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Der Zerstörer USS Donald Cook ist im Mittelmeer und mit Raketen bestückt.

© AFP PHOTO / US Navy/ MCS2 Mat Murch

Möglicher Angriff auf Syrien: Was Trumps Twitter-Ankündigung so brisant macht

Die USA greifen möglicherweise mit einem massiveren Militärschlag als 2017 in Syrien ein. Das würde die Spannungen mit Russland drastisch verschärfen.

Als Präsidentschaftskandidat hatte Donald Trump für seine Vorgänger im Weißen Haus nur Hohn und Spott übrig, wenn es um militärische Entscheidungen im Nahen Osten ging. Barack Obama zum Beispiel habe mit einer klaren Ankündigung des Rückzuges aus dem Irak den Gegnern der Amerikaner einen großen Gefallen getan, sagte Trump damals. Er selbst werde den Feind niemals wissen lassen, was er vorhabe.

Nun aber hat der Präsident gegen den eigenen Vorsatz verstoßen und am Mittwoch per Twitter von einem bevorstehenden Raketenangriff der USA auf Syrien gesprochen. Für die Region hätte ein amerikanischer Militärschlag unabsehbare Folgen.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass Trump anders handeln wird als im April 2017. Damals ließ der damals frisch ins Amt gekommene Präsident nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz der syrischen Regierung jenen Militärflughafen bombardieren, von dem aus die Mission der syrischen Jets gestartet worden war. Mehr als 50 Marschflugkörper feuerten die Amerikaner ab – doch es blieb bei diesem begrenzten Militärschlag.

Das wird diesmal anders sein, vermuten Experten. „Abschreckung hat ein begrenztes Haltbarkeitsdatum“, schreibt der Militärexperte Michael Eisenstadt von der Nahost-Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy in einer Analyse. Trumps eigene Rhetorik sowie die Erfahrung, dass der letztjährige Angriff die Syrer nicht vom erneuten Einsatz von Giftgas abgehalten hat, dürften eine andere, möglicherweise massivere Reaktion auslösen.

Auch Angriffe auf Assads Palast in Damaskus sind denkbar

Möglich sind deshalb Militärschläge, die nicht auf syrische Giftgasfabriken oder Luftwaffenstützpunkte beschränkt bleiben. Zu den Zielen, die von amerikanischen Medien und Denkfabriken genannt werden, zählen Eliteeinheiten von Präsident Baschar al Assad wie die 4. Panzerdivision, die Revolutionsgarde oder die „Tiger-Truppe“. Auch Raketenangriffe auf Assads Präsidentenpalast in Damaskus sind denkbar. Ein Einsatz von US-Bodentruppen über die rund 2000 im nordsyrischen Kurdengebiet stationierten Soldaten hinaus wird jedoch nicht erwartet.

Unwahrscheinlich ist auch, dass Trumps angekündigte Militärschläge ein langfristiges Engagement der USA im Syrien-Krieg einleiten werden. Erst vorige Woche hatte der Präsident den bevorstehenden Abzug der USA aus dem Bürgerkriegsland verkündet, der laut Medienberichten bis zum Herbst abgeschlossen sein soll. Grundsätzlich wird die erwartete US-Reaktion von dem Ziel bestimmt, Assad für die jüngsten Giftgasangriffe einen so hohen Preis zahlen zu lassen, dass er den Einsatz dieser Waffen künftig unterlässt. Dabei wollen die Amerikaner jedoch darauf achten, keine russischen Kampfflugzeuge zu treffen – das dürfte einer der Gründe für Trumps öffentliche Ankündigungen gewesen sein.

Je nach Art und Stärke der amerikanischen Strafaktion gegen Assad sind erhebliche Auswirkungen auf den Krieg in Syrien und auf die Akteure in dem Konflikt zu erwarten. Die USA werden alles daransetzen, die absehbaren Spannungen mit Russland auf ein Minimum zu begrenzen. Dennoch würden drastische Verluste für Assads Militärs den Ruf Russlands als mächtiger Beschützer der syrischen Regierung erschüttern. Wladimir Putin will den Konflikt in Syrien möglichst rasch beenden, um sein Land als Nahost-Macht und Friedensbringer zu etablieren. Der von Trump angekündigte Rückzug der USA aus Syrien passte perfekt zu diesem Plan. Ein Eingreifen der Amerikaner würde dieses Vorhaben erschweren.

Eine längere Angriffswelle könnte den Rebellen Luft verschaffen

Eine massive, vielleicht über mehrere Tage hinweg fortgesetzte Welle von Angriffen gegen das syrische Regime könnte den in jüngster Zeit in Bedrängnis geratenen Rebellen eine Atempause verschaffen. Nach der Niederlage der Aufständischen in Ost-Ghouta wurde bisher eine Großoffensive der Syrer und der Russen im nordwestsyrischen Idlib erwartet; diese Offensive würde sich möglicherweise verzögern, wenn große Teile der syrischen Luftwaffe ausgeschaltet würden. Assad wurde vor drei Jahren durch das Eingreifen Russlands vor einer Niederlage im Bürgerkrieg gerettet – nun könnten seine Gegner von der Intervention der zweiten Supermacht profitieren.

Auch der Assad-Partner Iran wäre durch eine groß angelegte US-Militäraktion in Syrien betroffen. Teheran ist durch den Einsatz der iranischen Revolutionsgarden und diverser Milizen tief in den Syrien-Krieg verstrickt, sieht sich jedoch Protesten der eigenen Bevölkerung wegen der teuren Auslandseinsätze ausgesetzt. „Je höher der Preis ist, desto höher ist der Druck, der eigenen Bevölkerung etwas vorweisen zu können“, sagt die Nahost-Expertin Robin Wright.

Israel hat seine Attacken in Syrien zuletzt verstärkt

Von Bedeutung ist zudem die Tatsache, dass auch Israel seine Angriffe in Syrien zuletzt verschärft hat. Der jüdische Staat fühlt sich durch die Konzentration iranischer Milizen, libanesischer Hisbollah-Kämpfer und syrischer Truppen auf der syrischen Seite der Golan-Höhen bedroht und versucht deshalb immer häufiger, mithilfe seiner Luftwaffe die Gegner dort zu stören. Von den USA hatten die Israelis bisher wegen Trumps Ohne-mich-Haltung wenig Hilfe zu erwarten. Nun könnten amerikanische Luftschläge die israelischen Bemühungen unterstützen.

Assad ist nun allerdings gewarnt. Medienberichten zufolge zogen die syrischen Streitkräfte einige Einheiten von exponierten Stellungen ab, um sie nicht zum Ziel amerikanischer Marschflugkörper oder Kampfflugzeuge zu machen.

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