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IOC-Präsident Thomas Bach bei der Entscheidung, die Winterspiele 2022 nach Peking zu geben.

© AFP/Manan Vatsyayana

Olympische Winterspiele in Peking: Erst die Spiele, dann die Moral

Das IOC hat die Olympischen Winterspiele 2022 an Peking vergeben. Das passt, denn in China wird das Volk dazu nicht befragt. Die Spiele werden immer undemokratischer, Olympia funktioniert nur noch in autoritären Staaten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claus Vetter

Das ist doch mal eine gute Nachricht in Zusammenhang mit Olympia. Gewonnen hat mit dem Zuschlag der Ausrichtung der Winterspiele 2022 nicht nur Peking, sondern der Wintersport! Profitieren werden 300 Millionen Chinesen, die nach dem Sportspektakel ein riesiges Skigebiet, nur 200 Kilometer entfernt von ihrer Hauptstadt, nutzen können. Diese frohe Kunde von olympischer Nachhaltigkeit hat Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am Freitag kurz vor der Kür des Ausrichters der Spiele im Jahr 2022 verkündet.

Wieder Peking also, 2008 waren dort schon Sommerspiele. Wieder Asien. 2018 kommen schon die Winterspiele nach Pyeongchang, 2020 Sommerspiele nach Tokio. Aber der Rest der Welt wollte ja nicht, von acht Kandidaten für 2022 waren am Ende nur noch der abwegige Außenseiter Almaty und das mächtige Peking übrig. Von Graubünden über München bis Oslo waren sie vor der Bewerbung am Votum des Volkes gescheitert. Wer heutzutage Olympia will, muss eben Bürger haben, die nicht gefragt werden müssen.

Ein Reuters-Fotograf hat am Tag der Vergabe der Olympischen Winterspiele die Bergregion 200 Kilometer von Peking besucht, in der das Skigebiet für 2022 entstehen soll. Dieses Kind und seine Oma wird wohl niemand fragen, ob sie Skipisten vor ihrer Haustür wollen.
Ein Reuters-Fotograf hat am Tag der Vergabe der Olympischen Winterspiele die Bergregion 200 Kilometer von Peking besucht, in der das Skigebiet für 2022 entstehen soll. Dieses Kind und seine Oma wird wohl niemand fragen, ob sie Skipisten vor ihrer Haustür wollen.

© Jason Lee/Reuters

Olympische Spiele haben in Demokratien kaum noch eine Chance, weil sie mit ihren vielen Investitionen undemokratische Anforderungen an die Ausrichter stellen. In Ländern, in denen um Großprojekte jahrelang diskutiert und gestritten wird, lassen sich eben nicht kilometerlange Schneisen für Skipisten oder Wohnsilos schnell mal in die Berge fräsen – womöglich noch auf Kosten der Steuerzahler. In den Bergen Zhangjiakou wird das möglich sein. Der Ort ist zwar 200 Kilometer weit weg vom Bewerber Peking, aber auch das spielt keine Rolle mehr im Wintersport.

Schlimmer noch ist, dass Olympische Spiele in Demokratien auch beim IOC immer weniger eine Chance bekommen. Boston hat seine Pläne für eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 nach vorsichtiger Abwägung aller Unwägbarkeiten – auch der finanziellen – erst vor wenigen Tagen wieder zurückgezogen. Thomas Bach hat die Stadt daraufhin beschuldigt, Versprechen nicht eingehalten zu haben.

Dass Entscheidungen diskutiert werden, auch im und vom Volke, das kennt der IOC-Präsident eben nicht von seinen Ansprechpartnern in anderen Bewerberstaaten, die er und seine Gefolgsleute womöglich wegen ihrer politischen Stabilität und Zuverlässigkeit so sehr mögen. Auch wenn die es nicht so mit der Demokratie haben.

Die Vergabe der Winterspiele an die Nicht-Wintersportstadt Peking zeigt: Die Spiele werden immer undemokratischer und immer künstlicher. Wer Moral und Naturschnee braucht, der muss sich das einfach dazu denken. Und das mit der angeblichen Nachhaltigkeit viel zu teurer Sportstätten, das hat auch zuletzt schon bei den Winterspielen von Sotschi in Russland nicht gestimmt. Dort ist der Großteil für viel Geld ins Bergmassiv gehauener Anlagen und Riesenarenen heute ungenutzt. Es ist wohl ganz gut, dass München mit Garmisch-Patenkirchen nicht zum Entscheid angetreten ist. 300 Millionen Deutsche, die Olympische Skisportanlagen nach den Spielen hätten nützen können, die gibt es ja nun mal nicht.

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