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Polizeibeamte verhaften einen Mann vor einer Kundgebung in Moskau.

© dpa/Alexander Zemlianichenko

Update

Protest der Opposition in Russland: Mehr als 1000 Festnahmen bei Demonstration für freie Wahlen in Moskau

Zahlreiche Oppositionelle sind von der Wahl zum Moskauer Stadtparlament wegen angeblicher Formfehler ausgeschlossen. Bürger demonstrieren dagegen.

In Moskau sind bei einer Demonstration gegen den Ausschluss von Oppositionellen bei der Regionalwahl in sechs Wochen mehr als 1000 Demonstranten festgenommen worden. Rund um das Rathaus im Zentrum der russischen Hauptstadt war am Samstag zu sehen, wie Polizisten Menschen abführten und in Polizeibusse steckten. Die Polizei sprach am Abend von 1074 Festnahmen wegen "verschiedener Vergehen" während der nicht genehmigten Demonstration. Zuvor hatten Menschenrechtsaktivisten mindestens 800 Festnahmen gemeldet.

Den Behörden zufolge wurden insgesamt rund 3500 Teilnehmer gezählt. Schon kurz vor der Demonstration ging die Polizei gegen Oppositionelle vor. Der prominente Kremlkritiker Ilja Jaschin berichtete in der Nacht zum Samstag auf Facebook, dass er in seiner Wohnung verhört und anschließend zu einer Polizeistation gebracht worden sei. Er rief dazu auf: „Wir müssen auf diese dreiste Empörung mit massiven Straßenprotesten reagieren.“ Zuvor hatten mehrere Verbündete von Oppositionsführer Alexej Nawalny von Durchsuchungen und Befragungen berichtet.

Die Polizei hatte in einem an die Moskauer und Touristen gerichteten Aufruf davor gewarnt, an der Demonstration teilzunehmen. Die Beamten würden „alle Maßnahmen“ ergreifen. Sie sicherten am Nachmittag das Rathaus mit einem großen Aufgebot und vielen Einsatzfahrzeugen sowie Linienbussen. Zu sehen war auch, wie eine Polizeiabsperrung durchbrochen wurde. Die Menge applaudierte danach.

Demonstranten fordern Zulassung oppositioneller Kandidaten

Ein 35 Jahre alter Demonstrant, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Was hier passiert, ist illegal. Die Politik bricht unsere Rechte.“ Während der Kundgebung brach immer wieder die Internetverbindung zusammen.

Die Demonstranten fordern seit Tagen, dass Kandidaten der Opposition bei der Wahl zum Moskauer Stadtparlament im September zugelassen werden. Die Wahlkommission in Moskau hatte 57 Kandidaten von der Abstimmung ausgeschlossen. Somit darf fast keiner der Oppositionellen - wie etwa die prominenten Kremlkritiker Ilja Jaschin, Ljubow Sobol und Dmitri Gudkow - bei der Wahl antreten. Die Behörde begründete dies mit angeblichen Formfehlern.

Zwar hatten die Politiker ausreichend Unterstützungserklärungen gesammelt, viele wurden aber von der Wahlkommission als Fälschung eingestuft. In einigen Fällen sollen angeblich einzelne Buchstaben fehlen, in anderen sei das falsche Geschlecht angegeben. Zudem sollen nach Darstellung der Behörden einige Unterstützer bereits tot sein, obwohl sie laut Opposition beim Unterzeichnen fotografiert wurden. Die Wahlkommission hatte einen Einspruch gegen den Ausschluss abgelehnt.

Abgelehnte Bewerber sprechen von Manipulation

Die ausgeschlossenen Politiker betonen, dass ihnen absurde Fehler untergeschoben worden seien und sprechen von Manipulationen. Der Weg ins Stadtparlament werde ihnen verwehrt, damit sie den Sieg der Kremlpartei Geeintes Russland nicht schmälerten, sagte der Oppositionelle Gudkow dem Radiosender Echo Moskwy.

Die Regierungspartei Geeintes Russland mit ihrem Vorsitzenden Dmitri Medwedew verliert seit einiger Zeit massiv an Zustimmung. Gründe dafür sind Politologen zufolge unter anderem eine umstrittene Rentenreform, sinkender Lebensstandard und fehlende Perspektiven.

Seit der Entscheidung der Wahlkommission ruft das Team um den Kremlkritiker Nawalny regelmäßig zu Massenprotesten in der russischen Hauptstadt auf. Am vergangenen Wochenende gingen rund 20.000 Menschen auf die Straße. Die Moskauer sollten solange auf die Straße gehen, bis die Wahlkommission die Kandidaten zulässt, hatte Nawalny angekündigt. Der 43-jährige Jurist wurde daraufhin wegen wiederholten Protestaufrufs zu 30 Tagen Arrest verurteilt. Büros und Wohnungen von Oppositionellen wurden durchsucht. (dpa)

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