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Ohne Konsens: Der Fehmarnbelt-Tunnel.

© picture alliance / dpa

Streit um Fehmarnbelt-Tunnel: Mit deutschem Tempo

Das Projekt Fehmarnbelt-Querung kommt nur langsam voran. Nun könnte eine Gerichtsentscheidung das Projekt sogar kippen.

Wenn skandinavischer Pragmatismus auf deutsches Planungsrecht trifft, landet man zuverlässig vor Gericht. Am heutigen Dienstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen von insgesamt sieben Verbänden, Gemeinden und Firmen, darunter der Naturschutzbund (Nabu) und die Fährreederei Scandlines, gegen die Planfeststellungsbehörde des Landes Schleswig-Holstein zum Bau des Fehmarnbelt-Tunnels.

Die seit Jahrzehnten andauernden Streitigkeiten um die feste Fehmarnbelt-Querung finden damit ihren vorläufigen Höhepunkt. Dass das im hohen Norden beschlossene Planungsrecht so ganz ohne Änderungen durchgeht, damit rechnet zwar auch der zuständige Minister nicht.

Aber Bernd Buchholz (FDP) gibt sich vor der Verhandlung gelassen: „Wir sind guten Mutes, dass all das, was die Planfeststellungsbehörde gemacht hat mit dem Vorhabenträger gemeinsam ganz ordentlich ist. Der Eindruck aus der Verhandlung sei, dass „größere Steine“ wohl nicht in den Weg gelegt würden.

Größere Steine vielleicht nicht, aber eventuell einige Riffe: Die kommen in den ursprünglichen Planungen nicht vor, sind aber dort, wie Taucher vor der Insel Fehmarn vor kurzem herausfanden – und nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie schützenswert.

„Bei einem Riff denkt jeder sofort an das Great Barrier Reef“, sagt dagegen der Vorsitzende des dänischen Umweltschutzverbandes Michael Løvendal Kruse. „In der Ostsee handelt es sich aber um Steinriffe, das ist nicht ganz dasselbe. Für sie soll es außerdem Ausgleichsflächen geben.“

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Dänische Naturschützer sind gelassener

Dass deswegen das Bundesverwaltungsgericht das Projekt kippen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Zudem gibt es einen Staatsvertrag, der den Bau regelt, und der Tunnel ist nicht nur von regionaler Bedeutung, sondern Teil der transeuropäischen Nord-Süd-Achse, mit der der Warenverkehr von Skandinavien bis nach Südeuropa vereinfacht werden soll.

Während die Schweiz mit dem Ceneri-Basistunnel ihren Teil der Abmachung in diesem Jahr fast fristgemäß erfüllt hat, schafft Deutschland es wohl frühestens bis zum Jahr 2035, die Zubringerstrecke der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel auszubauen.

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Kann Deutschland keine Großprojekte? Die Querelen am Fehmarnbelt zumindest geben einen vorsichtigen Hinweis darauf, dass das deutsche Planungsrecht geeigneter sein könnte, Projekte zu verhindern, als sie zu befördern.

Auch in Dänemark wurde gestritten. Doch weil dort die Bürger und Verbände in einem sehr frühen Planungsstadium einbezogen werden und am Ende das Parlament entscheidet, gehen den Dänen die Großprojekte, leichter von der Hand. Zum Vergleich: Gegen die feste Fehmarnbelt-Querung gab es in Dänemark 50 Einwendungen, in Deutschland 12 600.

Angst um Schweinswale

Dabei gab es gegen die Brückenbauprojekte am Großen Belt und am Øresund zunächst ebenfalls großen Protest. Inzwischen haben sich sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Bedenken zerstreut. In Dänemark plädiert auch der Naturschutzverband, anders als der Nabu in Deutschland, nachdrücklich für das Tunnelprojekt.

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Jenseits des Belts dominiert ein pragmatischer Ansatz: „Wenn wir ein Projekt nicht verhindern können, warum sollen wir dann dagegen kämpfen? Es ist doch viel besser, wir bringen uns ein und machen zusammen das Beste daraus“, sagt etwa der Vorsitzende Michael Løvendal Kruse.

Angst um die Schweinswale, die in ihrem Bestand ohnehin bedroht sind, hat er anders als der deutsche Nabu ebenfalls nicht. Die Brücken- und Tunnelbauprojekte am Øresund hätten gezeigt: Arten haben sich erholt, neue angesiedelt, so der Naturschützer. „Am Ende könnte es dort sogar mehr Natur geben als vorher.“

Karolina Meyer-Schilf

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