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Horst Seehofer (CSU) wird als Super-Innenminister auch Bauen und Heimat übernehmen.

© Peter Kneffel/dpa

Seehofer geht nach Berlin: Pfiat di, Bayern

Horst Seehofer verabschiedet sich selbstbewusst als bayerischer Ministerpräsident. Jetzt muss er sich wieder neu erfinden - als Superminister in Berlin.

Für sich selber hat Horst Seehofer die Sache auf den Punkt gebracht. „In Bayern nicht mehr gefragt, aber im Bund unbedingt gebraucht – das ist eigenartig.“ In dem Satz steckt alles, was in dem bald 69- Jährigen momentan so nagt: Resignation, Verwirrung, Bitterkeit, aber auch Selbstbehauptung und trotziges Aufbäumen. Aber er hat ja recht: Wie passt es zusammen, dass einer als Ministerpräsident einem scheinbar Dynamischeren Platz machen muss und im Bundeskabinett als neuer Superminister mit nie gekannter Machtfülle Wunder bewirken soll?

Am Dienstag leitete Seehofer zum letzten Mal die Sitzung des bayerischen Kabinetts. „Wir werden das so handhaben wie in den letzten neun Jahren und fünf Monaten und unser Tagewerk erledigen“, sagte er zur Eröffnung. Themen waren die Situation auf Bayerns Arbeitsmarkt und außenwirtschaftliche Herausforderungen. „Das Werk ist vollbracht“, resümierte er danach. Er habe immer Politik für die kleinen Leute gemacht. Und in seinem Rücktrittsschreiben heißt es selbstbewusst:  „Bayern steht heute besser da, als zu Beginn meiner Amtszeit im Jahr 2008.“

Söder tritt die Nachfolge am Freitag an

Danach ging es stante pede nach Berlin, wo Seehofer nicht mal 24 Stunden später zum Bundesinnenminister ernannt würde. Offiziell endete seine Amtszeit als Bayerns Regierungschef Schlag Mitternacht. Damit ist zeitlich gegenüber seinem ungeliebten Nachfolger so ziemlich alles ausgereizt. Am Freitag wird in München dann Markus Söder zum neuen Regierungschef gewählt.

Und Seehofer wird sich in Berlin neu erfinden. Politisch ist er dort groß geworden. 28 Jahre lang, von 1980 bis 2008, vertrat er den Wahlkreis Ingolstadt im Bundestag. Dreimal ließ er sich als Minister in die Pflicht nehmen: zweimal für Gesundheit unter Helmut Kohl, einmal für Landwirtschaft unter Angela Merkel. Doch diesmal liegt die Latte höher. In Zeiten einer durch Zuwanderungsstreit und Terrorangst ohnehin anspruchvollen Innenpolitik hat sich der CSU-Chef noch die Zuständigkeiten fürs Bauen und den Zusammenhalt der Gesellschaft, draufgepackt. Mehr Macht und mehr Verantwortung war nie für einen CSU-Minister in Berlin.

Allerdings: Beim Anpacken auf eigene Faust hat sich der Mann bewährt. Als er im Spätherbst 2008 in München als Partei- und Regierungschef übernahm, lag die CSU in Scherben. Nach der verheerenden Niederlage des Duos Günther Beckstein/Erwin Huber bei der Landtagswahl musste die Partei mit der FDP koalieren – für Bayerns politische Platzhirsche, denen nach 42 Jahren die absolute Mehrheit selbstverständlich geworden war, eine unglaubliche Schmach. Es herrschte Weltuntergangsstimmung. „Was glauben Sie, was ich da vorgefunden habe“, sagte Seehofer immer wieder in kleinem Kreis.

Die Kümmerer-Pose

Sein wichtigstes Trachten lag infolgedessen darin, die CSU wieder zu alter Größe zu führen. Dafür musste er sie modernisieren. Seehofer rief eine „Koalition mit dem Bürger“ aus – und hielt damit auch innerparteiliche Zweifler und Gegner in Schach. Er verlangte von Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern, die jahrzehntelange Selbstzufriedenheit und Sattheit aufzugeben. Wo sich Protest regte im Freistaat, kam der Regierende persönlich und redete mit den Menschen. Seehofer war bei den Gegnern der geplanten Mega-Stromtrassen und bei den Betroffenen einer neuen dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Man hat seine Kümmerer-Pose gerne als Show und Anbiederei abgetan. Sie war aber auch ein Signal ins Kabinett und in die Partei hinein. Allein mit der Arroganz der CSU-Macht, so lautete seine Ansage, wird nicht mehr regiert.

Entsprechend griff Seehofer im Frühjahr 2013 durch, als bekannt wurde, wie unverfroren Landtagsabgeordnete sich und ihre Verwandten bereichert hatten. Der beliebte Fraktionschef Georg Schmid wurde verbannt, Minister und Staatssekretäre hatten Abbitte zu leisten und die kassierten Beträge auf den Cent genau zurückzahlen. Spezl-Wirtschaft und Amigo-Gebaren sollte es nicht mehr geben.

Ansonsten war Seehofers Regierungsstil umstritten. „Drehhofer“ nannte ihn nicht nur die SPD-Opposition wegen seiner politischen Sprunghaftigkeit, seinem flotten Wechseln von Positionen, wann immer es ihm nötig erschien. Seehofer hielt dagegen, dass er eben nah an den Menschen zu sein versuche. Der größte Fehler der Politik, sagte er einmal, sei „die Kontinuität im Irrtum“. In der Schulpolitik vollführte Seehofer die Rückwärtsrolle weg vom ungeliebten achtjährigen Gymnasium zum G9. Als die Studiengebühren unpopulär wurden, räumte er sie wieder ab. Bremste beim Donau-Ausbau ebenso wie beim Bau neuer Windanlagen. Und im Bund gab er – was ihm Konservative bis heute nicht verziehen haben – Atomenergie und Wehrpflicht preis.

Viel Zeit hat der Superminister nicht

Den Zenit der Macht erreichte Seehofer im Herbst 2013. Mit 47,7 Prozent holte er die absolute Mehrheit zurück. Auch wirtschaftlich brummte der Freistaat, den Menschen ging es gut. Doch in seiner zweiten Amtsperiode wirkte der Regierende schon ziemlich alt. Er gefiel sich darin, mit seinem Personal zu spielen, Parteifreunde zu demütigen. Entfachte ohne Not selbst die Debatte über seine Nachfolge. Und ging auch Angela Merkel mit voller Wucht an. Am Ende war alles überschattet vom Flüchtlingsstreit mit der Kanzlerin.

Als die CSU bei der jüngsten Landtagswahl um 4,5 Prozentpunkte tiefer einbrach als im Schmerzensjahr 2008, war Seehofers Ende in Bayern eingeläutet. Erst gegen Merkels Flüchtlingskurs zu wettern, sie dann im Wahlkampf aber wieder zu preisen – das habe nicht gutgehen Im Koalitionsvertrag wurde der Streit fürs erste befriedet: Die Zahl der Zuwanderer soll im Jahr nicht über 180 000 bis 220 000 liegen. Und nun ist es an Seehofer als Bundesminister, diese und andere Forderungen der CSU – deren Vorsitzender er bleiben will – auch umzusetzen.

Einen „Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen“ hat er bereits angekündigt. Dazu „null Toleranz gegenüber Straftätern“ und „einen starken Staat“ mit Videoüberwachung samt bestmöglicher Ausstattung für die Polizei. Zudem gesellschaftliche Befriedung, ein „Wertebündnis“ mit Kirchen, Sport, Ehrenamtlichen aus Stiftungen und Vereinen. Ob es klappt? Viel Zeit hat der Superminister nicht. Schon im Herbst, beim bayerischen Landtagswahlkampf, wird die CSU ihren Vorsitzenden an seinen Erfolgen messen. Und dabei kann sie bekanntermaßen gnadenlos sein.

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