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Drei Ministerinnen, drei Minister, eine Parteichefin, ein Generalsekretär und ein Staatsminister: Regierungsteam und Parteiführung der SPD am Freitag.

© Tobias Schwarz/ AFP

SPD-Ministerriege: Mehr Giffey wagen!

Sozialdemokraten zeigen wieder gute Laune - bei der Vorstellung der Kabinettsmitglieder. Die Krise der Partei ist damit noch lange nicht gelöst.

Von Hans Monath

Man hatte es fast nicht mehr für möglich gehalten, aber sie können sich wirklich noch freuen im Willy-Brandt-Haus. Bei der Bekanntgabe des Mitgliedervotums am Sonntag war Jubeln in der SPD-Zentrale noch streng verboten. Fünf Tage später standen dort neben der designierten Parteichefin Andrea Nahles die sechs Vertreter der Partei im neuen Kabinett auf der Bühne – mit strahlenden Gesichtern.

Mit ihrem Personaltableau für das Kabinett bringt die SPD einen Prozess zu Ende, der Deutschland und Europa beunruhigt hatte. Wenige hätten nach dem Ende der Jamaika-Sondierung darauf gewettet, dass die Genossen die Regierung doch noch fortsetzen würden. Damals bekräftigte eine desorientierte Parteiführung erst ihr Nein zur Groko, um dann abrupt umzusteuern. Der Zickzack-Kurs empörte die Basis, die Partei schien kaum noch steuerbar. Ein strategisches Zentrum gab es jedenfalls nicht mehr.

Das immerhin hat sich geändert mit dem Wechsel zu Nahles und dem Übergangsvorsitzenden Olaf Scholz, die nun ihre Kabinettsvertreter präsentierten. Scholz ist als Vizekanzler und Finanzminister das Schwergewicht. Seine Fachkenntnis wird nur von seinem Ehrgeiz übertroffen. Heiko Maas bringt für den Job des Außenministers weit weniger Expertise mit, muss sich erst bewähren. Die interessanteste Entscheidung aber ist die für Franziska Giffey als Familienministerin. Sie könnte das Signal sein, dass die SPD ohne Scheu genau dort hingeht, wo Menschen unter Problemen leiden. Dass die SPD nicht nur von der bunten Gesellschaft schwärmt, sondern auch die Einhaltung der Regeln durchsetzt. Denn darauf sind viele ihrer Wähler ganz besonders angewiesen.

Ist mit der Vervollständigung des Kabinetts nun alles gut? Das glaubt in der SPD niemand, weder Groko-Gegner Kevin Kühnert noch die neue Parteiführung. Ein Drittel der Mitglieder wollte aus Angst vor der Selbstaufgabe der Partei nicht in die Groko. Andere stimmten mit Ja, weil sie den Absturz bei Neuwahlen fürchteten. Die SPD ist weder mit sich selbst im Reinen, noch hat sie schon ein Rezept gegen ihre Krise gefunden.

Denn nicht nur die Fehler der Führung sind verantwortlich dafür, dass die SPD bundesweit hinter die AfD zurückfallen könnte. Der Niedergang der Sozialdemokraten in vielen anderen europäischen Ländern zeigt: Mitte-Links erodiert, weil die Gesellschaft auseinanderfällt – sozial und kulturell. Auf der einen Seite profitieren die Kosmopoliten von der Globalisierung und schauen oft noch auf die Abgehängten herab. Auf der anderen Seite leiden die oft weniger gebildeten Abstiegsbedrohten am Verlust von Ordnung und Gemeinschaft und werden anfällig für einfache Antworten. In der Flüchtlingsfrage hatte die SPD zu einseitig die Öffnung verteidigt – und diejenigen alleingelassen, die auf Schutz gehofft hatten.

Gut regieren genügt deshalb nicht. Die SPD muss in den kommenden Jahren eine Strategie suchen, die die auseinanderdriftenden Teile der Gesellschaft wieder zusammenführt. Das wird weder gelingen, wenn sie dem Fortschritt abschwört, noch wenn sie nur noch über Genderpolitik statt über Verteilungsfragen spricht. Die Erneuerung kann länger dauern als eine Legislaturperiode. Nicht immer führt die Besinnung auf Willy Brandt weiter. Seine Empfehlung, die SPD müsse die "Partei des donnernden Sowohl-als-Auch" werden, könnte aber hilfreich sein.

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