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Auf dem Weg zur Siegesrede: Emmanuel Macron.

© AFP/Philippe Lopez

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Macrons Sieg trägt revolutionäre Züge

Die Wahl von Emmanuel Macron ist eine gute Nachricht für Frankreichs Partner. Gleichzeitig war dieser Wahltag aber auch eine tiefgreifende Zäsur für das Land. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Der Brexit macht aus dem Europa der 28 eines der 27 Nationen. Dabei wird es – Stand 7. Mai 2017 – wohl bleiben. Frankreich hat es abgelehnt, sich gleichfalls aus der organisierten Gemeinschaft der Völker Europas zu verabschieden. Marine Le Pen, die Propagandistin des Austritts aus politischer Union und Währungsgemeinschaft, hat gerade einmal ein Drittel der Stimmen ihrer Landsleute für sich gewinnen können.

Frankreich, das Mutterland von Demokratie und Menschenrechten, erteilt einer Politik des Hasses, der Angst und der Isolierung eine Absage. Emmanuel Macron, der Begründer einer Volksbewegung mit dem visionären Namen „En Marche“ wird Deutschlands wichtigsten Partner auf dem Kontinent in eine Zukunft führen, die mit Begriffen wie Reformen, soziale Chancen, und Weltoffenheit verbunden ist. Das ist eine gute Nachricht, gut für Frankreich, gut für seine Partner.

Eine Zäsur nach zwei schwachen Präsidenten

Gleichzeitig war dieser Wahltag eine tiefgreifende Zäsur für Frankreich. Es war der letzte Tag der Fünften Republik, jenes Staats- und Regierungssystems, das Charles de Gaulle seinem von jahrelangen zerstörerischen Regierungskrisen und Kolonialkriegen gelähmten Land 1958 verordnet hatte. Mehr als ein halbes Jahrhundert hatte die Balance zwischen einem selbstbewussten, mächtigen Präsidenten und dem durchaus renitenten Parlament funktioniert.

Diese Fünfte Republik scheiterte letztlich an zwei schwachen Präsidenten, an Nicolas Sarkozy und François Hollande. Und sie scheiterte an einem miteinander verwobenen Staats- und Parteiensystem, dessen Spitzenvertreter Selbstbedienung und Eitelkeit zuletzt in einem Maß übertrieben, das selbst für Franzosen zu weit ging, die gegenüber ihren eher elitären als egalitären Repräsentanten traditionell große Duldsamkeit zeigen.

Eine stabile Regierung könnte Macrons größte Sorge werden

Die Zerstörung des politischen Establishments hat revolutionäre Züge. Das höchste Amt im Staat fällt nun einem Politiker zu, der weder im Parlament noch in der überkommenen Parteienstruktur eine verlässliche Machtbasis hat. Zwar muss sich nicht zum ersten Mal ein französischer Präsident in einer sogenannten Kohabitation einrichten, weil das Staatsoberhaupt einem anderen politischen Lager angehört als die Mehrheit der Nationalversammlung. Aber Emmanuel Macrons Bewegung „En Marche“ hat überhaupt keine gefestigte organisatorische Basis.

Immerhin fand er fast überall Kandidatinnen und Kandidaten für die Parlamentswahlen im kommenden Monat, aber die meisten von ihnen sind unbekannt. Ob sie ihm eine sichere Basis in der Nationalversammlung bieten können, ist also völlig ungewiss. Viel wird jetzt davon abhängen, ob er einen profilierten Politiker oder eine Politikerin für das Amt des Ministerpräsidenten findet. Ob diese Person aus dem linken oder dem rechten Lager kommt, wird bereits Aufschluss darüber geben, ob Macrons Politik sich an den versprochenen Reformen ausrichtet, oder alten Wegen folgt.

Der Sieg wird Folgen für Deutschland haben

Dass die französische Politik auf Deutschland massive Auswirkungen hat, zeigte sich bereits am Sonntagabend. Sigmar Gabriel, der deutsche Außenminister, verknüpfte seine Glückwünsche an Macron mit dem Versprechen deutscher Hilfe. Sein Satz: „Wer Reformen anpackt, darf nicht zugleich zu einem rigorosen Sparkurs gezwungen werden“, ist eine unverhohlene Aufforderung an einen Kabinettskollegen, an den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble.

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