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Markus Söder, Bierkrug und Jubel beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau.

© Sven Hoppe/dpa

Politischer Aschermittwoch: Die CSU macht voll auf Heimat

Markus Söder hält seine erste große Rede als designierter bayrischer Ministerpräsident. "Berliner Verhältnisse" will er nach der Landtagswahl nicht haben.

Von Robert Birnbaum

So eine Grippe ist eine hässliche Sache, aber manchmal passt’s scho. Dem Horst Seehofer passt die Influenza ganz entschieden. Der politische Aschermittwoch war ihm immer eine Tortur; diese langen Reden, die ganzen Leute, die auf deftige Sprüche zum Bier lauern, und außerdem wär' er zum letzten Mal hier in allen seinen Würden als Chef und als Landesvater in Abdankung – nein, es ist besser so. Schaut er lieber fern. „Du brauchst dir keine Gedanken machen“, versichert ihm sein Generalsekretär Andi Scheuer im Grußwort. „Wir machen das schon hier.“

Die Saalkamera kann sich beim Einzug in die Dreiländerhalle also ganz auf den Neuen konzentrieren. Markus Söder lächelt sein Wolfslächeln, stiefelt breitbeinig voran und winkt in die Biertischreihen hinein. Der Saal ist wieder rappelvoll – „gefühlte Zehntausend“ hat Scheuer gezählt. Die Tribüne haben sie mit ländlichen Holzgeländern verziert, von wegen der Heimat. Die hat ja nicht nur in der auslaufenden Vergangenheit des Finanz- und Heimatministers Söder eine zentrale Rolle gespielt, sondern soll auch sein Leitmotiv für den Landtagswahlkampf werden.

Aber Söder muss warten mit dem heimatpolitischen Teil der Veranstaltung, erst liefert Scheuer quasi namens des Chefs den bundespolitischen Part. Der ist diesmal einfach. Vor einem Jahr klang der gleiche Scheuer recht angestrengt in seinem Spott über diesen Martin Schulz, dem sie ein paar Kilometer weiter in Vilshofen ein Zelt aufstellen mussten, um den Andrang zu dem plötzlichen Messias zu fassen. Diesmal reichen zweieinhalb Sprüche über die „Selbstzerfleischende Partei Deutschlands“ und den „neuen Draußenminister“ Schulz.

Ohnehin steht die CSU im Moment komfortabel da. Sie hat die heftigen Aufwallungen im Erbfolgekrieg vorerst hinter sich. Der verbliebene Konflikt um Seehofers Nachfolge im Parteivorsitz ruht. Seit der Alte sein Austragshäusel im Bundesheimatinnenbauministerium in Berlin vorläufig sicher hat, scheint auch die Gefahr gebannt, dass er zur Unzeit wieder aufbricht. „Wir haben eine Neuaufstellung geschafft“, sagt Söder, als er endlich auf dem Podium steht. Dem kann niemand widersprechen. „Bei der SPD findet Neuaufstellung jeden Tag statt!“ Auch das ist kaum zu bestreiten.

Jetzt muss diese CSU, also der Söder, eben nur die Landtagswahl gewinnen. Und zwar so, dass nach dem 14. Oktober nicht die „Berliner Verhältnisse“ nach München wandern. Theoretisch ist die absolute Mehrheit gar nicht zu verteidigen. Mit dem Auftauchen der AfD als sechster Partei ist auch in Bayern die Zeit der simplen Mehrheiten vorbei. Die CSU wäre aktuell mit 40 Prozent zufrieden.

"Ich bin wieder hier in meinem Revier!"

Söder hat also eine zweifache Aufgabe. Er muss erstens die CSU auf akzeptablem Niveau halten, und er muss zweitens die Konkurrenten deckeln. Was die CSU angeht – wenn das Publikum in Passau halbwegs repräsentativ für die Wählerschaft wäre, müsste er sich keine Sorgen machen. Die gute Stunde auf dem Pult ist Söders erster großer öffentlicher Auftritt als designierter Ministerpräsident. Der Franke kann reden, spontan, eindringlich, auch mal spöttisch. Seit seiner Zeit als Edmund Stoibers Generalsekretär hat er hier nichts mehr sagen dürfen. Er knüpft umstandslos daran an: „Ich bin wieder hier in meinem Revier!“ Der erste Beifall fällt herzlich aus, viele weitere folgen. Dass Seehofer daheimgeblieben ist, lässt dem Neuen Raum.

Der zweite Teil der Aufgabe ist erheblich komplizierter. Die AfD steuert in Bayern auf den dritten Platz zu, und wenn die Schwäche der SPD anhält, womöglich auf Platz Zwei. Söder setzt dagegen das alte Rezept des Urvaters aller Aschermittwoche. Franz Josef Strauß’ Diktum, dass rechts der Union keine demokratisch legitimierte Partei sein dürfe, sei „nicht nur ein langweiliger Satz aus der Klamottenkiste“, ruft er, sondern Leitlinie.

Angreifen statt schulterzuckend zuschauen, mobilisieren statt asymmetrisch demobilisieren à la Angela Merkel: „Wir wollen auch die demokratische Rechte wieder bei uns vereinen!“ Kein Rechtsruck, versichert Söder, aber der „Alternative“ nicht durchgehen lassen, dass sie sich als „Ersatz-Union“ darstellt. In der Flüchtlingspolitik „die Balance“ wahren: „Wir helfen anderen wirklich gerne, aber darüber dürfen wir die einheimische Bevölkerung nicht vergessen.“ Kreuze an die Wände in allen öffentlichen Gebäuden, die „christlich-abendländische Prägung“ in die Verfassung, eine eigene bayerische Grenzpolizei im Hinterland der Bundesgrenze, die ja demnächst der Horst bewachen lässt, und dazu deftige Aschermittwochsprüche: „Die Ehe für alle ist für manchen schon nicht ganz einfach“, ätzt Söder, „aber die Ehe für viele ist nicht akzeptabel.“ Er war halt beim Stoiber in der Lehre.

"Schöne Bilder machen darf jeder"

Und dann ist da noch ein Gegner, den sich anzugehen lohnt: die „Fahnenflüchtige Partei Deutschlands“, wie Scheuer kalauert. Söder macht da gleich weiter. Er schätze den FDP-Chef Christian Lindner ja durchaus. Und er habe auch nichts dagegen, dass der schöne Bilder von sich machen lasse. „Darf jeder“, sagt Söder. Ist er ja selbst ganz groß drin gewesen, auch wenn sein Facebook-Strom nicht mehr den täglichen Söder zeigt, seit er auf seriösen Landesvater umschult.

Also, nichts gegen gute PR. Aber „wer zur Wahl antritt, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen“. Der dürfe nicht in der 96. Spielminute einfach vom Platz gehen. Und der brauche auch nicht herzukommen und zu erzählen: „In Berlin ham wir uns nicht getraut, aber in München würden wir schon gerne wollen!“ Nix da – unglaubwürdig sei das.

Die FDP, muss man wissen, kippelt in Bayern an der Fünf-Prozent-Hürde herum. Wenn Söder es schafft, die Liberalen unter die Marke zu drücken, sind es höchstens noch fünf Parteien im nächsten Landtag, und wenn die Linke noch etwas fällt, womöglich nur vier. Absolute Mehrheiten sind auch eine Frage der Mathematik. Und eine Frage des Kandidaten natürlich. „Wir überlassen Bayern nicht den anderen“, ruft Söder. Und übrigens: „Ich bin der Markus, da bin i dahoam, und das will ich auch bleiben!“ Der Saal schwingt ganz viele weiß-blaue Fähnchen.

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