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US-Justizikone: Ruth Bader Ginsburg

© Reuters/Jonathan Ernst

Update

Supreme Court der USA: Richterin Ruth Bader Ginsburg ist tot – Richtungskampf um Nachfolge

Ruth Bader Ginsburg war eine Bastion der Liberalen im Obersten Gericht der USA. Ihr Tod könnte Trump die Chance geben, erneut einen Richterposten zu besetzen.

Die US-amerikanische Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg ist tot. Die älteste Richterin am höchsten Gericht der Vereinigten Staaten, dem Supreme Court, starb am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung, wie das Gericht in Washington mitteilte. Sie starb demnach im Kreis ihrer Familie.

Nach dem Tod Ginsburgs zeichnet sich nun ein erbitterter politischer Kampf um die Nachbesetzung eines Schlüsselpostens im US-Justizsystem ab. Der Supreme Court hat eine prägende Rolle für die Gesellschaft und Politik in den USA. Das Gericht verhandelt hoch umstrittene Themen wie Abtreibung, Waffenrecht, Gleichberechtigung und Einwanderung.

Nicht selten haben die neun Richter das letzte Wort in Auseinandersetzungen um weichenstellende Gesetze und Verfügungen. Die gefällten Entscheidungen sind häufig von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre, teils Jahrzehnte.

Ginsburg übte ihr Amt an dem hochpolitischen Gericht bis zuletzt aus und galt als prominenteste Vertreterin des liberalen Flügels. Sie war in diesem Jahr mehrfach kurzzeitig im Krankenhaus behandelt worden.

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Sollte US-Präsident Donald Trump zum dritten Mal in seiner Amtszeit die Chance bekommen, einen Supreme-Court-Richter zu ernennen, könnte er damit das politisch äußerst wichtige Gericht auf Jahre beeinflussen. Der Republikaner hat sich bereits entschlossen gezeigt zu dem Versuch, den Richterposten auch noch in den letzten Monaten seiner aktuellen Amtszeit nachzubesetzen. „Ich würde es machen. Absolut. Ganz sicher“, sagte Trump vergangenen Monat in einem Radio-Interview.

Ginsburg ist ein Idol der Liberalen

Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert - und wurde zur wohl bekanntesten Richterin. Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne.

Einen Namen machte sich Ginsburg mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Bekannt war sie auch als Vorreiterin für Frauen- und Bürgerrechte. Ihr Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer Filme und Bücher. Viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.

Konterfei von Ruth Bader Ginsburg am Broadway in New York
Konterfei von Ruth Bader Ginsburg am Broadway in New York

© Reuters/Andrew Kelly

Ginsburg hatte sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten.

Nach mehreren Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe. Konsequenzen für ihren Posten am Supreme Court zog sie nicht: „Ich habe oft gesagt, dass ich Mitglied des Gerichts bleiben werde, so lange ich die Arbeit mit voller Kraft erledigen kann“, hatte sie bei Bekanntgabe der Erkrankung erklärt.

Konservative haben die Mehrheit im Supreme Court

Die Besetzung eines Richterpostens am Supreme Court ist ein großes Politikum. Mit der Ernennung kann der Präsident die Linie des obersten Gerichts mit seinen neun Richterstellen auf viele Jahre hinaus beeinflussen, denn die Richter werden auf Lebenszeit gewählt. Schon jetzt hat das oberste Gericht ein konservatives Übergewicht. Mit dem Tod Ginsburgs könnte sich dieses womöglich für lange Zeit festigen.

Derzeit gelten fünf Richter als konservativ, nach Ginsburgs Tod verbleiben noch drei im liberalen Block. Trump ernannte während seiner Amtszeit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Die Berufung Kavanaughs war wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in den 1980er Jahren heftig umstritten.

Republikaner wollen Besetzung vor der Wahl – Demokraten erst danach

Die republikanische Mehrheit im US-Senat will ungeachtet der nahenden Präsidentenwahl über die Nachfolge von Ginsburg am Obersten Gericht abstimmen. Das kündigte Mehrheitsführer Mitch McConnell wenige Stunden nach der Bekanntgabe ihres Todes an. Angesichts der herausragenden Bedeutung der Richterposten am Supreme Court für grundsätzliche Weichenstellungen in der US-Gesellschaft dürfte diese Position eine heftige politische Kontroverse auslösen.

„Der von Präsident Trump nominierte Kandidat wird eine Abstimmung im Senat der Vereinigten Staaten bekommen“, teilte McConnell mit. Im Jahr 2016 hatten die Republikaner unter seiner Führung einen vom damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama nominierten Supreme-Court-Kandidaten im Senat blockiert - auch unter Hinweis auf die anstehende Präsidentenwahl.

Mit Blick auf die damalige Vorgehensweise rief nun der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, die Republikaner auf, erst unter dem nächsten Präsidenten über die Nachbesetzung zu entscheiden. Er wiederholte dabei exakt McConnells Worte von 2016. Die Präsidentenwahl ist am 3. November, die Vereidigung des Gewinners am 20. Januar 2021.

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Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden rief dazu auf, in der aktuellen Amtszeit von Präsident Trump keinen Nachfolger für die verstorbene Ginsburg am Obersten Gericht der USA zu ernennen. „Ohne Zweifel sollten die Wähler den Präsidenten aussuchen, und der Präsident sollte den Richter dem Senat vorschlagen“, sagte Biden am Freitag über die Reihenfolge der zu treffenden Entscheidungen. Das sei die Position, die der Senat einnehmen müsse.

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Auch Obama erinnert Republikaner an Wahljahr 2016

Der frühere US-Präsident Barack Obama schloss sich den Forderungen an, die Position der verstorbenen Ginsburg nicht in der aktuellen Amtszeit seines Nachfolgers Trump nachzubesetzen. Im Wahljahr 2016 hätten die Republikaner „das Prinzip erfunden, dass der Senat eine Vakanz im Supreme Court nicht füllen sollte, bevor ein neuer Präsident vereidigt wird“, erklärte Obama in der Nacht zum Samstag. Ein Grundsatz von Recht und Fairness sei, dass Regeln einheitlich angewendet werden, und nicht abhängig davon, was gerade vorteilhaft sei. Die Republikaner im Senat hatten vor vier Jahren einen von Obama nominierten Kandidaten unter Verweis auf den unpassenden Zeitpunkt im Wahljahr blockiert.

Obama betonte, Entscheidungen des Gerichts würden in den kommenden Jahren bestimmen, „ob unsere Wirtschaft fair und unsere Gesellschaft gerecht ist, ob Frauen gleichberechtigt behandelt werden, ob unser Planet überlebt und unsere Demokratie bestehen bleibt“. Deshalb müsse das Verfahren bei der Nachfolgeregelung tadellos sein.

Obama würdigte Ginsburg als „eine Kriegerin für die Gleichberechtigung der Geschlechter“. Sie habe daran geglaubt, dass Gleichheit vor dem Gesetzt für jeden Amerikaner gelten müsse.

Ginsburg selber wollte einem Bericht zufolge, dass ihre freiwerdende Richterstelle am höchsten US-Gericht erst in der nächsten Präsidenten-Amtszeit besetzt wird. „Mein inbrünstigster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist“, habe Ginsburg wenige Tage vor ihrem Tod gesagt, berichtete der Rundfunksender NPR unter Berufung auf ihre Enkelin Clara Spera. (dpa)

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