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Hochkomplex. Mehr als 50 Produktionsschritte sind erforderlich für eine Lithium-Ionen-Zelle. Auf dem Foto wird eine prismatische Zelldose mit einem Laserschweißkopf von Thyssen-Krupp dicht geschweißt.

© promo

Elektromobilität: Zoff mit der Zelle

Bosch baut keine Batteriezellen in Deutschland, andere Investoren setzen auf öffentliche Förderung. Asiaten bauen Kapazitäten in Europa aus.

So weit auseinander waren Politik und Industrie schon lange nicht. Seit Jahren trommelt die Bundesregierung für eine Batteriezellenfertigung in Deutschland und steckt dreistellige Millionenbeträge in die Batterieforschung. Was fehlt, ist eine großindustrielle Fertigung. Und das wird auch noch einige Zeit so bleiben. Als „industriepolitischen Rückschlag“ bewertet Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) die Entscheidung von Bosch, sich aus der Zellforschung zurückzuziehen und keine Fertigung aufzubauen.

„Ein Premium-Standort braucht eigenständiges Know-how und eigenständige Produktion bei einer Schlüsselkomponente für die E-Mobilität“, sagt der Industriepolitiker und vergleicht die Situation mit der Einführung des Verbrennungsmotors vor 130 Jahren. „Ohne eine eigenständige Entwicklung und Produktion von Verbrennungsmotoren hätte die deutsche Auto- und Zulieferindustrie nie eine globale Spitzenstellung bekommen.“

Bosch wollte keine 20 Milliarden investieren

Der größte Autozulieferer der Welt ist Bosch – und ausgerechnet Bosch hat sich jetzt gegen ein Zellfertigung hierzulande entschieden: Zu riskant. Wie es sich für einen Weltmarktführer gehört, hatten sich die Stuttgarter Strategen ambitionierte Ziele gesetzt: Bosch wollte nur in die Zellfertigung einsteigen, wenn der Konzern auf dem bislang von asiatischen Anbietern dominierten Markt bis 2030 einen Anteil von mindestens 20 Prozent und die Technologieführerschaft erreichen würde. Dazu wäre ein Anfangsinvestition von 20 Milliarden Euro nötig gewesen. Das Geld ist da, doch die Bedenken waren am Ende zu groß. Auch deshalb, weil die Erinnerung an rund vier Milliarden Euro, die Bosch in der Solarwirtschaft versenkt hat, noch zu frisch ist und die Risikobereitschaft hemmt.

Frankfurt (Oder) ist ein möglicher Standort

Die asiatischen Zellhersteller kommen derweil nach Europa. In Polen nimmt Weltmarktführer LG Chem in diesem Jahr eine Fertigung in Betrieb, Samsung baut ein Werk in Ungarn und die südkoreanische SK Innovation, die auch Frankfurt (Oder) in Betracht gezogen hatte, geht ebenfalls nach Ungarn. Die chinesische CATL will in Europa Zellen produzieren – gerne auch in Deutschland, und sucht derzeit einen Standort. Womöglich bleibt auch im elektromobilen Zeitalter die komplette Wertschöpfung eines Autos am Standort Deutschland, aber dann mit Zellen eines asiatischen Anbieters.

In Schweden entsteht ein Zellfabrik

Wenn alles so kommt, wie es derzeit scheint, wird sich der Bedarf enorm entwickeln. Die Fabrik, die Tesla mit Panasonic und reichlich öffentlichen Mitteln in Nevada baut, kostet mindestens fünf Milliarden Dollar und kommt auf eine Kapazität von etwa 33 Gigawatt. Der Markt im Jahr 2030 braucht Schätzungen zufolge Zellen mit insgesamt 1000 Gigawatt. Angesichts dieser Dimensionen tut sich auch so langsam etwas in Europa. In Schweden hat sich eine Konsortium mit zwei ehemaligen Tesla-Managern unter dem Namen Northvolt gegründet. Mit eine Anschubfinanzierung von 52 Millionen Euro durch die Europäische Investitionsbank soll der Aufbau einer vier Milliarden Euro teuren Zellenfabrik auf den Weg gebracht werden. In sechs oder sieben Jahren könnte dann in Nordschweden eine Zellenkapazität für die Batterien von rund 600 000 Elektroautos entstehen. Klingt nach viel, doch allein der VW-Konzern will 2025 drei Millionen Elektrofahrzeuge bauen.

Terra E hat Dresden im Blick

Vielleicht stammt dann ein Teil der erforderlichen Zellen von Terra E. Den hübschen Namen hat sich ein Zusammenschluss von 19 Unternehmen und Institutionen gegeben. Darunter sind Maschinen- und Anlagenbauer wie Thyssen-Krupp, Manz, Siemens sowie M+W, die Prozesskompetenz haben und gerne eine Zellenfertigung aufbauen würden, aber auch Zellenverarbeiter wie die Posttochter Streetscooter und das Batterien- Montage-Zentrum sowie einige Universitäten. In Dresden hat Terra E im vergangenen Jahr eine Ingenieursgesellschaft gegründet zur Vorbereitung der Fertigung. Und Dresden ist auch der Favorit für den Standort der Fabrik, denn der Freistaat Sachsen hat Fördermittel von bis zu 30 Prozent in Aussicht gestellt. Geplant ist eine Kapazität von 34 Gigawatt bis 2028, also in der Größenordnung von Tesla oder Northvolt. Leider ist immer noch völlig offen, woher die erforderlichen Milliarden kommen sollen. Die Industrie hält sich zurück – und zeigt auf die Politik.

Die große Koalition will eine Fertigung

„Die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung ist für Deutschland und Europa ein wichtiges wirtschafts- und industriepolitisches Handlungsfeld“, schreiben Union und SPD im Koalitionsvertrag. „Die Überlegungen der EU-Komission, im Bereich Batteriezellfertigung ein Programm aufzulegen, wollen wir unterstützen.“ Mit Programm ist eine milliardenschwere Subventionierung gemeint, wie etwa im Bereich der Mikroelektronik. „Wir halten an dem Ziel fest, Produktionskompetenz in Deutschland aufzubauen“, sagt Forschungsstaatssekretär Georg Schütte (CDU). Am 22. und 23. Februar gab es dazu in Brüssel ein Treffen mit dem zuständigen Kommissar Maroš Šefcovic, bei dem auch die Terra-E-Protagonisten zugegen waren. „Die Unterstützung der Kommission beschleunigt unsere Aktivitäten“, hieß es anschließend bei Terra E. Das Projekt zum Aufbau einer Fertigung in Deutschland liege im Plan. Es fehlt nur noch das Geld.

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