sich die Kernfamilien treffen können. „Es wird ein Weihnachten unter Corona-Bedingungen sein, aber es soll kein Weihnachten in Einsamkeit sein.“

Merkel verteidigte die Schließung der Gastronomie im November und sagte den Betroffenen erneut schnelle Hilfe zu. Sie würden mit den Einnahmeausfällen nicht alleine gelassen, versicherte sie. Die Bundesregierung hatte bereits Nothilfen von zehn Milliarden Euro beschlossen. Die Hilfen sollten auch die Kultur erreichen, sagte Merkel. Sie ginge davon aus, dass die erarbeiteten Hygienekonzepte in der Gastronomie noch sehr wertvoll sein werden.

Falls die Gerichte etwa Restaurant-Öffnungsverbote mit Hinweis auf offene Geschäfte kippen sollten, müssten nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel auch Läden geschlossen werden. Es sei nicht verantwortbar, dass alle Bereiche im November wieder öffnen. Der Kontakt zwischen Menschen und damit die Gefahr von Infektionen müssten reduziert werden.

Wie geht es im Dezember weiter?

Die Kanzlerin wollte sich nicht festlegen, wie es nach dem vierwöchigen Teil-Lockdown weitergehen wird. Sie kündigte an, dass es am 16. November ein weiteres Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder geben werde. Sollte sich herausstellen, dass die jetzt ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend seien, um die Zahl der Neuinfektionen stark zu reduzieren, seien womöglich auch zusätzliche Einschränkungen notwendig.

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„Wir werden jedenfalls politisch versuchen, alles zu tun, damit es auf den November beschränkt bleibt.“ Aber auch dann werde es ab Dezember nicht wieder „freies Leben“ geben wie vor der Pandemie, betonte die Kanzlerin. So würden auch dann die Hygiene- und Abstandsregeln weiter gelten. Dies wird laut Merkel auch für Weihnachten der Fall sein: „Es wird ein Weihnachten unter Corona-Bedingungen sein, aber es soll kein Weihnachten in Einsamkeit sein.“

Entscheidend sei die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - also wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich innerhalb einer Woche neu infizieren. Aktuell liege dieser Wert bei 127,8. „Wir müssen wieder runter in den Bereich von unter 50“, sagte Merkel. Denn erst dann seien die Gesundheitsämter wieder in der Lage, Infektionsketten umfassend nachzuverfolgen und dann auch zu durchbrechen.

Die Kanzlerin sagte, im Sommer habe es eine „Vielzahl von Nachlässigkeiten“ beim Beachten der Hygiene- und Abstandsregeln gegeben. „Das kann man sich im Herbst und Winter so nicht leisten.“ Sie könne den Unmut und Unwillen vieler Bürger verstehen, müsse aber trotzdem für Akzeptanz werben, weil es keinen anderen Weg gebe. Merkel räumte ein, dass das Licht am Ende des Tunnels noch ziemlich weit entfernt sei. Jedoch gelte: „Das Virus bestraft Halbherzigkeit.“ (Tsp, dpa)

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