zum Hauptinhalt
Gesundheitsminister Jens Spahn.

© Michael Kappeler / POOL / AFP

Rennen um um den CDU-Vorsitz: Wird nun doch Jens Spahn Parteichef?

Die CDU hat ein akutes Problem: Keiner ihrer Vorsitzbewerber kann überzeugen. Nun mehren sich die Stimmen für einen, der eigentlich gar nicht will.

Der Südwesten der Republik galt stets als eine Ecke, in der Friedrich Merz viele Fans in der CDU hat. Traditionell ist der Landesverband Baden-Württemberg recht konservativ gestrickt, wirtschaftsfreundlich sind sie dort ohnehin.

Über viele Jahre hinweg war Wolfgang Schäuble eine Art „spiritus rector“ der Landespartei, und Schäuble galt lange als Unterstützer von Merz. Bis er unlängst durch ein gemeinsames Interview mit Jens Spahn in der „Zeit“ deutlich machte, dass er nun doch eher den Jung-Siegfried der Partei als geeigneten Politiker für Führungsaufgaben erachtet. Ohne den starken Landesverband Baden-Württemberg im Rücken kann Merz eine Kandidatur für den Parteivorsitz vergessen.
Dass nun einige Bundestagsabgeordnete aus dem Landesverband sich für Spahn stark machen, ist so keine Überraschung mehr. Zumal es sich um Politiker handelt, die Merz ohnehin nicht unterstützt haben in seinen Anläufen, Parteichef zu werden.

Der Gesundheitspolitiker Michael Hennrich aus Nürtingen ist seit jeher ein Spahn-Fan, und der in der Fraktion als Innenpolitiker einflussreiche Armin Schuster aus Lörrach hatte sich schon vor zwei Jahren für Annegret Kramp-Karrenbauer entschieden, aus Enttäuschung über Merz, wie er damals sagte. Nun aber verstärken sie den Eindruck, wohin der Südwesten tendiert.

„Echter Generationswechsel“

Hennrich wirbt dafür, dass Merz und die beiden anderen Mitbewerber um den Parteivorsitz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der Außenpolitiker Norbert Röttgen, sich zusammen auf Spahn festlegen sollten – „den Weg frei machen für einen echten Generationswechsel“, wie er der „Stuttgarter Zeitung“ sagte.

Schuster möchte auch eine Verständigung auf einen Kandidaten vor dem Parteitag im Dezember, wobei er Spahn „nicht in der von ihm gewählten Zurückhaltung" sehe, „sondern eindeutig auf Augenhöhe mit den anderen Kandidaten“.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Offenkundig fürchten mittlerweile viele in der Partei einen sich hinziehenden Wettstreit, der im Vorlauf zur Bundestagswahl im Herbst 2021 bei Wählern auch den Eindruck der Uneinigkeit wecken kann. Und die Umfragen sprechen gegen Merz, Röttgen und auch Laschet.

Sie schneiden alle bei der Frage nach der Eignung als Kanzlerkandidat der Union im ZDF-Politbarometer deutlich schwächer ab als noch im März, während CSU-Chef Markus Söder sich zunehmend als eigentlicher neuer Spitzenmann der Union positioniert.

Welcher Kandidat überzeugt?

Spahn kommt zugute, dass er als Gesundheitsminister in der Coronakrise sehr präsent ist und keine größeren Fehler gemacht hat, sieht man von Ausrutschern ab. Das Ergebnis: Laut Politbarometer ist er in der Wählerschaft insgesamt und bei den Unions-Anhängern ebenfalls einigermaßen beliebt, aber er liegt doch weit hinter der Kanzlerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten.
So hat die CDU im Sommer vor dem Wahljahr ein akutes Problem. Keiner der Kandidaten für die Nachfolge in den Ämtern Kramp-Karrenbauer und dann auch Merkels kann wirklich überzeugen. Und Spahn, der in der Zustimmung vor den dreien liegt, ist kein offizieller Bewerber, sondern hat sich mit Laschet zusammengetan, den er unterstützt.

Interessant daher: Die beiden wandern gerade am Bodensee, und Spahn postete Bilder dazu mit dem Kommentar, man bewerbe sich „als Team um die Führung der CDU“ und spreche darüber, „was für erfolgreiche Zwanzigerjahre in Deutschland und Europa notwendig ist“.

Spahns Problem

Spahns Problem war bisher freilich immer, dass er bei den CDU-Mitgliedern nicht recht ankam. Dort war und ist Merz der Held derer, die Merkels Kurs der Mitte nie ganz mitgemacht haben. Sie hatten große Hoffnungen in ihn gesetzt, wegen klarer Linie.

Spahn dagegen war über die Jahre hinweg eine durchaus schillernde Figur, ein Mann auf der Suche nach seinem Profil. Und so ganz hat er es immer noch nicht gefunden. Zwar sind seit seinem Ergebnis von knapp 16 Prozent beim Vorsitzenden-Entscheid 2018 – also seiner klaren Niederlage gegen Kramp-Karrenbauer und Merz – fast zwei Jahre vergangen.

Aber an der CDU-Basis galt er damals als eher unbeliebter Kandidat, zumal er – so gingen die Erzählungen – sich vielen Kreisverbänden regelrecht aufgedrängt hatte im innerparteilichen Wahlkampf.

„Ich oder er?“

Und auch ein CDU-Chef Spahn stünde wohl im Frühjahr 2021 vor der Frage: Ich oder er? Und wäre damit unter Umständen wie einst Angela Merkel in der Situation, wegen eigener Schwäche einen starken CSU-Kandidaten vorschlagen zu müssen.

Merkel hatte das Glück, dass Edmund Stoiber 2002 gegen Gerhard Schröder den Kürzeren zog. Söder dagegen, die Umfragen sprechen vorerst nicht dagegen, könnte die Union zum Sieg und in vier weitere Regierungsjahre führen.

Spricht das dafür, dass Spahn wirklich Chef werden will im Dezember? Und es nicht doch lieber Laschet überlässt? Und wie berechenbar ist es, dass Merz dem Flehen nach Rückzug tatsächlich nachkommt?

Klar ist jedenfalls, dass die CDU derzeit zwar mehrere Vorsitzkandidaten hat, aber keinen, der die Partei wirklich überzeugt. Und was den Südwesten betrifft, die einstige Hochburg der CDU: Wieder gibt es aus Baden-Württemberg kein Gesicht und keinen Kopf für die Parteiführung.

Zur Startseite