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Ein Graffiti an einer Wand in Mombasa (Kenia) fordert Menschen mit einem Slogan auf Swahili "Piga kura sio mtu" (Gebt Eure Stimme friedlich ab) dazu auf, friedlich an der Parlamentswahl teilzunehmen.

© Janer Murikira/dpa

Wahlen in Kenia: Zwei politische Dynastien, ein enges Rennen und ein politischer Mord

Zehn Jahre, nachdem eine enge Wahl Kenia an den Rand eines Bürgerkriegs geführt hat, wird dort wieder gewählt. Die Konkurrenten von damals stehen sich wieder gegenüber.

Es hätten für kenianische Verhältnisse geradezu langweilige Wahlen werden können. Am Dienstag stellt sich der amtierende Präsident Uhuru Kenyatta gegen seinen ewigen Rivalen Raila Odinga zur Wiederwahl. Der 55-jährige Kenyatta ist der Sohn des ersten Präsidenten Kenias, Jomo Kenyatta, und gehört als Kikuyu einer der drei größten Ethnien Kenias an. Der 72-jährige Odinga ist der Sohn des ersten Vize-Präsidenten Kenias, der Luo kandidiert das vierte und vielleicht letzte Mal, um das höchste Amt im Land.

Schon vor vier Jahren standen sich die beiden Söhne bei der Wahl gegenüber. Kenyatta gewann mit knapp über 50 Prozent, doch es gab Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses. Nicht so große wie 2007, als Raila Odinga gegen Kenyattas damaligen Chef Mwai Kibaki antrat. Kibaki erklärte sich trotz erheblicher Zweifel am Ergebnis zum Präsidenten. Nach mehr als 1200 Toten und mehreren Zehntausend intern Vertriebenen wurde Raila Odinga Kibakis Premierminsiter in einer großen Koalition.

Raila Odinga will es noch einmal wissen - zum vierten Mal

Aber jetzt will es Raila Odinga wissen. Schon 2007 hat seine Nicht-Anerkennung des Wahlergebnisses zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Die 19,6 Millionen registrierten Wähler sind so gespalten wie in den vorhergehenden Wahlen. Die letzten Meinungsumfragen sahen die beiden Kandidaten nur um drei Prozentpunkte auseinander. Als Raila Odinga vor zwei Jahren in Berlin Station machte, sagte er auf die Frage, ob er denn 2017 tatsächlich noch einmal antreten würde: „Ich betrete diese Brücke, wenn es so weit ist.“ Er wusste damals schon, dass er so lange kandidieren würde, bis er dann doch einmal gewählt werden wird. Sein Hauptargument: Die Lebenshaltungskosten sind zu hoch. Tatsächlich sind die Preise für weißes Maismehl, woraus das Hauptnahrungsmittel Ugali, ein fester Maisbrei, hergestellt wird, zwischenzeitlich sehr hoch gewesen. Die Regale in den Supermärkten waren leer gefegt. Und die Dürre im Norden des Landes hat einen Teil der armen Bevölkerung dort an den Rand der Hungersnot gebracht. Doch die jüngste Maisernte vor wenigen Wochen hat die Lage offenbar wieder leicht entspannt.

Was hat die Regierung Kenyatta erreicht?

Uhuru Kenyattas Argument für seine Wiederwahl lautet: „Wir haben den Grundstein gelegt, und in den kommenden fünf Jahren vollenden wir das Werk.“ Pünktlich zur Untermauerung dieser These eröffnete am 31. Mai die von Chinesen gebaute Eisenbahnstrecke zwischen Mombasa an der Küste und der Hauptstadt Nairobi. Das verkürzt die Fahrtzeit gewaltig, ist aber komplett auf Pump finanziert. Wie auch viele andere Projekte der Regierung Kenyatta. Die ersten zwei Jahre verbrachten er und sein Vize William Ruto überwiegend damit, die Anklagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu untergraben. Beide waren als Verantwortliche für die tödliche Gewalt nach der Wahl 2007 angeklagt worden, wenn auch damals auf der jeweils anderen Seite des Schützengrabens. Beide Verfahren wurden mit Hilfe von viel staatlichem Geld für die Anwälte inzwischen eingestellt, wegen des Mangels an Beweisen. Kenyatta und Ruto haben derweil viel Zeit damit verbracht, in Afrika dafür die werben, den IStGH zu verlassen.

Kenias Präsident Uhuru Kenyatta (links) und sein Vize William Ruto wollen weitere fünf Jahre regieren.
Kenias Präsident Uhuru Kenyatta (links) und sein Vize William Ruto wollen weitere fünf Jahre regieren.

© Tony Karumba/AFP

Und die Korruption, die die beiden bekämpfen wollten, dürfte ein selbst für Kenia bedenkliches Maß erreicht haben. Transparency International listete Kenia im vergangenen Jahr in seinem Korruptionsindex auf Platz 145 von 176 Ländern. Dazu dürfte ein Eurobond, eine hohe Staatsanleihe Kenias, beigetragen haben, der mehrfach überzeichnet war. Nur wo das Geld geblieben ist, vermochte die Regierung nie zu beantworten. Die politische Wirtschaft Kenias ist enorm anfällig. Denn vieles ist in Kenia staatsgetrieben. Wer die Macht hat, kann die Ausschreibungen so steuern, dass die eigenen Eliten die Zuschläge bekommen. In Kenia gilt: Wer die Wahl gewonnen hat, nimmt sich alles. William Ruto scheint das besonders Ernst genommen zu haben. Jedenfalls hat er seine Amtszeit genutzt, um mehrere große Anwesen zu erwerben, und seinen Reichtum deutlich zu mehren.

Tribalismus oder Politik?

Viele Kenianer würden zwar der Auffassung von Peter Aling’o, dem politischen Analysten des südafrikansichen Thinktanks ISS in Nairobi, zustimmen, der sagt: „Der Tribalismus ist überwiegend ein politisches Konstrukt, das von Politikern ausgenutzt wird.“ Dennoch funktionieren die Wahlen seit der Einführung des Mehrparteiensystems 1992 immer entlang der ethnischen Linien. Die Luos fühlen sich seit der Gründung Kenias 1963 marginalisiert. Oft bilden sie mit den Luhyas, der dritten großen Ethnie in Kenia, ein Wahlbündnis. Auch diesmal haben sie sich zusammen geschlossen. Doch den Ausschlag geben in der Regel die Kalenjin im Rift Valley. Wer es schafft, die Kalenjin in sein Wahlbündnis zu ziehen, hat in der Regel eine knappe Mehrheit. Die Kalenjin unterstützen überwiegend Kenyattas Vize-Präsidenten William Ruto, der wieder gemeinsam mit dem Präsidenten antritt. Doch diesmal haben sich eine Reihe kleinerer Ethnien, von den Kamba um Odingas designierten Vizepräsidenten Kalonzo Musyoka, bis zu den Maasai, dem Hirtenvolk, das einen Großteil seines Landes an die Kikuyu verloren hat, auf die Oppositionsseite geschlagen.

Mord am IT-Chef der Wahlkommission

Aber Wafula Chebukati ist nicht Attahiru Jega. Wafula Chebukati ist der Vorsitzende der kenianischen Wahlkommission (IEBC) und dafür verantwortlich, dass am 8. August freie und faire Wahlen in dem ostafrianischen Land stattfinden. Der Anwalt und Golfer Chebukati ist vom Präsidenten Uhuru Kenyatta, der am Dienstag wieder gewählt werden will, erst im Januar nominiert worden. Attahiru Jega hat 2015 in Nigeria als Chef der dortigen Wahlkommission bewiesen, dass mit Hilfe von biometrischen Erkennungssystemen eine freie und faire Wahl möglich ist. Der unerschrockene Professor aus Kano in Nordnigeria ließ sich auch vom Militär nicht aus der Ruhe bringen. Ob Wafula Chebukati nach der Wahl so viel Hochachtung entgegen gebracht werden wird wie Jega, wird sich spätestens sieben Tage nach der Wahl zeigen. Dann muss Chebukati das Wahlergebnis spätestens bekannt gegeben haben.

Am 31. Juli verschwand Chebukatis Experte für das elektronische Wahlsystem, der Chef der IT-Abteilung der IEBC, Christopher Msando. Drei Tage später wurde sein verstümmelter Körper gefunden. Er war offensichtlich gefoltert worden. Er war einer der wenigen, die wussten, wo die Wahlserver des elektronischen Wahlsystems stehen, und mit welchen Passwörtern das System zugänglich ist. Die Schockwelle ist groß. Und dass die Opposition nur Tage später der Regierung vorwarf, das Oppositions-Wahlzentrum durch Polizei-Spezialkräfte plündern und zerstören zu lassen, hilft auch nicht. Am Tag, als Christopher Msando verschwand, tat sich sein Chef schwer, zu erklären, warum 1,3 Millionen Wahlzettel mehr gedruckt worden waren, als nötig sind, um alle registrierten Wähler zu versorgen – und noch einen Vorrat zu haben, falls ein Teil verloren ginge oder aus anderen Gründen gebraucht würde. Diese Wahlzettel könnten auch zum Nachhelfen dienen, argwöhnt die Opposition.

Der 72-jährige Oppositionsführer Raila Odinga kandidiert zum vierten Mal um die Präsidentschaft. Diesmal wird er von dem höchst flexiblen Kalonzo Musyoka unterstützt.
Der 72-jährige Oppositionsführer Raila Odinga kandidiert zum vierten Mal um die Präsidentschaft. Diesmal wird er von dem höchst flexiblen Kalonzo Musyoka unterstützt.

© Simon Maina/AFP

Aus Oppositionssicht liegt wieder ein Wahlbetrug in der Luft. Die europäischen Wahlbeobachter sind mit 130 Leuten und der niederländischen Europaabgeordneten Marietje Schaake an der Spitze in der Hauptstadt eingetroffen. Der Commonwealth hat den früheren Präsidenten Ghanas, John Mahama an die Spitze seiner Wahlbeobachtungstruppe gesetzt. Auch die Afrikanische Union bietet mit dem früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki an der Spitze ein politisches Schwergewicht auf, um die Wahlen zu beobachten. Und das Cartercenter des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter hat mit dem früheren US-Außenminister John Kerry und der früheren senegalesischen Premierministerin Aminata Touré ebenfalls politische Prominenz nach Nairobi geschickt.

Was Hoffnung macht

Zwei Faktoren sprechen gegen bürgerkriegsähnliche Zustände: Zum einen werden auch 47 Gouverneure gewählt. Die Dezentralisierung der Macht und des Geldes hat die politische Ökonomie Kenias zumindest leicht zugunsten der Provinzen verschoben. Die Hälfte der registrierten Wähler sind zwischen 18 und 35 Jahre alt, und es kandidieren auch unabhängige, junge Kandidaten, die womöglich auch die politische Kultur in Kenia ändern könnten. Der prominenteste von ihnen ist Boniface Mwangi, der in einem Stadtteil von Nairobi um einen Parlamentssitz kämpft. Er ist berühmt geworden, als er Schweine vor das kenianische Parlament trieb, um gegen die grassierende Korruption zu protestieren.

Und: 2007 fanden die meisten Kämpfe zwischen Kikuyu und Kalenjin statt. Und die kandidieren diesmal wieder gemeinsam. Doch im Juli nahm die wahlbedingte Gewalt deutlich zu. Nicht nur der Mord an Msando gehört dazu. Es gab auch Kämpfe in Mathare, einem Slum in Nairobi, in dem traditionell mehrere Ethnien überwiegend friedlich zusammenleben, außer rund um die Wahlen.

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