zum Hauptinhalt
Auf Distanz. Melania Trump ist seit 13 Jahren mit Donald Trump verheiratet.

© Carlos Barria/Reuters

Die Entfremdung der First Lady: Melania Trump: Die stille Radikale

Immer häufiger brüskiert Melania Trump ihren Mann in aller Öffentlichkeit. Nun könnte sie für Präsident Donald Trump zur gefährlichen Gegnerin werden.

Die Stimme leise, das Lächeln gesetzt, der osteuropäische Akzent stark, im Blitzlichtgewitter zucken die Augen ein wenig. Ihre Rede liest sie ab, wie immer langsam und konzentriert. Wenn Melania Trump, die First Lady Amerikas, auftritt, ist nichts spontan, zufällig, niemals. Das gibt ihren Worten Gewicht.

Wenn einst die Geschichte der Präsidentschaft von Donald Trump verfasst wird, schrieb am Dienstag vergangener Woche der „New York Times“-Kolumnist Frank Bruni, wird der 20. August 2018 womöglich als „Melania Monday“ vermerkt. Der Tag, an dem aus der stillen Rebellin eine offene Gegnerin ihres Mannes wurde. „Sie findet immer klügere Wege, ihre Verachtung für ihn zu zeigen. Und es ist eine perfekte Liaison aus Patriotismus und Rache für all die Erniedrigungen, die er ihr zugefügt hat.“ Was war passiert?

Eine Konferenz in der Stadt Rockville im US-Bundesstaat Maryland. Es geht um „Cyberbullying“, das Mobbing in sozialen Medien, auf Facebook, Instagram, Twitter. Es ist das Thema, mit dem Melania Trump schon seit langer Zeit punkten will, das ihrem inoffiziellen Amt als First Lady Profil geben soll. Dazu hat sie die „Be Best“-Kampagne gestartet, eine Initiative, die Kindern und Jugendlichen vermitteln soll, wie sie beim Kommunizieren in sozialen Netzwerken anständig bleiben. Soziale Medien „können auf viele gute Weisen genutzt werden“, sagt die 48-Jährige in einem Raum des Gesundheitsministeriums. „Aber sie können auch Schaden zufügen, wenn sie falsch gebraucht werden.“

Ihren Mann erwähnt sie mit keinem Wort. Aber das muss sie gar nicht, um verstanden zu werden. „Seien wir ehrlich, die meisten Kinder sind sich der Fallstricke der sozialen Medien eher bewusst als einige Erwachsene.“ Auch das ist von ihr.

"Ich habe nur ein Ziel: Kindern zu helfen"

„Ich weiß sehr genau, dass Menschen mir gegenüber misstrauisch sind, wenn ich über dieses Thema rede“, sagte Melania Trump im März bei einer ähnlichen Konferenz. „Aber das wird mich nicht aufhalten, das zu tun, von dem ich weiß, dass es richtig ist. Ich habe nur ein Ziel: Kindern zu helfen und unserer nächsten Generation.“

Nur ein Ziel? Just in jenen sozialen Medien, aus denen die „Flotus“, First Lady of the United States, das Mobbing verbannen will, erntet sie mit ihrer „Be Best“-Initiative Hohn und Spott. „Liebe First Lady, ich hoffe, dir ist klar, dass du mit dem Inbegriff des Cyberbullys verheiratet bist. Deine Arbeit beginnt zu Hause. Sofort“, schreibt ihr ein Follower auf Twitter.

In der Tat: Wenn eines die Präsidentschaft von Donald Trump kennzeichnet, dann sind es seine Tweets. Mal launig, mal aggressiv, oft verletzend. Seitdem er seine Kandidatur für das Amt erklärte, hat Trump mindestens 487 Menschen, Unternehmen oder Institutionen direkt angegriffen, zählten amerikanische Medien. Er beschimpft sie als „klein“, „widerlich“, „gemein“. Noch am selben Tag, an dem seine Ehefrau vor den zerstörerischen Folgen des Mobbings in sozialen Netzwerken warnt, sendet der Präsident ein paar Tweets in die Umlaufbahn: Die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller zur Aufklärung der Russlandaffäre sei eine „nationale Schande“, den Ex-Chef der CIA, John Brennan, nennt er den „schlechtesten CIA-Chef in der Geschichte unseres Landes“. Dass Justizminister Jeff Sessions einen kritischen Mitarbeiter nicht gefeuert habe, sei „ein Witz“.

Er stürmt die Treppe hoch, ignoriert sie

Es kursieren Gerüchte über eine Krise des Paares und mögliche Scheidung. Laura und George W. Bush, Hillary und Bill Clinton, Michelle und Barack Obama – die haben sich, trotz mancher Differenzen, auch öffentlich geherzt und liebkost. Ganz anders die Trumps. Legendär bereits die Szene bei der Amtseinführung, dem Abschiedsbesuch bei den Obamas. Die Limousine hält, die Autotür wird geöffnet, Trump stürmt hinaus, läuft die Treppe hoch. Melania ignoriert er, hilft ihr nicht aus dem Wagen, lässt sie mit großem Abstand hinterherlaufen.

Ins Weiße Haus zieht sie erst ein halbes Jahr später ein. Ihr Stab im East Wing ist mit zehn Mitarbeitern nicht einmal halb so groß wie der von Michelle Obama, Hillary Clinton oder Laura Bush. In Kleidungs- wie Möbelfragen bevorzugt das ehemalige Model klare, einfache Formen. Entsprechende Möbel sucht sie sich aus. Doch ihr Mann, mit seinem Hang zum Bombastischen, tauscht die Stücke in ihrer Abwesenheit gegen andere aus. Im Weißen Haus hat sie ein eigenes Schlafzimmer, auf Reisen beziehen sie getrennte Suiten. Im Internet sammeln Beobachter gar Beweise dafür, dass Melania sich bei offiziellen Anlässen gelegentlich von einer Doppelgängerin vertreten lässt. Sie wollen optische Unterschiede und Ungereimtheiten ausgemacht haben.

Dann die Szene bei ihrem Israel-Besuch im Mai. Nach der Ankunft am Flughafen will Donald ihre Hand nehmen, Melania schiebt sie genervt weg. Oder die erste Rede des Präsidenten zur Lage der Nation im Januar: Kurz zuvor war Trumps Affäre mit Pornodarstellerin Stormy Daniels bekannt geworden, die nach der Geburt von Donald und Melanias Sohn Barron im März 2006 begonnen haben soll. Wieder so eine Demütigung, wie zuvor schon Donalds Pussygrabber-Sprüche („Wenn du ein Star bist, kannst du mit Frauen alles machen, du kannst ihnen einfach zwischen die Beine greifen“). Demonstrativ fährt Melania vor der Rede ihres Mannes mit einem eigenem Wagen zum Kongress und beteiligt sich nicht am stehenden Applaus, als ihr Mann die Bedeutung der Familie in der Gesellschaft lobt. Schon damals prognostiziert die „New York Times“ eine „stille Radikalisierung der First Lady“.

First-lady-like. Melania Trump kommt selbst zum Bäumepflanzen in Stilettos.
First-lady-like. Melania Trump kommt selbst zum Bäumepflanzen in Stilettos.

© Saul Loeb/AFP

Nach Außen indes ist alles gut. Am Montag dieser Woche pflanzte Melania Trump mit Nachfahren der US-Präsidenten Eisenhower und Monroe einen Eichenschößling im Garten des Weißen Hauses, ganz pflichtschuldige First Lady. Die „Be Best“-Kampagne seiner Frau lobt Donald Trump als „wahrhaftig schön und von Herzen kommend“. Sie wiederum beteuert ein ums andere Mal, wie stark und klug und durchsetzungsfähig ihr Mann sei. Zu jedem Indiz, das auf eine wachsende Entfremdung hinweist, gibt es ein Gegenindiz. Ist Melania einfach nur selbstbewusst und macht ihr eigenes Ding? Das betont ihre Sprecherin oft.

Ihr eigenes Ding ist freilich sehr eigen. Nach dem Massaker von Parkland im Bundesstaat Florida äußert sich Melania Trump bewundernd über die Schülerbewegung, die schärfere Waffengesetze fordert, welche ihr Mann strikt ablehnt. Im Oktober will sie ohne ihren Mann Afrika besuchen. „Wir sind eine globale Gesellschaft, und ich glaube, dass wir durch einen offenen Dialog und den Austausch von Ideen voneinander lernen können.“ Das klingt ganz anders als die Hetze ihres Mannes über „shithole-countries“, Drecksloch-Länder, und die Globalisierung im allgemeinen.

Als Donald Trump vor wenigen Wochen in einem Tweet über einen seiner prominenten Kritiker, den Basketballspieler LeBron James herzieht, und diesem Dummheit vorwirft, lässt Melania Trump eine persönliche Erklärung veröffentlichen, in der sie James’ Engagement für Kinder lobt. Als Donald Trump an Bord der Air Force One ausflippt, weil seine Frau CNN guckt statt seines Lieblingssenders „Fox News“, heißt es aus dem Stab von Melania, die First Lady schaue Sendungen „auf jedem Kanal, den sie will.“ Während Donald Trump wohlwollend zusieht, wie die Kinder von illegalen Einwanderern von ihren Eltern getrennt werden, fährt Melania zu Kinderauffanglagern in Texas und verurteilt die Praxis.

Auf ihrer Parka-Jacke steht damals der provozierende Satz „I really don’t care, do u?“ – es ist mir wirklich egal, und euch? Über die Bedeutung dieses Slogans wird lange gerätselt. Wen meint sie? Die Medien, die auch an ihr oft kein gutes Haar lassen, sie aalglatt und gesichtslos nennen? So die Interpretation ihres Mannes. Oder ihren Mann selbst, der kein Mitleid mit den Kindern illegaler Einwanderer hat? Ihre Sprecherin im East Wing dementiert, dass der Spruch überhaupt eine Bedeutung gehabt hätte.

Kein Begriff will an ihr kleben bleiben

Melania Trump, die Sphinx, die Geheimnisvolle, Unkonventionelle, Unnahbare, Zurückgezogene, Aufmüpfige. Kein Begriff will an ihr kleben bleiben. Sie fremdelt mit der Rolle als First Lady, flieht die Enge der vielen Klischees, die damit verbunden sind. Als da wären: bescheiden, diplomatisch, mitfühlend, bodenständig. An der Seite ihres Mannes scheint sie sich unwohl zu fühlen. Andererseits soll ihr Einfluss auf ihn sehr groß sein. Die Journalistin Kate Andersen Brower hat ein Buch geschrieben über „First Women: The Grace and Power of America’s Modern First Ladies“. Mit Ausnahme der Clintons habe es in der neueren US-Geschichte kein Präsidentenpaar gegeben, das komplizierter gewesen sei, schreibt sie.

Stand by your man, stehe deinem Ehemann zur Seite, das aber sei stets die verbindende Maxime gewesen. Hillary Clinton hielt trotz der Lewinsky-Affäre zu Bill. Nancy Reagan verehrte ihren Mann Ronald demonstrativ. Barbara und Laura Bush schlüpften beide in das traditionelle Rollenbild, propagierten Lese- und Bildungsprogramme. Lediglich Michelle Obama habe sich von der ewig bewundernden Rhetorik abgegrenzt. Ihr Mann sei nicht perfekt, sagte sie einmal, „und ich möchte nicht, dass die ganze Welt will, dass er perfekt ist“.

Geboren wird die heutige First Lady als Melania Knauss in einer Kleinstadt in Slowenien, die Mutter ist Schneiderin, der Vater Automechaniker. Beide sind Mitglieder der Kommunistischen Partei, trotzdem kirchlich getraut, Melania getauft. Die hübsche Tochter steht schon mit fünf Jahren auf dem Laufsteg. Nach Abschluss der Schule beginnt sie ein Architekturstudium, bricht es aber aufgrund schlechter Leistungen nach einem Jahr ab. Es folgen diverse Modelaufträge, im Jahr 1995 holt sie ein Agent nach New York, wo sie drei Jahre später auf einer Party den Milliardär Donald Trump kennenlernt. Der ist zu der Zeit noch mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Marla Maples verheiratet, lebt aber schon getrennt von ihr.

Das Brautkleid kostete 125.000 Dollar, der Ehering 1,5 Millionen

Am 22. Januar 2005 heiraten Melania Knauss und Donald Trump in Palm Beach, Florida. Zu den Gästen gehören Arnold Schwarzenegger, Muhammad Ali, Liza Minelli, Elton John, Luciano Pavarotti, Oprah Winfrey, Prinz Charles, Henry Kissinger, Hillary und Bill Clinton. Das Brautkleid von Christian Dior, mit 1500 Edelsteinen besetzt, kostet 125.000 Dollar, der Ehering 1,5 Millionen.

Im Wahlkampf verbreitet Donald Trump über Obama die Lüge, dieser sei kein echter Amerikaner, habe gefälschte Geburtsdokumente. Melania Trump ist die erste First Lady, die nicht von Geburt an Amerikanerin war und für die Englisch eine Fremdsprache ist. Im Wahlkampf wettert Donald Trump gegen das Green-Card-System der Einwanderung. Melania Trump verschafft ihren Eltern eine Green-Card.

Im Hintergrund. Donald Trump nimmt seine Ehefrau nicht immer auf Reisen mit.
Im Hintergrund. Donald Trump nimmt seine Ehefrau nicht immer auf Reisen mit.

© Evan Vucci/dpa

Auf Twitter hat Melania Trump mehr als zehn Millionen Follower, sie selbst folgt aber nur vier Personen: ihrem Mann, Vizepräsident Mike Pence, dessen Ehefrau Karen und – Barack Obama. Auch das ein Zeichen stiller Rebellion?

Vielleicht ist alles ganz anders, banaler, widersprüchlicher. Vielleicht ist der Wunsch eines Teils der amerikanischen Öffentlichkeit, Melania möge Donalds Korrektiv sein, vor allem der Sehnsucht nach einem solchen Korrektiv geschuldet. Wenn Melania Trump so ungern mit ihrem Mann zusammen ist, ihn so verachtet, wieso ist sie nicht schon längst medienwirksam gegangen? Möglicherweise gelingt es den Menschen nur nicht, sich zwei so verschiedene Personen als glückliches Paar vorzustellen. Schmiedet Melania und Donald immer noch mehr zusammen, als sie trennt.

Stilettos, Bomberjacke - und ein Lächeln

Der Hass auf einen Teil der Medien zum Beispiel. Vor zwei Jahren wurde die Webseite www.melaniatrump.com abgeschaltet, auf der zu lesen war, dass Melania Trump in Slowenien ein Studium in den Fächern Design und Architektur abgeschlossen habe – Fake News, enthüllt. Im selben Jahr wurde die Existenz eines unehelichen Halbbruders von Melania öffentlich, die sie stets geleugnet hatte. Die Journalistin, die darüber schrieb, erhält bis heute Todesdrohungen. Sie habe diese Reaktion provoziert, erklärte Melania dazu. Melania Trump ist die erste First Lady, die jemals eine Verleumdungsklage angestrengt hat. Weil ein Online-Magazin behauptete, sie habe in einem Escort-Service gearbeitet.

2010 präsentiert Melania eine Schmuckkollektion, die aus Plagiaten der Kreationen von Stieftochter Ivanka besteht. 2016 hält sie auf dem Nominierungsparteitag ihres Mannes eine Rede, die viele Passagen einer Rede von Michelle Obama aus dem Jahr 2008 enthält. Auch das ist Melania Trump: Die in Stilettos, mit Bomberjacke und Pilotensonnenbrille nach Texas fährt, um den Opfern der Flutkatastrophe zuzulächeln.

Melania und Donald Trump – vielleicht ist das nur zum Teil die Geschichte eines Gegensatzpaares, dessen Differenzen immer offener werden. Zum anderen aber die Geschichte eines Blenderduos, das sich trotz aller Unterschiede blendend versteht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false