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Die Linken-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt, Eva von Angern, mit dem umstrittenen Plakat.

© Franziska Gabbert/dpa

"Nehmt den Wessis das Kommando": Wie sich die Linke im Wahlkampf zur Anwältin der Ostdeutschen macht

In Sachsen-Anhalt provoziert die Linke mit einem Plakat zum Ost-West-Verhältnis - und freut sich über die Aufmerksamkeit.

Die Nachricht, die Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von seinem Amtskollegen Reiner Haseloff erhielt, zeigte ein Wahlplakat der Linken in Sachsen-Anhalt. Auf diesem Plakat ist ein Kind zu sehen, das einen riesigen Hund an der Leine führt, und dazu heißt es: „Nehmt den Wessis das Kommando“.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff wollte nun von Ramelow wissen, ob dieser der Aufforderung seiner Genossen nicht folgen wolle. Denn der einzige Linken-Ministerpräsident in Deutschland ist selbst ein Wessi, er wurde im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck geboren.

Ramelow, der vor Bekanntwerden des Slogans von den Linken in Sachsen-Anhalt vorgewarnt worden war, nimmt die Sache mit Humor. Über das Plakat habe er gelächelt, sagte er beim digitalen Wahlkampfauftakt der Linken in Sachsen-Anhalt. Ob er es selbst so gestaltet hätte, wisse er nicht. Allerdings gebe ihm das Plakat die Gelegenheit, über ostdeutsche Lebenswirklichkeiten zu sprechen.

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Die Linken-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, Eva von Angern, war zwölf Jahre alt, als die Mauer fiel. Dass das Thema Ostdeutschland mehr als drei Jahrzehnte nach der Wende in einem Wahlkampf in den Mittelpunkt rücken könnte, hätte sie nie gedacht, sagt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Spitzenpositionen in der Landesregierung, vielen öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen seien aber nach wie vor mit Leuten aus westdeutschen Bundesländern besetzt. „Auch diejenigen, die nach 1990 in Ostdeutschland geboren wurden, durchbrechen die gläserne Decke nicht.“ Und leider gelte hier ein Satz, den die Leipziger Universität festgestellt habe: „Wessis ziehen Wessis nach.“

Empörte Reaktionen auf das Plakat

Als Eva von Angern das Motiv mit dem angeleinten Hund zum ersten Mal sah, war sie skeptisch. Es sei klar gewesen, dass dieses Plakat im Wahlkampf nicht gehängt werden soll.

Doch die Linken entschieden sich, es gemeinsam mit den anderen Plakaten der Öffentlichkeit zu präsentieren – empörte Reaktionen aus der Politik waren die Folge. Der Bildungsminister Marco Tullner (CDU) nannte das Plakat „inakzeptabel“, die Grünen-Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann zeigte sich „erschüttert“ und betonte: „Ich dachte, alle Menschen seien grundsätzlich gleich, und es käme auf Wollen und Werte an.“  

Aus Sicht der Linken hat das Plakat seinen Zweck erfüllt. „Es ist provokativ, ein Volltreffer. Wir haben damit eine Debatte ausgelöst“, sagt die Fraktionschefin der Linken im Magdeburger Landtag.

„Wir sind die einzige Partei, die den Osten zum Thema macht“

Mit der Aktion hat sich die Partei, die vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in den Umfragen bei zwölf Prozent liegt, selbst ins Gespräch gebracht – und ein Alleinstellungsmerkmal gesucht. „Wir sind die einzige Partei, die den Osten zum Thema macht“, sagt Eva von Angern.

Auf einem weiteren Plakat, das anders als das umstrittene Motiv im Wahlkampf zum Einsatz kommen soll, heißt es: „Löhne und Renten auf Westniveau“. Auch hier wird eine Benachteiligung der Ostdeutschen angeprangert, allerdings hätte dieses Motiv allein kaum so viel Aufmerksamkeit erregt.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte, Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt für die Bundestagswahl und wie Ramelow aus dem Westen, betont, er verstehe die Aufregung um das Plakat nicht. „Die Linke hat es geschafft, in Sachsen-Anhalt auf einen gesellschaftlichen Skandal hinzuweisen.“ Die Menschen im Osten „arbeiten länger und verdienen weniger“, sagte er beim Wahlkampfauftakt in Halle.

Der Slogan „Nehmt den Wessis das Kommando“ ist offenbar eine Anspielung auf „Gebt den Kindern das Kommando“, eine Zeile aus Herbert Grönemeyers Lied „Kinder an die Macht“. Das würde auch erklären, warum auf dem Plakat ein Kind zu sehen ist. Viel westdeutscher als ein Grönemeyer-Lied aus den achtziger Jahren geht es allerdings kaum.

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