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Heiß auf Fußball? Zumindest das Maskottchen der WM 2018 ist es.

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Confed-Cup: Korruption und Kopfbälle in Russland

Der Confed-Cup ist der Probelauf für die WM 2018. Wie gut ist Russland vorbereitet? Ein Besuch.

Was ist jetzt eigentlich mit den Demonstrationen? Witali Mutko wird mit der Frage gerechnet haben, aber er gibt sich allergrößte Mühe, sie nicht zu verstehen. Hm, Demonstrationen. Wirklich? Beim Confed-Cup? Ja, da war mal was in Brasilien, als das Volk aufstand, weil es nicht verstehen mochte, dass teure Protzbauten in die Landschaft gesetzt wurden anstelle von Schulen und Krankenhäusern. Falscher Vergleich, sagt Russlands stellvertretender Ministerpräsident, das sei vier Jahre her und nicht zielführend, „bei uns unterstützen 99,7 Prozent der Bürger den Confed-Cup und die Weltmeisterschaft“.

So schöne Werte werden für gewöhnlich nur bei Umfragen in Nordkorea erzielt, aber das stört Mutko natürlich nicht. Wäre eine unnötige Steilvorlage für Russlands gar nicht so wenige Kritiker, nachdem vor ein paar Wochen publik wurde, dass Kim Jong-Uns Arbeitssklaven unter furchtbaren Bedingungen für die Fertigstellung russischer Fußballstadien schufteten. „Aber das ist vorbei“, sagt Fatma Samoura, die Generalsekretärin des Weltverbandes Fifa aus dem Senegal. „Es gab da ein Problem, aber bei unseren jüngsten Untersuchungen haben wir festgestellt, dass dieses Problem gelöst wurde.“ Mal abgesehen davon, dass Fifa-interne Untersuchungen mit einer gewissen Skepsis zu betrachten sind – wenn denn der Confed-Cup in Russland für etwas gut ist, dann für die Aufdeckung solcher Missstände. Die Sklaven-Vermietung des nordkoreanischen Regimes besteht schon seit Jahren und ist keineswegs auf den Fußball zu reduzieren, aber ohne die Fokussierung der globalen Aufmerksamkeit auf den Confed-Cup wäre all das vielleicht nie ans Licht gekommen.

Was nun die eventuell zu erwartenden Demonstrationen betrifft: Sie würden sich in Russland gewiss nicht vorrangig gegen das Turnier der Erdteilmeister richten, wie ja auch der brasilianische Aufschrei vor der Weltmeisterschaft 2014 keineswegs prinzipiell gegen den großen Fußball artikuliert wurde. Weil aber nun mal die ganze Welt zuschaut, lässt sich schwerlich eine bessere Bühne für die Artikulierung politischer Anliegen finden. Demokratien mit 99,7-prozentiger Zustimmung provozieren in dieser diversifizierten Welt per se Misstrauen. Am Montag hat in ganz Russland im Allgemeinen und im Besonderen auf dem Marsfeld im Confed-Cup-Hauptspielort St. Petersburg die russische Jugend protestiert. Nicht so sehr gegen den Confed-Cup, aber umso entschiedener gegen Wladimir Putins Interpretation der demokratischen Idee und den in oberen Schichten der Bevölkerung exzessiv verbreiteten Hang zur Korruption. Um die 400 Menschen sollen allein in St. Petersburg verhaftet worden sein. „In diesem Land gibt es Gesetze, an die man sich halten muss“, sagt Witali Mutko, „aber es ist ein offenes Land“, und er lade jeden gern persönlich ein, der sich auf den Baustellen für die WM über das Wohlergehen der Arbeiter erkundigen wolle.

Stadion in St. Petersburg soll 800 Millionen Euro gekostet haben

In St. Petersburg haben die braven Arbeiter noch am Tag vor dem Eröffnungsspiel gehämmert und gesägt und geschweißt. Das neue Stadion auf der Insel Krestowskij am Finnischen Meerbusen ist seit elf Jahren ein Fall steter Hinweise auf Korruption, es dürfte nach Recherchen der ARD um die 800 Millionen Euro gekostet haben und damit das teuerste der Welt sein. Krestowskij ist das Refugium der Schönen und Reichen, sie waren wohl nicht allzu begeistert davon, dass künftig alle paar Tage das gemeine Volk einfallen wird. Von der Metrostation geht es einen Kilometer lang über eine von Linden gesäumte Allee, vorbei an einem Vergnügungspark mit kreischenden Kindern, junge Frauen schieben Kinderwagen durch das Grün, fliegende Händler verkaufen Blumen, Skater drehen ihre Runden auf dem Asphalt. Es ist die perfekte Inszenierung einer in sich ruhenden Gesellschaft, und wer nach zwanzig Minuten endlich vor dem Stadion steht, mag keinen Gedanken mehr an politische Dissonanzen verschwenden.

Vor dem Stadion wacht die Statue von Sergei Mironowitsch Kirow, einem Weggefährten Stalins, der diesen in einem anderen Zeitalter als „den besten Steuermann unseres großen sozialistischen Landes“ rühmte. In Kropywnyzkyj, dem ehemaligen Kirowgrad, ist ein ähnliches Monument vor ein paar Jahren geschleift worden. Aber in St. Petersburg gilt der dort vor 83 Jahren ermordete Mann immer noch als Held.

Das Stadion liegt in Sichtweite der Ostsee, gleich neben einer futurisch geschwungenen Brücke über das Wasser. Äußeres Merkmal ist eine atemberaubende Dachkonstruktion. Von innen sieht es so aus wie all die modernen Blechdosen zwischen Rio und Sinsheim. Fußball ist ein universelles und gleichmacherisches Geschäft geworden, das ist kein Problem Russlands, aber eben auch dort zu beobachten. Der Confed-Cup ist die Generalprobe für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr, was bei der Fifa niemand so sagt, aber doch jeder so sieht.

Einiges spricht dafür, dass die zehnte Auflage dieses ungeliebten Wettbewerbs die letzte ist. Die Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura will sich dazu nicht weiter äußern und sagt nur, „dass wir uns jetzt erst nur auf dieses Turnier konzentrieren“. Ein Dementi klingt anders. Beim nächsten Mal in vier Jahren müsste der Confed-Cup in Katar ausgespielt werden – eine Generalprobe dort würde schon mal wegen der nicht vorhandenen Erfahrungswerte Sinn machen. Sie müsste dann aber auch wie die ein Jahr später folgende WM in den Dezember verlegt werden, denn ein Winter in der Wüste lässt sich schon mal aus klimatischen Gründen schwerlich im Sommer simulieren. Da aber die großen europäischen Ligen schon die Winter-WM 2022 nur unter größtem Protest hingenommen haben, ist ein ähnliches Szenario mit der Abstellung der weltbesten Spieler für ein sportlich bedeutungsloses Turnier nicht mal mit größter Fantasie vorstellbar. Da der Confed-Cup finanziell ohnehin ein Zuschussgeschäft ist und der Fifa nur Ärger einbringt, bietet eine terminlich und wetterbedingte Absage für Katar eine perfekte Chance, das Turnier stillschweigend und ohne größeren Gesichtsverlust einschlafen zu lassen.

Russlands Lieber gilt dem Eishockey

Jetzt darf noch mal in Russland getestet werden. Wer weiß schon, was passieren wird in diesem Land, dessen Sportbegeisterung zwar groß ist, aber nicht unbedingt auf den Fußball fokussiert. Russlands Liebe gilt dem Eishockey, der Fußball läuft so ein bisschen nebenher, mit entsprechend reduziertem Erfolg. Was noch bei der Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz nach dem Einzug ins Halbfinale als Aufbruch in ein neues Zeitalter gefeiert wurde, ist in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Die nationale Premjer Liga lockt mit viel Geld, aber wenig Erfolg, in der Champions League spielen die russischen Mannschaften traditionell eine untergeordnete Rolle. Witali Mutko war mal Präsident von Wladimir Putins Lieblingsklub Zenit St. Petersburg, der seit Jahren vergeblich versucht, zur europäischen Elite aufzuschließen. In der vergangenen Saison hat es daheim nur zu Platz drei und damit nicht für die Champions League gereicht, eine kleine Katastrophe für den reichsten Klub des Landes. In Zukunft soll der Italiener Roberto Mancini Zenits Geschicke verwalten, aber auch dessen große Zeiten in Diensten von Manchester City liegen schon ein paar Jahre zurück.

Am meisten freuen sie sich in St. Petersburg auf den kommenden Samstag. Dann erfährt das teure, neue, futuristische Stadion seine Adelung beim Vorrundenspiel zwischen Portugal und Neuseeland durch Cristiano Ronaldo. Der beste Fußballspieler der Welt beschert der Stadt auch auf dem grünen Rasen den Glanz, den sie unter Touristen dank der Eremitage oder der Peter-und-Paul-Festung genießt. Für den portugiesischen Patrioten Ronaldo war die Teilnahme eine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegensatz zu seinen deutschen Kollegen. Der Bundestrainer Joachim Löw wünscht Größen wie Jérôme Boateng, Thomas Müller und Toni Kroos einen schönen Sommer und bietet dafür Kerem Demirbay, Amin Younes und Diego Demme auf. Das befriedet die Liga und lässt sich bequem mit dem allgemeinen Groll auf die Fifa rechtfertigen. Keiner denkt mehr zurück an 2005, als Deutschland seine Generalprobe für das Sommermärchen und vor allem sich selbst feierte. Was hätte das für einen Sturm der Entrüstung gegeben, wenn Brasilien und Argentinien damals mit einer Ersatzmannschaft angetreten wären?

Die Skandale der Fifa, Wladimir Putins Demokratur und Kim Jong-Uns Sklavenhandel kommen den Deutschen gar nicht so ungelegen.

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