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US-Präsident Donald Trump.

© Mandel Ngan/AFP

US-Präsidentschaftswahl: Trumps Gegner muss Entwurf eines anderen Amerikas liefern

Trump erklärt seine erneute Kandidatur. Die Demokraten haben die besseren Aussichten für 2020 - aber können aus eigener Kraft verlieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Was für einen Unterschied vier Jahre ausmachen! Als Donald Trump im Juni 2015 die Rolltreppe ins Foyer des Trump-Tower in New York hinunterfuhr, um vor den wartenden Kameras seine Präsidentschaftskandidatur zu erklären, fragten die Einen, ob das präsidial genug wirke. Und die Anderen verspotteten ihn: So ein Typ habe doch ohnehin keine Chance.

Seine Pressekonferenzen als Kandidat nutzte er bald darauf, um verschiedene Produkte unter dem Markennamen Trump gut sichtbar vor den Medien zu präsentieren: Trump-Steaks und Trump-Wein, Trump-Wasser und ein Hochglanz-Heft, das er als „Trump-Magazine“ anpries. Da glaubten viele: Der will gar nicht Präsident werden. Er nutze die Aufmerksamkeit der Kameras für PR, um den Wert der Marke Trump zu steigern. Doch dann siegte er immer weiter. In der Kandidatenkür der Republikaner. Und in der Hauptwahl 2016 gegen Hillary Clinton.

In der Nacht zu Mittwoch hat Trump erneut seine Kandidatur erklärt und den Wahlkampf vor 20.000 Anhängern in Orlando eröffnet – nun für die Präsidentschaftswahl 2020. Im Juni 2019 unterschätzt ihn kaum noch einer, weder in den USA noch in Europa. Viele verachten ihn weiter. Aber er steht im Mittelpunkt der US-Politik. Und der Weltpolitik. Auch wenn diese Erkenntnis schmerzt.

Da muss erst einmal eine oder einer aus der Demokratischen Partei kommen, die oder der ihn schlagen kann. Die Mehrheit der Amerikaner erwartet, dass er wiedergewählt wird – obwohl eine Mehrheit der US-Bürger ihn und seine Politik ablehnt.

Das ist die schwierige Herausforderung: einen nüchternen Blick auf die Aussichten für 2020 zu bewahren. Einen Blick, der weder dem Wunschdenken von 2016 folgt, dass einer wie Trump doch gar keine Chance habe. Und einen Blick, der nicht deshalb, weil man sich einmal geirrt hat, einem Fatalismus nachgibt, der ungefähr dieser Stimmung folgt: Diese blöden Amis wählen den am Ende wieder!

Zugespitzt gesagt hängt die Wahl 2020 nicht von Trump ab. Er kann nicht aus eigener Kraft gewinnen. Die Demokraten haben die besseren Aussichten. Aber sie können die Wahl aus eigener Kraft verlieren - nämlich dann, wenn sie zu viele Fehler machen.

Der Sieg 2016 verdankte sich einem "Perfect Storm"

Zunächst zu Trump. Dass er Präsident wurde, verdankte er einem "Perfect Storm": dem Zusammenwirken aus US-Wahlsystem und Stimmenverteilung. Trump hatte 2016 insgesamt rund drei Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton, aber in drei entscheidenden Staaten – Michigan, Wisconsin und Pennsylvania – verschafften ihm weniger als 100.000 Stimmen Vorsprung den Sieg. Landesweit errang er 46 Prozent der Stimmen, Clinton 48 Prozent. In einem "normalen" Jahr mit einer "normalen" Stimmenverteilung hätten 46 Prozent nicht genügt, damit Trump Präsident wird.

Dieses Ausmaß an Unterstützung, das nur in einer Ausnahmesituation für den Sieg reichte, hat Trump seither nie wieder erreicht. In schlechten Zeiten hatte er im Schnitt der Umfragen unter 38 Prozent Zustimmung, in guten Zeiten 45 Prozent. Derzeit sind es 44 Prozent. Und diesmal sind die Demokraten vorgewarnt. Ein zweites Mal werden sie Trump in den ehemals demokratischen Arbeiterstaaten nicht unterschätzen.

Umfragen zufolge stehen Trumps Chancen nicht so gut

Dennoch: Ob Trump die Wiederwahl verpasst, wie es die nüchternen Umfragedaten nahelegen, hängt vor allem davon ab, wer gegen ihn antritt. Und ob diese Person ihre Chancen optimal nutzt oder Fehler begeht. Ein Problem der Demokraten besteht darin, dass viel zu viele Trump für schlagbar halten und deshalb ihre Kandidatur erklärt haben. Bereits jetzt sind es 23 Bewerber, die mit unterschiedlichen Strategien um die Gunst der Wähler werben. 2016 hatten nur drei Bewerber kandidiert.

Es kann sein, dass die oder der am besten geeignete Bewerber(in) in der Masse untergeht und nie den Durchbruch schafft. Die aktuellen Umfragen zu diesem frühen Zeitpunkt – anderthalb Jahre vor dem Wahltag – spiegeln jedenfalls nicht, wen die US-Wähler aus Überzeugung unterstützen. Sondern welche Namen am ehesten landesweit bekannt sind.

Natürlich führt Joe Biden. Seinen Namen kennt nahezu jeder, er war acht Jahre Vizepräsident von Barack Obama. Ähnlich der Zweite, Bernie Sanders. Der war 2016 Hillary Clintons schärfster Konkurrent. Aber sind alte Männer, die nochmal drei bis vier Jahre älter sind als der 73-jährige Trump wirklich das Beste, was die Demokraten zu bieten haben?

Bei den Demokraten führen Bekannte und nicht die Besten

Ein Generationswechsel eröffnet vermutlich bessere Chancen. Doch die Jüngeren wie Pete Buttigieg oder Beto O'Rourke rangieren derzeit noch im Keller der Umfragen. Es müsste eine Person sein, die Hoffnungen weckt. Die eine mitreißende Biografie mitbringt wie Barack Obama. Die nicht zu weit links steht wie Elizabeth Warren oder Sanders, die den Amerikanern Sozialismus versprechen. Und die in den TV-Debatten, wenn Trump unter die Gürtellinie zielt, nicht einknickt, sondern sich zur Wehr setzen kann.

Die Wirtschaftszahlen sind ein mächtiger Wahlhelfer für Trump. Eine erfolgversprechende Strategie der Demokraten müsste lauten: Mit uns bekommt ihr die gleiche gute Wirtschaft und die gleichfalls niedrigen Arbeitslosenzahlen – nur mit weniger Drama als unter Trump.

Trump setzt auf Dreierlei. Erstens, dass er unterschätzt wird wie 2016. Zweitens auf die gute Wirtschaft, die ihm zu verdanken sei. Drittens auf Ängste wie die vor illegaler Zuwanderung. Oder vor Terror. Solange unklar ist, wer aus dem Rennen der zwei Dutzend Demokraten um die Nominierung als Kandidatin oder Kandidat hervorgeht, bestimmt Trump den nationalen Dialog.

Die Demokraten müssen dem einen machtvollen Entwurf eines ganz anderen Amerikas entgegensetzen: jünger, idealistischer (ohne utopisch zu wirken) und mehr auf Selbstvertrauen als auf die Abwehr von Gefahren fixiert.

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