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Streitpunkt. Die Palästinenser fordern den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

© Roland Holschneider/dpa

Münchner Sicherheitskonferenz: „Europa sollte sich stärker engagieren“

Eine Einigung mit den Palästinensern im Zusammenspiel mit den arabischen Staaten ist möglich: Israel ist sofort zu direkten Verhandlungen bereit. Ein Gastbeitrag der israelischen Diplomatin Rodica Radian-Gordon.

Die strategische Lage Israels im Nahen Osten und darüber hinaus hat sich seit der Unterzeichnung der Friedensverträge mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) und dem Oslo-Abkommen mit den Palästinensern vor 25 Jahren dramatisch verändert. Einige dieser Veränderungen, besonders im vergangenen Jahrzehnt, nahmen ihren Anfang mit dem Arabischen Frühling, setzten sich aber in den Bürgerkriegen, dem Aufstieg des Islamischen Staats (IS) und der sunnitisch-schiitischen Spaltung fort. Das Ergebnis war ein Versagen der staatlichen Ordnung in vielen arabischen Staaten, in einigen Fällen sogar sogenannte gescheiterte Staaten.

Wenn wir unsere Region heute betrachten, fällt auf, dass wir die gravierendsten Gefahren für die Sicherheit der Region sehr ähnlich wie viele unserer Nachbarn verorten: beim Iran und dem IS.

Der IS ist immer noch ein Problem. Im Irak und in Syrien verliert er zwar an Einfluss, auf der Sinai-Halbinsel, in Nordafrika und am Horn von Afrika strebt er allerdings weiter eine Vormachtstellung an. Der Iran seinerseits greift im Jemen, dem Irak, Syrien und Libanon ein und übt so einen destabilisierenden Einfluss auf den Nahen Osten aus. Irans Ziel ist es, durch militärische Präsenz in diesen Ländern (direkt oder durch Stellvertreter) die strategische Kontrolle über den Persischen Golf sowie Zugang zum Mittelmeer zu erlangen. Im Libanon ist die Hisbollah, Irans wichtigster Stellvertreter, dabei, Raketenproduktionsstätten zu errichten, wodurch eine Situation geschaffen werden könnte, die Israel nie dulden würde. Diese Ziele werden umso bedrohlicher, wenn wir Irans Absichten im Hinblick auf sein Atomprogramm bedenken, die Wirklichkeit werden könnten, wenn das Atomabkommen JCPOA nicht nachgebessert wird.

Europa muss realistischer werden

In dieser instabilen Umgebung ist Israel ein verantwortungsbewusster und stabilisierender Faktor. Dieser Umstand wird von vielen arabischen Staaten sowie von anderen Staaten außerhalb der Region anerkannt. Bisher haben wir erfolgreich verhindert, dass der Krieg in Syrien auf unser Territorium überschwappt, indem wir den verschiedenen Akteuren unsere roten Linien klargemacht haben. An der Grenze zum Libanon haben wir mit großer Sorgfalt verhindert, dass sich eine unhaltbare Situation etabliert.

Die Komplexität der Herausforderungen sowie die Vielfalt der beteiligten Akteure erfordern ein realistischeres Europa. Ein Europa, das seine natürliche Allianz mit Israel würdigt, die auf gemeinsamen Werten friedvoller westlicher Kulturen basiert. Ein Europa, das begreift, dass Israel ein Bollwerk gegen die Ausbreitung sunnitischer und schiitischer Fundamentalisten ist und deshalb der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen uns verstärkt werden sollte. Ein Europa, das aktiv dafür sorgt, dass das iranische Regime niemals über Atomwaffen verfügen wird und seine expansionistischen Tendenzen eingedämmt werden.

Was den Israelisch-Palästinensischen Konflikt angeht, könnte sich herausstellen, dass die gemeinsame Perspektive in der Region, die sich angesichts der oben genannten Herausforderungen ergibt, zu einer Atmosphäre beitragen kann, in der eine Einigung möglich wird. In der gegenwärtigen Lage können wir uns einen parallelen Prozess vorstellen, in dem ein im „äußeren Ring“ (also in den arabischen Staaten) entstehendes Vertrauen den Palästinensern helfen kann, ernsthaft und mutig zu verhandeln. Israels Ziel ist es, den Frieden zwischen Israel und allen unseren Nachbarn, auch den Palästinensern, voranzubringen.

Israel kann jedoch seine Sicherheit nicht aufs Spiel setzen. Ein zweites „Hamastan“ oder einen zweiten „gescheiterten Staat“ an unserer Grenze können wir uns nicht leisten. Deshalb müssen die Palästinenser von unilateralem Handeln abgebracht werden, das nichts an der Situation ändert und es zudem noch schwieriger macht, direkte bilaterale Verhandlungen aufzunehmen. Zudem müssen die Palästinenser in ihren Zielen realistisch bleiben.

Jerusalem ist Israels Hauptstadt, ansonsten kann man alles diskutieren

Im vergangenen Dezember erkannte Präsident Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Jerusalem ist ja auch seit der Gründung Israels vor 70 Jahren die Hauptstadt und seit mehr als drei Jahrtausenden, seit seiner Zeit als Hauptstadt König Davids und Salomos, der Fokus der Seele des jüdischen Volks. Die Entscheidung des US-Präsidenten hat die Palästinenser gezwungen, sich dem „Moment der Wahrheit“ eher früher als später zu stellen, indem sie sich die Realität eingestehen. Ohne Auswirkung auf zukünftige Verhandlungen müssen die Palästinenser akzeptieren, was nicht nur für Israelis, sondern auch für die internationale Gemeinschaft eindeutig ist: dass es keine Friedensvereinbarung geben wird, in der nicht Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel enthalten ist.

Ansonsten ist Israel aber bereit, die direkten Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufzunehmen – ergebnisoffen, sofort und ohne Bedingungen. Wir sind der Meinung, dass alles diskutiert werden kann – auch Grenzen, Siedlungen usw. In vergangenen Verhandlungsrunden (2000, 2008-2009 und 2014) haben wir stets gezeigt, dass wir bereit sind, mutige Entscheidungen zu treffen. Daher hoffen wir, dass die Palästinenser in der nächsten Verhandlungsrunde ebenfalls mutig genug sind, den Tisch nicht zu verlassen, wenn es an ihnen ist, harte Entscheidungen zu treffen.

Die USA bleiben der wichtigste – und unabdingbare – Vermittler im Israelisch-Palästinensischen Konflikt. Europa kann jedoch dabei helfen, die Palästinenser dazu zu bewegen, den Tatsachen ins Auge zu sehen und unrealistische Vorstellungen fallen zu lassen. Dazu gehört auch, die Sicherheitsbedürfnisse Israels zu unterstützen.

Europa hat ebenfalls eine zentrale Rolle als einer der Hauptgeldgeber für die Palästinenser. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Gazastreifen mehr Stabilität und internationale Hilfe benötigt, bevor es zu einer humanitären Katastrophe kommt. Wir alle müssen zusammenarbeiten. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass, wenn es zu einer Aussöhnung mit den Palästinensern kommen soll, die Hamas den Staat Israel anerkennen, ihren militärischen Arm auflösen und die Verbindungen zum Iran aufgeben muss.

Die Autorin ist Vize-Generaldirektorin für Europa im israelischen Außenministerium.

Rodica Radian-Gordon

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