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Horst Seehofer (CSU, 2.v.l.) unterhält sich beim Deutschen Trachtentag 2016 mit drei Teilnehmern. (Archiv)

© dpa/Peter Kneffel

Seehofer und das Heimatministerium: Deutschland im Trachtenjanker

Horst Seehofer soll als "Heimatminister" den Populismus abwehren. Warum das neue Ministerium das Gegenteil bewirken könnte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Horst Seehofer soll also „Heimatminister“ werden. Das neue Ressort vereint Innenministerium, Bauen und Wohnen und soll sich auch um die „Heimat“ kümmern. Es wird also das erste Ministerium auf Bundesebene, das einem Gefühl gewidmet ist, jenes wiedererwachte deutsche Gefühl, um das sich alle Parteien reißen, trotz historischer Bedenken.

Die urban-progressive Twitter-Gemeinschaft kippte prompt einen Kübel #Häme über dem #Heimathorst aus: „Weitere Personalien sickern durch: Florian Silbereisen wird Staatssekretär im Heimatministerium“, twitterte einer – und es wurden jede Menge ulkige Bilder von Seehofer im Trachtenjanker geteilt. Das wäre lustig, wäre es nicht so ernst. Denn Deutschland rast auf dem Weg zur politischen Institutionalisierung der Heimat an entscheidenden politischen Weichenstellungen vorbei.

Horst Seehofer will die Sorgen der "kleinen Leute" ernstnehmen

Auf die Frage, warum er sich noch einmal ein anstrengendes Ministeramt antue, sagte Seehofer am Donnerstag, er wolle noch mal was für die „kleinen Leute“ machen: bezahlbare Wohnungen schaffen und Sicherheit, das Leben auf dem Land verbessern, Heimatgefühle ernstnehmen. So, wie Seehofer das Portfolio umreißt, könnte er eine Art Populismus-Abwehrminister werden.

Mangelndes Vertrauen in den Staat vor allem in Sicherheitsfragen, kulturelle Ängste, soziale Abstiegssorgen, die (vermutete) Konkurrenz um Sozialleistungen: Das sind Faktoren, die Politikwissenschaftler und Politiker als Ursachen für das Erstarken des Populismus ausgemacht haben. Das „Heimatministerium“ könnte darauf konkrete und emotionale Antworten finden. Eigentlich eine gute Idee. Eigentlich.

Die AfD regiert mit

Indem das Innenressort, also Terrorabwehr, Verfassungs- und Grenzschutz mit dem Heimatbegriff gefühlig-kulturell aufgeladen wird, wird die Integration von Migranten noch stärker als bislang durch die Sicherheits- und Leitkulturbrille gleichzeitig gesehen. Der Gedanke, dass es eine „Heimat“ gibt, die gegen Angriffe (der Moderne, der „Fremden“, der Globalisierung) verteidigt werden muss, wird Institution. Auch im Koalitionsvertrag wird im Kapitel „Heimat und Zukunft“ ein besseres Leben in ländlichen Räumen in einem Atemzug genannt mit dem Kampf gegen den radikalen Islam.

Das Ministerium soll immun machen gegen Populismus. Und ist gleichzeitig das Institution gewordene Narrativ der Populisten. Gleichzeitig fehlt im Koalitionsvertrag (hier geht es zum Pdf) ein Zeichen der Entschlossenheit, die Jahrhundertaufgabe Integration anzunehmen. Mehr als die Weiterführung bestehender Programme ist in dem knappen Kapitel nicht zu finden. Die AfD regiert mit.

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