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Alles im Griff und die Milliarde im Blick: Christian Lewandowski, Vorstandschef von Gegenbauer und Mitgesellschafter, hat die Nachfolge gemeinsam mit Werner Gegenbauer geregelt.

© Thilo Rückeis

Der Chef von Gegenbauer: „Jeder sollte mit seinem Lohn eine Familie ernähren können“

Christian Lewandowski, Vorstandsvorsitzender von Gegenbauer, über anständige Löhne, die Zukunft des Berliner Dienstleisters und die Töchter von Werner Gegenbauer.

Herr Lewandowski, ist Gegenbauer noch ein Gebäudereiniger?

Die Gebäudereinigung ist unsere Wurzel. Das ist ein Geschäft, bei dem man sich täglich vor den Augen des Kunden bewähren muss. Uns hat das geholfen, auch andere Dienstleistungen zu übernehmen. Heute gehören wir zu den führenden Facility-Management-Firmen in Deutschland. Wir erbringen alle mögliche Dienstleistungen rund um Immobilien. Die Gebäudereinigung hat dabei einen Umsatzanteil von 25 Prozent.

Mit der Übernahme der Dortmunder RGM hat Gegenbauer 2016 die größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte getätigt. Was will der Berliner im Ruhrgebiet?

Wir wollten unter die Top Ten des Marktes kommen und sind jetzt der siebtgrößte Anbieter im Facility Management. Wenn man heute für Großkunden tätig sein will, und das ist unsere wichtigste Klientel, dann schauen die auch auf Größe und Angebotsspektrum des Dienstleisters. RGM passt aber auch wegen der Industrieservice-Aktivitäten gut zu uns. Schließlich erhöhen wir unsere Präsenz. Im Ruhrgebiet waren wir bislang kaum vertreten, nun kommen wir dort auf einen Umsatz von 115 Millionen Euro mit 1600 Mitarbeitern.

Wie viele sind es in Berlin?

In der Hauptstadtregion haben wir rund 6000 Beschäftigte.

Ist hier die meiste Dynamik im Markt?

Wir wachsen am stärksten in Süddeutschland. Für einen weltweit tätigen Technologiekonzern bewirtschaften wir in München eine der modernsten Immobilien Europas. Es gibt dort zum Beispiel ein Museum, in dem wir die Führungen übernehmen. Eine solche Immobilie ist immer auch Referenzobjekt: Wenn wir das gut machen, haben wir eine Visitenkarte für andere Bereiche des Konzerns.

"Wir haben uns auf Deutschland konzentriert"

Gegenbauer ist kaum im Ausland präsent.

Ja, das unterscheidet uns von den anderen Anbietern unter den Top Ten. Wir haben uns als Berliner Unternehmen nach der Wiedervereinigung zunächst mal um Deutschland kümmern müssen, heute sind wir im Inland flächendeckend präsent. Sie schaffen nicht alles auf einmal.

Aber die großen Wachstumspotenziale liegen im Ausland.

Wir glauben, als Mittelständler unser Ziel von einer Milliarde Euro Umsatz 2025 vor allem auch in Deutschland erreichen zu können.

Der deutsche Markt im Facility Management ist 52 Milliarden Euro groß. Was ist da noch möglich?

Wir gehen von einem jährlichen Wachstum um rund fünf Prozent aus. Viele Unternehmen überprüfen ihre Geschäftsprozesse und gliedern Dienstleistungen jenseits des Kerngeschäfts aus.

"Wir haben einen guten Ruf bei jungen Leuten"

Finden Sie Mitarbeiter für das Wachstum?

Der Fachkräftemangel ist auch in unserer Branche angekommen, am deutlichsten in Süddeutschland. Wir sind aber eine starke Arbeitgebermarke, weil wir für Sozialpartnerschaft stehen und den Wert von Betriebsräten und Gewerkschaften zu schätzen wissen. Die Arbeitnehmervertreter sind unverzichtbar, um das Unternehmen weiterzuentwickeln. Unsere Strategie ist transparent und berechenbar, und das hilft uns beim Nachwuchs.

Bildet Gegenbauer aus?

Selbstverständlich. In 15 Berufen, gewerbliche und kaufmännische, haben wir derzeit 300 Auszubildende. Und in zwei Wochen beginnen weitere 140 junge Menschen ihr Berufsleben bei Gegenbauer, davon die Hälfte in Berlin. Es ist schwieriger geworden, Auszubildende zu finden, aber wir haben einen guten Ruf auch bei den jungen Menschen. Die beste Strategie gegen den Fachkräftemangel ist der gute Ruf als Arbeitgeber.

Die Preise in der Reinigung und bei Sicherheitsdiensten sind seit Jahren unter Druck – entsprechend schlecht ist die Bezahlung.

Es gibt nach wie vor einen Verdrängungswettbewerb, der vorrangig über den Preis geführt wird. Wir versuchen uns dem mit einer Qualitätsstrategie zu entziehen. Indem wir mit dem Kunden wachsen, machen wir uns ein Stück weit unentbehrlicher und entziehen uns dem Verdrängungswettbewerb.

Gilt das auch für Sicherheitsdienste?

In diesem Markt ist der Preiskampf extrem, weshalb wir uns in Ostdeutschland völlig zurückgezogen haben und trotz gesetzlichen Mindestlohns auch nicht wieder eingestiegen sind. Wir konzentrieren uns auf Märkte, in denen ein höheres Problemlösungsverständnis erforderlich ist.

Zum Beispiel?

Durch den gestiegenen Sicherheitsbedarf in der Gesellschaft insgesamt haben wir zum Beispiel ganz andere Anforderungen bei Großveranstaltungen.

Und dafür gibt es genügend Leute?

Hier ist der Personalmangel am größten. Das hat auch damit zu tun, dass erst vor drei Jahren ein Aufholprozess bei den Löhnen in Gang kam. Auch in der Tradition von Werner Gegenbauer engagieren wir uns seit vielen Jahren in den Arbeitgeberverbänden für faire Arbeitsbedingungen, weil wir der Meinung sind, dass ein Vollzeitbeschäftigter mit seinem Einkommen eine Familie ernähren sollte. Es ist doch grotesk: Die Beschäftigten, die für Sicherheit sorgen sollen, also konzentriert und aufmerksam sein müssen, die brauchen häufig noch einen zweiten Job, um über die Runden zu kommen.

Haben Sie Erfahrungen mit Flüchtlingen?

Ja, wir beschäftigen inzwischen 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit 2015 nach Deutschland geflüchtet sind. Dazu haben wir eine Abteilung aufgebaut mit Kollegen, die den Flüchtlingen helfen, durch den Alltag zu kommen. Nur über Arbeit werden Flüchtlinge bei uns integriert. Und ich bin überzeugt, dass diese Beschäftigten eine hohe Loyalität zum Unternehmen entwickeln werden.

Was ist mit Digitalisierung? Gibt es eine Entwicklungsabteilung bei Gegenbauer?

Im kommenden Jahr werden wir einen Chief Digital Officer einstellen, dessen Aufgabe es sein wird, die Digitalisierung von Immobilien im Blick zu haben. Alle Daten, die für die Steuerung, den Betrieb und die Überwachung von Gebäuden erforderlich sind, gibt es heute digital.

Und das bedeutet was?

Viele Aggregate – das kann die Strom- oder Wasserversorgung sein, Heizung oder Aufzüge – haben Sensoren. Die geben ein Signal, wenn eine Wartung oder Reparatur ansteht. Dann kommt ein Techniker und behebt den Fehler. Digitalisierung ermöglicht ferner, das Nutzerverhalten zu berücksichtigen: Welcher Raum wird wie genutzt und muss entsprechend gereinigt werden? Welche Temperatur ist wann in welchem Raum erwünscht? Gebäude werden „individueller“ bewirtschaftet, was höherer Produktivität und Kundenzufriedenheit bringt und mehr Verantwortung für unsere Mitarbeiter.

"Berlin ist beliebt"

Gegenbauer betreut auch Wohnimmobilien, vor allem in Berlin. Wie nehmen Sie die Dynamik in der Stadt wahr?

Wir sind darauf angewiesen, kreative Köpfe aus der ganzen Republik für unser Unternehmen zu begeistern. Das ist heute relativ einfach, Berlin ist beliebt bei jungen Leuten. Und wir selbst sind auch begeistert über die Entwicklung in der Hauptstadtregion.

Kommen Sie mit den Töchtern von Werner Gegenbauer zurecht, denen inzwischen die Firma gehört?

Sehr gut. Alle drei Töchter haben Herzblut entwickelt für das Unternehmen und seine Geschichte. Sie wollen aber nicht im operativen Alltag des Unternehmens aktiv mitmachen.

Was machen die dann?

Herr Gegenbauer hat den Töchtern bereits vor einigen Jahren die Mehrheit übertragen. Sie wollen die Zukunft des Unternehmens strategisch mitgestalten und nehmen über die Gesellschafterversammlung Einfluss.

Und Herr Gegenbauer?

"Werner Gegenbauer hält sich zurück"

Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats und gibt der jungen Generation die notwendigen Freiheiten, so auch seinen Töchtern. Das funktioniert sehr gut, weil sich die drei Frauen mit großem Interesse in ihre Rolle als Gesellschafterinnen einarbeiten. Unser Geschäft lebt von Persönlichkeiten und Gesichtern. Wenn wir die Angehörigen der Mitarbeiter mitzählen, dann leben 50 000 Menschen von Gegenbauer. Dafür haben alle Gesellschafter und Führungskräfte Verantwortung.

Und die drei Frauen sind sich einig?

Ja. Ich kenne sie von Kindesbeinen an, und das Zusammengehörigkeitsgefühl der drei war schon immer ausgeprägt.

Wie lange spielen Sie noch die Doppelrolle als Gesellschafter und Vorstandschef?

In den nächsten zwei bis drei Jahren werde ich in den Aufsichtsrat wechseln und mein jetziger Stellvertreter Christian Kloevekorn rückt als Co-Vorsitzender neben Fritz-Klaus Lange nach.

Und dann? Wie sieht das Unternehmen Gegenbauer zum 100. Geburtstag aus?

In diesem Jahr werden wir einen Umsatz von rund 700 Millionen Euro erwirtschaften. Ende 2018 sollten wir die Übernahme von RGM weitestgehend bewältigt haben. Dann hat der neue Vorstand freie Bahn, um zum Jubiläum, also bis 2025, eine Milliarde Euro Umsatz zu erreichen. Berlin ist eine wachsende Stadt, und davon wollen wir profitieren.

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